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StartRechtKeine Sonderzahlung für Langzeiterkrankte

Keine Sonderzahlung für Langzeiterkrankte

Das Landesarbeitsgericht Hamm stellt in nachstehender Entscheidung (LAG Hamm, Urteil vom 10. Juni 2025 – 6 SLa 19041/24) klar, dass die Tarifvertragsparteien in ihrer Entscheidung frei sind, die Gewährung einer Inflationsausgleichsprämie grundsätzlich auch an eine gewisse Gegenleistung der Beschäftigten zu knüpfen. Eine tarifvertragliche Regelung, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der Zahlung der Inflationsausgleichsprämie ausschließe, die keinen Anspruch mehr auf Bezug des Krankengeldzuschusses haben, verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG.

Der Kläger war seit dem 1. September 1997 als Mitarbeiter in Lehre und Forschung bei der Beklagten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis war der Tarifvertrag über Sonderzahlungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise (TV Inflationsausgleich) anwendbar, der inhaltlich unter anderem Folgendes regelt:

Paragraf 2 Inflationsausgleichs-Einmalzahlung
(1) Personen, die unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fallen, erhalten eine einmalige Sonderzahlung (Inflationsausgleichs-Einmalzahlung), die zum frühestmöglichen Zeitpunkt ausgezahlt wird, wenn ihr Arbeits-, Ausbildungs-, Studien- oder Praktikantenverhältnis am 9. Dezember 2023 besteht und sie in der Zeit vom 1. August 2023 bis zum 8. Dezember 2023 an mindestens einem Tag Anspruch auf Entgelt hatten.
(2) Die Höhe der Inflationsausgleichs-Einmalzahlung beträgt für Personen, die unter den Geltungsbereich des TV-L fallen, 1.800 Euro. […]

Paragraf 4 Abs. 2 TV Inflationsausgleich definiert, was unter Entgelt im Sinne dieses Tarifvertrages zu verstehen ist. Eine Jahressonderzahlung nach Paragraf 20 TV-L ist hier nicht gesondert erwähnt.

Der Kläger war von Oktober 2022 bis Januar 2024 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Er bezog – nach Auslaufen seines Entgeltfortzahlungsanspruches – bis zum 31. Juli 2023 Krankengeldzuschüsse nach Maßgabe des Paragraf 22 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 TV-L. Seit dem 1. August 2023 hatte er wegen Ablaufs der 39. Woche (Paragraf 22 Abs. 3 Satz 1 b) TV-L) keinen Anspruch auf Krankengeldzuschuss mehr.

Im November 2023 erhielt der Kläger eine Jahressonderzahlung nach Maßgabe des Paragraf 20 TV-L.

Darüber hinaus erhielt der Kläger im Januar 2024 eine Inflationsausgleichszahlung im Sinne des Paragraf 2 TV-Inflationsausgleich in Höhe von EUR 1.800,00 (netto). Diesen Betrag forderte das für die Abrechnungen zuständige Landesamt für Besoldung und Versorgung mit Schreiben an den Kläger vom 6. Februar 2024 zurück und brachte die vorbenannte Prämie von der Vergütung des Klägers für den Monat Februar 2024 in Abzug.

Dies fand nicht die Zustimmung des Klägers, der erstinstanzlich im Rahmen seiner Zahlungsklage vortrug, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Auszahlung der Inflationsausgleichsprämie nach Paragraf 2 TV-Inflationsausgleich in seinem Fall erfüllt seien. Er begründete dies damit, dass er im November 2023 nach Paragraf 20 TV-L die Jahressonderzahlung erhalten habe. Hierbei habe es sich um Entgelt gehandelt, da hierunter alle Geld- und Sachleistungen zu verstehen seien, die der Arbeitgeber den Beschäftigten unmittelbar oder mittelbar aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses zahle.

Hilfsweise machte der außerdem Kläger geltend, dass die tarifvertragliche Differenzierung im Zusammenhang mit dem Bezug von Krankengeldzuschüssen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Die Situationen, in denen man noch den Krankengeldzuschuss beziehe und in denen dies nach Ablauf der 39. Woche nicht mehr der Fall ist, seien vergleichbar, da in beiden Fällen u.a. der Entgeltfortzahlungszeitraum überschritten sei und man Leistungen der Krankenkasse beziehen würde. Es sei daher willkürlich, die Inflationsausgleichsprämie ab der 40. Erkrankungswoche auszuschließen, da die betroffenen Personen finanziell noch schlechter stünden als dies bis zur 39. Woche der Fall sei. Abschließend wies der Kläger darauf hin, dass die Inflationsausgleichsprämie keine Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung sei.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen

Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen hat die Zahlungsklage abgewiesen und in seiner Begründung darauf verwiesen, dass sich ein Anspruch auf Zahlung der Inflationsausgleichsprämie weder direkt aus Paragraf 2 TV Inflationsausgleich ergebe noch aus einer Zusammenschau mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Kläger habe eben nicht im Zeitraum vom 1. August 2023 bis zum 8. Dezember 2023 an mindestens einem Tag Anspruch auf Entgelt gehabt. Der TV Inflationsausgleich regele in Paragraf 4 Abs. 2 abschließend, welche Zahlungen als Entgelt zu verstehen seien. Die Jahressonderzahlung nach Paragraf 20 TV-L falle gerade nicht hierunter.

Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG sah das Arbeitsgericht hier nicht, da die Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien erst überschritten sei, wenn das Willkürverbot als äußerste Grenze der Tarifautonomie verletzt sei. Insofern müsse berücksichtigt werden, dass die Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise nicht der einzige Zweck der tariflichen Einmalzahlung sei. Dies ergebe sich aus den weiteren Voraussetzungen, die für die Gewährung erfüllt sein müssen und die eindeutig darauf schließen lassen, dass auch die Arbeitsleistung vergütet werden soll. Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung ein.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm

Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Hamm sah die Klage als zulässig, jedoch unbegründet an.

Das Landesarbeitsgericht Hamm stellte zunächst fest, dass der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Inflationsausgleichsprämie dem Kläger weder aus den tarifvertraglichen Vorschriften noch aufgrund einer Zusammenschau mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zustehe.

Der Kläger habe im Zeitraum vom 1. August 2023 bis zum 8. Dezember 2023 nicht an mindestens einem Tag Entgelt erhalten, was allerdings nach Paragraf 2 Abs 1 TV Inflationsausgleich erforderlich gewesen wäre. Sofern der Kläger meint, dass die Jahressonderzahlung nach Paragraf 20 TV-L ein Entgelt im Sinne des TV Inflationsausgleich darstelle, so folgte auch das LAG Hamm dem nicht. Die Jahressonderzahlung sei weder in Paragraf 4 Abs. 2 TV Inflationsausgleich ausdrücklich vorgesehen noch im Wege der Auslegung hineinzulesen. Die sehr detaillierte Aufzählung verschiedener Anspruchsgrundlagen in Paragraf 4 Abs. 2 TV Inflationsausgleich aus unterschiedlichen Normkontexten diene erkennbar dem Zweck, durch eine enumerative Definition die rechtssichere Anwendung der tariflichen Anspruchsgrundlagen zu ermöglichen.

Das LAG Hamm sah auch nicht, dass der Kläger einen Anspruch auf die Inflationsausgleichsprämie aus Paragraf 2 Abs. 1, 2 Satz 1 TV Inflationsausgleich iVm dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG herleiten könne. Zwar seien auch die Tarifvertragsparteien in Ausübung ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionsfreiheit bei der Vereinbarung von Tarifnormen gehalten, den Grundsatz der Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten, jedoch müsse berücksichtigt werden, dass den Tarifvertragsparteien aufgrund der Tarifautonomie ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zustehe. Vor diesem Hintergrund sei es bereits ausreichend, wenn die Tarifvertragsparteien eine Regelung treffen würden, für die ein sachlicher Grund bestehe, es müsse dabei nicht die gerechteste oder gar vernünftigste Lösung sein. Ein Verstoß sei erst anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumen würden, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die allerdings so bedeutsam sind, dass sie hätten Beachtung hätten finden müssen, wenn man sich an dem Gerechtigkeitsgedanken orientiert.

Danach liege im vorliegenden Fall kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vor, da die Tarifvertragsparteien Arbeitnehmer, die infolge einer langandauernden Erkrankung keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung bzw. Krankengeldzuschuss mehr haben, wirksam aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten ausgeschlossen worden seien. Das zulässige Differenzierungskriterium sei hier die durch die Stichtagsregelung pauschalierte gewisse Nähe zu der Gegenleistung des Arbeitnehmers. Damit verfolgen die Inflationsausgleichszahlungen zwar keinen echten Vergütungszweck, sind aber gleichwohl nicht völlig unabhängig von der Erbringung einer Gegenleistung des Arbeitnehmers geschuldet.

Letzteres ergebe sich daraus, dass nach Paragraf 2 Abs. 1 TV Inflationsausgleich der Anspruch nur bestehe, wenn auch in der Zeit vom 1. August 2023 bis 8. Dezember 2023 Anspruch auf Entgelt bestanden habe. Wäre die Gegenleistung des Arbeitnehmers nicht von Relevanz gewesen, so wäre es ausreichend gewesen, nur an den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag für die Auszahlung anzuknüpfen.

Nur mit Gegenleistung

Die vorstehende Entscheidung macht deutlich, dass die Tarifvertragsparteien die Auszahlung der Inflationsausgleichsprämie im vorliegenden Fall nicht gänzlich losgelöst von einer Gegenleistung durch die Beschäftigten gewähren wollten und dies auch nicht müssen. Dieses Differenzierungsmerkmal ist auch nicht vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs 1 GG zu beanstanden, sondern von der Tarifautonomie gedeckt. Auch wenn es zu harten Grenzwertentscheidungen führen kann, etwa wenn ein einziger Tag mehr Krankengeldzuschuss im angegebenen Zeitraum schlussendlich über die Auszahlung der Inflationsausgleichsprämie entscheidet, so ändert dies nichts am Gesamtergebnis, welches nicht zu beanstanden ist.

Der Autor dieses Gastbeitrages ist Dr. Björn Braun von der Küttner Rechtsanwälte Partnergesellschaft

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