Eine Bar auf Sylt, junge Menschen feiern ausgelassen und filmen sich, während sie rechtsextremistische Parolen grölen. Das Video wird in den Sozialen Medien viel geteilt und kostet einige Partygäste ihre Arbeitsstelle. Welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen hätten einfache Staatsdienerinnen und Staatsdiener und Kernfunktionsträgerinnen und Kernfunktionsträger in einem solchen Fall zu fürchten? Die Treuepflicht steht besonderen Kündigungsregelungen gegenüber.
„Ein Arbeitgeber kann seinen Mitarbeitenden nicht verbieten, ihre Meinung zu äußern – weder durch Weisungen noch durch Richtlinien oder Regelungen im Arbeitsvertrag“, erklärt Rechtsanwalt Jürgen Kutzki. Die gesetzlich verankerte Meinungsfreiheit sei zu wahren. Auch die Treuepflicht im Öffentlichen Dienst ändere nichts daran. Trotzdem könnten politische Äußerungen in bestimmten Fällen zur Kündigung führen, so der Diplom- Verwaltungswirt online beim Führungskräfte Forum. Auch Meinungsfreiheit hat ihre Grenzen. Beleidigung, Verleumdung und Hetze gelten als Straftat und können eine Kündigung zur Folge haben.
Im Sylt-Fall ermittelt der Staatsschutz derzeit, ob der Straftatbestand der Volksverhetzung nach Paragraf 130 Strafgesetzbuch erfüllt sein könnte. Die Situation ist nicht eindeutig. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2010 besagt, dass bestimmte Begleitumstände vorliegen müssen, um einer Äußerung den „notwendigen volksverhetzenden Charakter zu verleihen“. Diese sind z. B. dann erfüllt, wenn die Äußerungen Hass schüren oder Gewalt oder Willkür gegen Teile der Bevölkerung fördern sollen. Das gilt es nun mit Blick auf die Vorkommnisse auf Sylt zu erörtern. Kommt der Staatsschutz zu dem Schluss, dass sich die Beteiligten einer Straftat schuldig gemacht haben, gilt dies als Verletzung der Treuepflicht und kann mit einer außerordentlichen Kündigung bestraft werden. Kutzki hält eine dahingehende Einschätzung der Situation jedoch für fraglich.
Loyalität ist Pflicht
Wenn Mitarbeitende der öffentlichen Verwaltung durch rechtsextremistische Äußerungen auffallen, an Treffen rechtsextremistischer Gruppen teilnehmen oder anderweitig mit der rechten Gesinnung in Verbindung gebracht werden, ist das besonders heikel. Für sie gilt eine gesteigerte Loyalitäts- bzw. Treuepflicht, die zur Treue gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung verpflichtet. Dementsprechend werden an sie besonders hohe Anforderungen gestellt. Fehlverhalten wird strenger defi niert und entsprechend geahndet. Fraglich ist, ob bereits eine rassistische Äußerung oder der Veranstaltungsbesuch allein als eine Verletzung der Treuepflicht zu bewerten sind. Bestehende Gerichtsurteile zu ähnlichen Fällen geben Anhaltspunkte, wie der Vorwurf eines Verstoßes gegen die Verfassungstreue im Sylt-Fall einzuschätzen ist.
Eine langjährige Mitarbeiterin der Stadt Köln nahm Ende des vergangenen Jahres am sogenannten Potsdamer Treffen teil, bei dem sich Rechtsextremisten versammelten. Die Mitarbeiterin war tariflich ordentlich nicht kündbar. Also entschied die Stadt, ihr mehrere außerordentliche Kündigungen auszusprechen. Die Begründung: Sie habe durch die Teilnahme am Treffen mit mutmaßlich rechtsextremen Teilnehmenden und aufgrund der dort diskutierten Remigrationspläne gegen ihre Loyalitätsplicht ihrem Arbeitgeber gegenüber verstoßen. Die Frau klagte gegen die Kündigung und bekam Recht. Laut Arbeitsgericht Köln war kein wichtiger Grund – wie die vorgeworfene Verletzung der Treuepflicht – vorhanden.
Zweierlei Maß
Dass das Gericht so entschieden hat, hängt auch mit der Tätigkeit der Mitarbeiterin zusammen. Die politische Treuepflicht gilt für alle Beschäftigten im Öffentlichen Dienst. Je nach Stellung und Aufgabenbereich werden allerdings unterschiedliche Maßstäbe für die Erfüllung dieser Pflicht angesetzt. Die sogenannten Kernfunktionsträger (Soldaten, Beamte und Richter) unterliegen einer besonderen politischen Treuepflicht – der positiven Treuepflicht. Für einfache Verwaltungsangestellte hingegen gilt eine einfache politische Treuepflicht, die lediglich darin besteht, dass die Verfassung nicht aktiv bekämpft werden darf.
Die Mitarbeiterin der Stadt Köln war als zentrale Ansprechpartnerin für das Beschwerdemanagement im Umwelt- und Verbraucherschutzamt tätig und galt damit als einfache Verwaltungsmitarbeiterin mit einfacher politischer Treuepflicht. Allein die Teilnahme am Treffen rechtfertige nicht den Schluss, dass sich die Klägerin in innerer Übereinstimmung mit dem Inhalt der Beiträge befunden habe, so das Fazit des Arbeitsgerichts. Daraus resultiert die Einschätzung, dass die 64-Jährige die Treuepflicht nicht verletzt hat. Überträgt man diese Folgerung auf den Sylt-Fall, scheint das Argument der Verfassungstreue auch hier nicht als aussagekräftig und zielführend, um eine Einschätzung zur Rechtskräftigkeit möglicher Kündigungen abzuleiten.
Das letzte Mittel
Ein weiteres Verhalten, das für Arbeitnehmende zur Kündigung führen kann, ist die Störung des Betriebs, wie sie in Paragraf 241 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelt ist. Die kann den Partygängern allerdings nicht vorgeworfen werden, denn der Vorfall fand außerhalb des Betriebs statt. „In der Freizeitgestaltung sind Arbeitnehmer frei. Es geht den Arbeitgeber nichts an, was ich privat mache“, so Kutzki. Die Ausnahme: ruf- oder geschäftsschädigendes Verhalten dem Arbeitgeber gegenüber. Und auch rassistische Beleidigungen gegenüber Kolleginnenund Kollegen können aus Sicht der Arbeitsgerichte und des Bundesverfassungsgerichts zu fristlosen Kündigungen führen.
Keiner der genannten Kündigungsgründe lässt sich eindeutig erkennen, die Lage bleibt unklar. Wie in den meisten anderen Fällen muss auch bei den Geschehnissen auf Sylt im Einzelfall entschieden werden, Pauschalisierungen helfen nicht weiter. So bleibt letztendlich nur die Einschätzung der Staatsanwaltschaft zum strafrechtlichen Verfahren abzuwarten.
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