Vorbereitung ist alles. Dies gilt nicht nur im Katastrophenfall, sondern auch im Spannungsfall. Doch verschiedene Akteure – auch aus der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr – sehen Defizite.
„Inzwischen sehen wir uns mit Phasen konfrontiert, die massiver sind, als man das früher erwartet hätte“, sagt der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium Sebastian Hartmann (SPD). Vor allem hybride Bedrohungen als besondere Zwischenphase beträfen die Bevölkerung besonders. „Wir müssen mehr mit der Bevölkerung kommunizieren“, fordert Hartmann. Ziel müsse es sein, dass sich die Menschen besser vorbereiteten.
Vorbereitung ist auch für Kommunen entscheidend. Das gilt ebenso für Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister: Sie müssen überlegen, was der Zivilschutzfall konkret für ihre Städte bedeutet. Davon zeigt sich Jochen Reeh-Schall, SPD-Oberbürgermeisterkandidat und Bezirksbürgermeister in Bonn, überzeugt. Viele Verantwortliche wüssten gar nicht genau, wer die Krisenpläne erstellt habe oder wer für Brandschutz und Katastrophenvorsorge zuständig sei. Dies erschwere die Krisenbewältigung. Im Vergleich werde deutlich, dass internationale Einrichtungen und große Unternehmen teilweise schon viel weiter als kommunale Strukturen seien. Die Gestaltung von Zuständigkeiten, Schnittstellen und Entscheidungswegen sei dadurch noch wichtiger geworden, so Reeh-Schall. Deshalb sei es entscheidend, auch in nichtstaatlichen Bereichen wie DLRG, Feuerwehr oder Hilfsorganisationen Verantwortlichkeiten und Bereitschaften klar zu regeln. „Aber es tut sich etwas“, betont Reeh-Schall.
Wie wichtig eine solche Verknüpfung der Partner ist, unterstreicht Simone Pesch, Referentin für Pflege im Bevölkerungsschutz bei der DRK-Schwesternschaft Bonn. „Die Vernetzung zu anderen Organisationen, der Politik, Landräten und der Stadt war z. B. in der Ahr-Katastrophe extrem wichtig“, so Pesch.
Die DRK-Schwesternschaften wurden kurzfristig in Betreuungseinrichtungen eingebunden. Sie halfen nicht nur bei der Versorgung der Betroffenen, sondern deckten auch den pflegerischen Bedarf ab. Denn: „In der Katastrophensituation denkt keiner an die zu Pflegenden“, sagt Pesch.
Auch im Ernstfall müsse die Versorgung sichergestellt werden. Während des Kalten Krieges gab es bei 62 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern in Westdeutschland rund 380.000 ausgebildete Schwesternhelferinnen – dies entsprach ungefähr 0,6 Prozent der Bevölkerung. Wollte man diese Quote heute wieder erreichen, wären rund 490.000 Helferinnen und Helfer nötig, die im Notfall pflegerisch tätig werden können. Jedoch gebe es derzeit nicht genügend Ausbildungskapazitäten.
Auch bei den Unternehmen habe ein Umdenken eingesetzt. So berichtet Dr. Hubertus Hille, Hauptgeschäftsführer der IHK Bonn/Rhein-Sieg, dass die Bundeswehr vor sechs Monaten auf die IHK zugekommen sei. Gestützt auf nachrichtendienstliche Informationen habe die Bundeswehr die IHK darüber unterrichtet, dass Russland bis spätestens 2030 in der Lage sein könnte, weitere Länder – auch NATO-Mitgliedsstaaten – militärisch anzugreifen. Das würde den NATO-Bündnisfall auslösen und hätte massive Auswirkungen auf Deutschland. Truppenverlagerungen, Logistik, Infrastruktur und zivile Unterstützung müssten dann in kurzer Zeit bereitgestellt werden. Auch Unternehmen wären massiv gefordert.
Strukturell gebe es jedoch große Unterschiede. Für Unternehmen, die bereits zuvor mit der Bundeswehr zusammengearbeitet hätten, sei dies weniger ein Problem, für bundeswehrferne Unternehmen hingegen schon. „Es setzt jetzt ein Prozess des Umdenkens ein“, so Hille. Corona habe gezeigt, dass deutsche Unternehmen und staatliche Stellen auf bestimmte Szenarien nicht ausreichend vorbereitet gewesen seien. „Aber die eigentlichen Herausforderungen liegen noch vor uns“, warnt Hille.
Eine mangelnde Vorbereitung stellt auch Reeh-Schall in Krisensituationen wie beispielsweise Bombenentschärfungen fest. So seien noch immer nicht alle Telefonnummern bekannt. Deshalb brauche es eine Vorbereitung mit einem All-Gefahren-Ansatz.
Pesch plädiert dafür, jetzt die Rahmenbedingungen zu schaffen, um in der Krise handlungsfähig zu sein. Das bedeute auch, Geld in die Hand zu nehmen, um Ausbildungskapazitäten aufzubauen. Trotz aller Defizite spricht sich Hartmann dagegen aus, nur negativ zu denken. Es brauche mehr Agilität und Flexibilität – auch in der Krise.





