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StartSicherheitBei KRITIS-Dachgesetz nicht bei Null beginnen

Bei KRITIS-Dachgesetz nicht bei Null beginnen

Die deutsche Kritische Infrastruktur (KRITIS) steht unter Druck. Ob nun Sabotage, Cyber-Attacken oder Extremwetter: Das Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro und eine ruhigere Regierungsarbeit sind Lichtblicke, sagt Dr. Hans-Walter Borries, stellvertretender Vorstandsvorsitzender vom Bundesverband für den Schutz Kritischer Infrastruktur (BSKI). Im Gespräch erklärt er, was es neben Geld noch braucht. Das Interview führte Bennet Biskup-Klawon.

Behörden Spiegel: Wie schätzen Sie die momentane Lage beim Schutz der Kritischen Infrastrukturen (KRITIS) in Deutschland ein?

Dr. Hans-Walter Borries: Es wird unter anderem davon abhängen, wie die weiteren Gespräche zwischen dem US-Präsidenten Donald Trump und dem russischen Präsidenten Waldimir Putin laufen und ob es einen Waffenstillstand gibt. Daraus könnte eine Perspektive für einen echten Friedensschluss entstehen, der möglicherweise uns einen gewissen Zeitgewinn gibt, um die Zivil-Militärische-Zusammenarbeit und den Operationsplan Deutschland umzusetzen. Bisher ist das Ganze nur ein relativ loses Werk. Es muss mit Inhalten gefüllt werden. Das bedeutet, dass die Gebietskörperschaften, aber auch Unternehmen und Blaulichtorganisationen es erst einmal erfassen müssen, bewerten und folgern müssen, was die Aufgabe für die nächsten drei bis vier Jahre sein wird. Das Zeitfenster bis 2029/2030 wird sehr kurz.

Zudem müssen Finanzmittel bereitgestellt werden. Diese sind aber nicht alles, denn wir brauchen auch weiteres Personal, das wir ausbilden und beüben müssen. Ich halte das insgesamt für eine Kernaufgabe, die uns sehr, sehr fordern wird.

Ich hoffe, dass wir schnell aus diesem Regierungsbildungsmodus herauskommen und wieder in ein geordnetes Fahrwasser einer Regierungsarbeit mit Kompetenz und Sachverstand gelangen.

Behörden Spiegel: Was erhoffen Sie sich aus dem Sondervermögen „Infrastruktur“ in Höhe von 500 Milliarden Euro?

Dr. Borries: Ich erhoffe mir, dass eine Summe X, die ich nicht definieren kann, aber die in die Milliarden gehen wird. Neben dem militärischen Bereich und der klassischen Infrastruktur wie Brücken erhoffe ich mir auch einige Milliarden für den Bevölkerungsschutz, den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe. Diese Mittel müssen relativ frei verfügbar sein, weil sie zunächst eine Anlaufschwierigkeit überwinden müssen. Aber die Finanzierung ist eine Daueraufgabe.

Behörden Spiegel: Neben Krieg und Hybriden Angriffen gibt es noch weitere Gefahrenlagen, wie Extremwetterereignisse, die durch den Klimawandel verstärkt werden. Es kann also eine Gleichzeitigkeit von mehreren Lagen entstehen. Wie kann ein allumfassender Schutz gelingen?

Dr. Borries: Die anthropogenen, also von Menschen geschaffenen, Gefahren werden zunehmen. Sei es Sabotage, Terror bis hin zu hybrider Vorkriegsführung. Das andere sind die natürlichen Gefahren, die physischen Gefahren. Wir wissen, dass alle zehn Jahre eine Steigerung von rund 35 Prozent bei den Naturgefahren auftritt: Unwetter, Starkregen, vielleicht auch mal wieder ein starker Winter, der ein bisschen in den Hintergrund geraten ist. Das sind Bereiche, die wir jetzt angehen müssen, wo wir konkrete Maßnahmen ergreifen müssen. Das wird natürlich Geld kosten.

Die Vorbereitungen auf natürliche Gefahren und auf einen möglichen Spannungsfall müssen gleichberechtigt betrachtet werden. Dazu brauchen wir auch endlich ein KRITIS-Dachgesetz und die Umsetzung der NIS2-Richtlinie. Auf europäischer Ebene hinken wir da deutlich hinterher. Das bedeutet, dass wir immer mehr in Verzug kommen, möglicherweise auch hohe Strafzahlungen an die EU leisten müssen. Diese Mittel fehlen dann wieder der öffentlichen Hand.

Behörden Spiegel: Soll man beim KRITIS-Dachgesetz wieder komplett von Null anfangen?

Dr. Borries: Wieder bei Null anfangen hieße, dass wir wieder drei oder vier Jahre in die Diskussion einsteigen. Die erste Diskussion hat schon zu lange gedauert. Ich würde mir wünschen, dass man auf dem Entwurf aufbaut. Wir brauchen aber auch endlich Klarheit, ob „Medien und Kultur“ der zehnte KRITIS-Sektor werden soll. Ich hoffe es, denn all diese KRITIS-Sektoren sind wichtig.

Zusammen mit der Universität Frankfurt und meinem Institut FIRMITAS haben wir ein Forschungsprojekt zu Kaskadeneffekten konzipiert, denn die verschiedenen Wechselwirkungen zwischen den Sektoren wurden noch nicht genug untersucht. Bisher haben wir halbwegs untersucht, welche Auswirkungen ein Stromausfall haben könnte. Aber wir müssen uns alle anderen Sektoren anschauen. Was sind möglicherweise Determinanten dieser Sektoren untereinander? Wo sind Gefahren, die wir heute noch gar nicht sehen? Unabhängig davon, ob wir uns in einem Vorkrieg, in einer hybriden Bedrohung oder gegebenenfalls in einem Spannungs- oder Verteidigungsfall befinden.

Behörden Spiegel: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft befinden sich tatsächlich und gefühlt in einer Perma-Krise. Wie kann eine Transformation in der Krise gelingen?

Dr. Borries: Ich glaube, dass die Krisenlagen, die wir angesprochen haben – physische und anthropogene Gefahren – Daueraufgaben sind. Wir werden uns aufgrund des Klimawandels und aufgrund von politischen sowie geopolitischen Veränderungen permanent und ständig anpassen müssen. Das wird in Zukunft zunehmen. Das heißt, wir müssen uns jetzt auf diese Gefahrenlagen ausrichten. Wir brauchen eine Unterrichtung der Bevölkerung. Wir brauchen die Ausbildung von Fachkräften. Wir brauchen mehr Übungen. Wir brauchen die richtigen Gerätschaften. Ich glaube, dass die Bürgerinnen und Bürger das erkennen, wenn man sie mit einem klaren Konzept informiert – nicht mit Angst. Dann laufen wir auch nicht Gefahr, sie zu verschrecken. Wir müssen um ihr Vertrauen werben, und auch von ihnen kommen gute Impulse. Das wird eine ganz wichtige Aufgabe werden. Und an dieser Aufgabe müssen wir dauerhaft arbeiten.

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