Die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) ist seit ihrer Gründung 2007 auf 1.054 Stellen angewachsen. Über Stand und Weiterentwicklung des BOS-Digitalfunks und über die Netze des Bundes (NdB) beziehungsweise den künftigen Informationsverbund Öffentliche Verwaltung (IVÖV) sprach der BSBOS-Präsident Jens Koch mit Dr. Barbara Held und Dr. Eva-Charlotte Proll.
Behörden Spiegel: Die BOS wie auch die BDBOS weisen seit Jahren auf die Notwendigkeit einer sicheren und vor allem einer bundesweit verfügbaren einheitlichen Breitbandinfrastruktur für die BOS hin. Aus dem BDBOS-Verwaltungsrat wurden zuletzt wegweisende Entscheidungen angekündigt. Wie ist der aktuelle Stand?
Koch: Wegen der Bundestagswahl sind wir im Moment nicht in der Lage, uns wegweisende politische Entscheidungen bei unseren Entscheidungsträgern abzuholen. Allerdings steht das aktuelle Bundesinnenministerium (BMI) hinter dem Breitbandausbau und würde diesen sehr gerne stärker fördern.
Die Wahrheit ist aber auch, dass wir einen Stufenplan vereinbart haben zwischen Bund und Ländern und dass wir erstmal gerne die ersten Stufen erklimmen wollen. Das war ja auch Gegenstand der inzwischen aufgehobenen Ausschreibung. Deshalb haben wir jetzt gemeinsam die Umsetzungsplanung angepasst, damit wir zügig mit der Umsetzung anfangen können. Aber manchmal sind die Mühen der Ebenen und die Abstimmungsprozesse doch langwieriger, als man es gerne hätte.
Behörden Spiegel: Wenn Sie von Stufen sprechen, dann sprechen wir noch von GAN 2.0?
Koch: Genau, der Stufenplan hat sich nicht geändert. Allerdings ist auch ein Teil der Wahrheit, dass wir darüber nachdenken müssen, ob wir die nächste Stufe überhaupt erklimmen wollen und wie und wann man auf die nächste Stufe kommt. Es ist uns ja nicht verboten, auf jeder Stufe neu nachzudenken. Der Stufenplan – so wie er vorliegt – wird am Ende erhebliche Kosten verursachen. Und viele Länder haben ja längst Breitband – wie z.B. Bayern. Das ist richtig gut, sehr praktikabel und sehr handhabbar für die bayerische Polizei. Das sind integrierte Arbeitsplätze. Hier würde ich gerne ein Angebot machen können, damit wir das auf eine bundeseinheitliche Plattform stellen können, so schnell wie möglich.
Behörden Spiegel: Wie stehen die Aussichten für eine BOS-Breitbandfinanzierung durch den Bund?
Koch: Der Betrieb des BOS-Digitalfunks und seine Finanzierung sind eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern. Deshalb trägt der Bund auch beim Thema Breitband selbstverständlich einen wichtigen Anteil bei. Die Aussichten dafür sind gar nicht so schlecht, weil das auch ein Beitrag zur Zeitenwende ist. Es muss ein Teil der Antwort auf unsere heutigen Sicherheitsherausforderungen sein. Die Anforderung einer Bundeswehr polizeilich und nicht-polizeilich gleichermaßen in die Länder zu kommunizieren, das ist eine Anforderung, die sich aus dem Operationsplan Deutschland ergibt, aus der Verlegefähigkeit der NATO durch deutsches Gebiet hindurch.
Das sind riesige Aufgaben für die Länder, Kommunen und diverse lokale BOS. Der Schlüssel zur Kommunikation wäre aus meiner Sicht ein gemeinsames Netz. Hierzulande können wir viele Dinge gar nicht zu Ende denken, ohne die Kommunikation zwischen den verschiedenen Kräften sicherzustellen.
Behörden Spiegel: Wenn es um die Finanzierung und die Kompetenzen geht, endet die Einigkeit jedoch schnell.
Koch: Ich glaube, seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine ist der Konsens – gerade beim Thema Kritische Infrastrukturen – vorhanden. Allerdings sind die Investitionssummen für den Digitalfunk, für Breitband und auch bei unseren Netzen des Bundes im Vergleich zu den sonstigen Ausgaben nicht so wahnsinnig hoch. Ich glaube, wir können mit verhältnismäßig wenig Geld schon eine ziemlich gute Lösung anbieten, die unsere Anforderungen erst einmal erfüllt.
