Ein Segen können die Sozialen Medien wohl nicht sein, denn als es sie noch nicht gab, hat sie auch niemand vermisst. Für Werbezwecke und auch zur Information tat es der Internetauftritt über eine eigene Homepage. Für schnelle Mitteilungen genügte die E-Mail.
Das hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Natürlich gibt es weiter Homepages von Behörden, Unternehmen und auch Privaten. Hinzugekommen sind aber insbesondere Plattformen wie zunächst Facebook und später Twitter/X, Instagram und TikTok. Für den Austausch untereinander über Wichtiges und Unwichtiges gibt es diverse Messengerdienste.
Unternehmen und Behörden kommen daran nicht mehr vorbei. Sie sind häufig oder sogar zum größten Teil auch dort vertreten. Für die Medien gilt das ausnahmslos. Das hat für beide Seiten, für diejenigen, die Inhalte einstellen und für die Nutzenden, Vorteile. Neue Informationen kommen schnell bei den Zielgruppen an, ohne dass diese gezielt suchen müssen. Für die öffentliche Hand ist es sogar eine Chance, sperrige Inhalte verständlich zu machen, wie Beispiele im In- und Ausland zeigen. So präsentiert der römische Bürgermeister in TikTok-Videos von Baustellen in der Stadt und schafft so Verständnis für damit zeitweise einhergehende Behinderungen.
Dienen die Sozialen Medien der seriösen Information, erreichen sie viel eher die Generation der unter 35-Jährigen, die sich in erster Linie über diese Plattformen informiert. Es ist deswegen wichtig, dass nicht nur die öffentlich-rechtlichen Nachrichtenkanäle in den sozialen Medien präsent sind, sondern auch die öffentliche Hand.
Moderner Klatsch
Das Gefahrenpotenzial der Sozialen Medien ist enorm. Das liegt nicht nur an dem außerordentlichen Suchtpotenzial und an den Möglichkeiten gezielter Beeinflussung durch Desinformation, wie wir sie ständig erleben. Es hängt auch damit zusammen, dass früher Klatsch und Tratsch, halbgare politische Einschätzungen, Lästereien, Beschimpfungen und Ähnliches – wirklich – privat am Stammtisch, über den Gartenzaun, an der Ecke oder auf dem Markt ausgetauscht wurden. Unbedachte Äußerungen oder peinliche Selbstdarstellungen hatten meistens kein großes Publikum und waren im günstigsten Fall schnell vergessen.
Diese Zeiten sind vorbei. Das Netz vergisst nicht, die Welt schaut zu und liest mit. Das gilt für die bewusst ins Netz gestellten Beleidigungen und Hasskommentare, aber auch für solche, die auf den Plattformen gepostet werden, weil man vielleicht erst geschrieben und dann nachgedacht hat. In beiden Fällen ist es häufig eine Katastrophe für diejenigen, die betroffen sind. Sie haben nicht selten einen langen Leidensweg vor sich. Mehr Bewusstsein wäre deshalb sehr hilfreich. Möchte ich das über mich lesen, was ich hier über andere schreibe?
Beweisstück Social Media
In arbeitsrechtlichen Streitigkeiten und Disziplinarverfahren spielen solche Posts und vermeintlich privaten Äußerungen in den letzten Jahren eine immer größere Rolle. Die Problematik der Sozialen Medien lässt sich daraus durchaus ableiten. Die Likes und bestätigenden Kommentare zu rassistischen, beleidigenden, sexistischen Posts, Memes, Videos oder solchen mit extremistischem Inhalt sind in den vergangenen Jahren immer häufiger Gegenstand arbeitsrechtlicher Abmahnungen oder Kündigungen, im Beamtenbereich von Disziplinarverfahren, geworden. Erst recht gilt dies für entsprechende eigene Beiträge im Netz.
Gefährlich sind auch die scheinbar privaten Chats, beispielsweise in der Kollegengruppe, in der man untereinander Dienste oder Fahrgemeinschaften abstimmt. Werden hier dann etwa extremistische Inhalte verbreitet oder wird über Kollegen oder Vorgesetzte in beleidigender Weise hergezogen, kann das selbst für diejenigen Gruppenmitglieder arbeitsrechtlich oder disziplinarrechtlich gefährlich werden.
Autor des Gastbeitrags ist Dr. Ralph Heiermann, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Arbeitsrecht.





