Nach monatelangen Abstimmungen, mehrfach überarbeiteten Entwürfen und teils heftigen Diskussionen liegt sie nun vor: die endgültige Modernisierungsagenda der Bundesregierung. Federführend im Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) entwickelt, versteht sich das Dokument als Leitlinie für eine effizientere Bundesverwaltung, für spürbare Entlastungen bei Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen sowie für eine konsequente Digitalisierung staatlicher Prozesse.
Der Weg dahin war lang, nicht zuletzt, weil sich das Papier in mindestens fünf verschiedenen Fassungen durch Ressortabstimmungen und interne Runden gearbeitet hat. Nun steht die Kabinettsfassung, und sie zeigt einen klaren Kurs, der Bewährtes aus den Entwürfen aufnimmt, gleichzeitig, aber auch ambitionierte Ideen zurückgeschnitten hat.
Das Grundgerüst der Agenda bleibt unverändert: fünf Handlungsfelder, die den Anspruch einer schlankeren und digitaleren Verwaltung in konkrete Arbeitsschwerpunkte übersetzen. Dazu zählen der Bürokratieabbau, eine bessere Rechtssetzung, die serviceorientierte Ausrichtung gegenüber Bürgerinnen und Unternehmen, die Effizienzsteigerung innerhalb der Bundesverwaltung sowie eine zukunftsgerichtete Personalentwicklung. Als Leitmotiv bleibt das Prinzip „digital first, analog möglich“ bestehen. Damit wird die Digitalisierung von Prozessen klar priorisiert, während analoge Wege in Ausnahmefällen weiterhin vorgesehen bleiben.
Die Bundesregierung setzt damit zentrale Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag um, etwa die Reduzierung des Personals in der Bundesverwaltung um acht Prozent sowie die Absenkung der Bürokratiekosten für Unternehmen um ein Viertel, was rund 16 Milliarden Euro pro Jahr entspricht. Auch die Vorstellung, dass Bürgerinnen, Unternehmen und Verwaltung schon nach sechs Monaten erste Entlastung spüren sollen, hat den Sprung in die Endfassung geschafft – in früheren Entwürfen war dies noch auf das Ende der Legislaturperiode vertagt. Gleichwohl bleibt die Frage offen, wie die tatsächlichen Wirkungen gemessen werden können, da konkrete Outcome- und Impact-Indikatoren im Text fehlen.
Hebelprojekte im Fokus
Neu akzentuiert wird die Agenda durch die Einführung von 23 sogenannten Hebelprojekten. Diese sollen die Modernisierung mit besonders hoher Wirkung vorantreiben. Dazu gehören Vorhaben wie die Zentralisierung von i-Kfz-Portalen, KI-gestützte Visa-Verfahren oder die Rechenzentrumsstrategie, aber auch Projekte aus dem Koalitionsvertrag wie der Bau-Turbo oder Unternehmensgründungen innerhalb von 24 Stunden. Diese Projekte gelten als „herausgehoben“ und sind mit klaren Zeitvorgaben versehen, was die Steuerungsfähigkeit des BMDS unterstreichen soll.
Ein weiterer markanter Punkt ist der IT-Zustimmungsvorbehalt, der binnen drei Monaten in einer Verwaltungsvereinbarung ausgestaltet werden soll. Er sieht vor, dass das BMDS künftig bei digitalisierungsbezogenen Ausgaben anderer Ministerien mitbestimmt. Ob dieses Instrument zu einem wirksamen Steuerungshebel wird oder lediglich eine Formalie bleibt, hängt maßgeblich von den kommenden Verhandlungen mit dem Bundesfinanzministerium ab (Behörden Spiegel berichtete).
Die Agenda sieht zudem eine zügige Stärkung von KI-Infrastrukturen vor. Innerhalb eines Jahres soll eine KI-Cloud-Basisplattform im Deutschland-Stack bereitstehen. Parallel dazu werden ressortübergreifende Befähigungsmaßnahmen für den KI-Einsatz angekündigt, flankiert von einer breiteren Datenbasis für algorithmische Anwendungen. Bereits innerhalb von zwölf Monaten soll ein KI-gestütztes Genehmigungsverfahren als erstes sichtbares Vorzeigeprojekt Realität werden.
Abgespeckte Ambitionen
So ehrgeizig einige Maßnahmen erscheinen, so deutlich ist auch erkennbar, wo die Agenda zurückrudert. Die ursprünglich geplante Digitalagentur, gedacht als zentrale operative Einheit, ist nicht mehr Teil des Dokuments. Stattdessen soll innerhalb von drei Jahren eine projekthafte Umsetzungsstruktur entstehen, die vorhandene Ressourcen nutzt und lediglich bei Bedarf zusätzliche Kapazitäten bündelt. Auch das viel diskutierte KI-Portal „Kipitz“, das innerhalb von anderthalb Jahren allen Ministerien als Suite für interne Datenanwendungen dienen sollte, verschwand in den letzten Runden aus dem Text. Gleiches gilt für die Big-Data-Plattform „Plain“ des Auswärtigen Amtes, die zwischenzeitlich als möglicher Baustein für die Verwaltung in Betracht gezogen wurde.
Auch die sogenannte One-in-one-out-Regel erfährt eine Abschwächung. War in frühen Fassungen noch die vollständige Abschaffung von Ausnahmeregelungen vorgesehen, spricht die Endfassung nur noch von Modifikationen. An dem mittelfristigen Ziel einer One-in-two-out-Regel, also einer Verdopplung des Entlastungseffekts, hält die Bundesregierung hingegen fest, auch mit Blick auf die europäische Ebene.
Das Zentrum für Legistik verliert gegenüber den früheren Fassungen an Bedeutung. Statt zentraler Alleinzuständigkeit wird seine Rolle stärker in Kooperation mit den jeweils fachlich zuständigen Ressorts gesehen. Damit liegt auch das ambitionierte Projekt „Law as Code“ nicht mehr allein beim Zentrum, sondern wird in eine breitere Ressortverantwortung eingebettet.
Pragmatismus und Anspruch
Die Modernisierungsagenda ist in ihrer Kabinettsfassung damit weniger ein visionäres Dokument und mehr ein praktischer Fahrplan. Wo frühere Entwürfe große institutionelle Neuerungen in den Vordergrund stellten, setzt die Endfassung stärker auf konkrete, innerhalb der Legislaturperiode umsetzbare Maßnahmen. Das sorgt für Klarheit, reduziert aber auch den Innovationsanspruch. Die Streichung einzelner Projekte mag Enttäuschung auslösen, signalisiert zugleich jedoch eine Rückkehr zum Realismus in der Verwaltungsmodernisierung.
Offen bleibt die entscheidende Frage der Messbarkeit. Zwar enthält die Agenda klare Fristen für Umsetzungsmaßnahmen, doch fehlen weiterhin überprüfbare Indikatoren für deren Wirkung. Auch die Frage, wie ressortübergreifende Kooperation im Alltag gelingen soll, ist nur in Grundzügen beantwortet. Der viel beschworene Whole-of-Government-Ansatz bleibt ein Leitbild, das in der Praxis erst durch konkrete Steuerungsmechanismen und eine klare politische Linie unterfüttert werden muss.