Behörden Spiegel: Kommt angesichts der aktuellen Bedrohungslage das Thema Frequenzen wieder auf den Tisch?
Koch: Wir wollen am Ende eine auskömmliche Government-Only-Frequenz haben, die sich dann die Bundeswehr und die BOS miteinander teilen. Auch der Verwaltungsrat dieser Behörde hat sich entsprechend positioniert. Da gilt es, politisch noch ein Brett zu bohren, insbesondere müssen wir wieder die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) einbeziehen.
Behörden Spiegel: Wie lange wird Tetra als Technologie noch flächendeckend zur Verfügung stehen?
Koch: Eins ist klar: Wir werden Tetra 2030 nicht abschalten. Tetra ist unsere Basis für die einsatzkritische Kommunikation, bei der sich die Verfügbarkeit von beinahe 100 Prozent bewährt hat. Zwar ist sie nicht auf dem neuesten Stand der heutigen technischen Möglichkeiten, aber wir schalten sie nicht ab, bevor wir nicht einen Konsens mit allen Ländern über die zukünftige Breitbandlösung erreicht und diese umgesetzt haben. Die Länder modernisieren gerade ihre Zugangsnetze im Rahmen der Netzmodernisierung, die Pläne gehen fast eine Dekade in die Zukunft und es gibt Lösungen, wie man beides miteinander vereinen kann – Breitband und Tetra. Sie können mit kluger Brückentechnologie mit einem Handy ins Tetra-Netz funken und umgekehrt. Wir sollten uns nicht selbst unter Druck setzen. Wir müssen mit Airbus über den Support verhandeln, aber die Gespräche laufen.
Behörden Spiegel: Wo liegen die Hemmnisse aktuell beim Thema NdB und IVÖV?
Koch: Wir haben erstmalig Geld dafür im Haushalt. Diese Klippe haben wir genommen. Und jetzt fangen wir an! Da ist es so ähnlich wie bei dem Breitband-Stufenmodell. Natürlich kann man nach jedem Schritt, den man gegangen ist, sich umgucken und den Weg hinterfragen, aber ich kämpfe mit allem, was ich habe dafür, dass wir jetzt einfach mal loslegen, zum Beispiel mit einem Proof of Concept oder einem Piloten. Oder wir bieten die Dienste an und holen uns das Etikett als Diensteanbieter. Und wenn das funktioniert, bauen wir sukzessive weiter auf. Dann verstummen hoffentlich auch die Kritiker. Eine Sache ist doch, glaube ich, völlig klar: Wenn wir in Deutschland bei der aktuellen Beschlusslage zur IT-Konsolidierung bleiben, dann haben die Netze des Bundes wenig Zukunft. Unsere IT-Anwendungen werden doch nicht weniger Bandbreiten benötigen. Genau diese Entwicklung ist absehbar. Das heißt, wir müssen uns modernisieren. Das, was wir im Moment bei den Netzen des Bundes vorhalten, werden wir nicht endlos verstärken können. Schon deswegen werden wir vielschichtiger werden müssen, weg von einem monolithischen Netz.
Behörden Spiegel: Und das Gutachten der strategischen Kontrolleurin aus dem BMI?
Koch: Genau hier ist der Pilot so entscheidend. Er ist der Einstieg in das Konzept. Und danach gucken wir noch mal zurück und fragen, ob die Idee gelungen ist oder nicht. Und das machen wir gemeinsam mit unserer Fachaufsicht. Allerdings haben wir derzeitig in den Netzen des Bundes einen hohen Standard mit Blick auf Glasfaser. Und natürlich müssen wir uns die Frage gefallen lassen, ob wir in Zeiten der Zeitenwende nur noch auf Vermaschung setzen oder ob wir versuchen, diesen Standard in der Glasfaser zu halten, der nun mal teuer ist. Ich glaube zu der Zeit, als das alles konzipiert wurde, haben wir uns den Krieg in Europa nur schwerlich vorstellen können. Jetzt haben wir ihn fast vor der Haustür, und das macht nicht nur etwas im Bereich Breitband, Tetra, Digitalfunk. Da müssen wir uns als Netzbetreiber natürlich die Frage stellen, ob wir auf dem richtigen Weg sind und was es am Ende kostet.




