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StartSicherheitNähere Betrachtung erforderlich

Nähere Betrachtung erforderlich

Die kürzlich veröffentlichte Studie „Diskriminierungsrisiken in der Polizeiarbeit“ der Polizeiakademie Niedersachsen erntete viel Aufsehen. Der Debattengrund – Rassismus in der Polizei – stellt jedoch die über 200-Seitige Studie nur sehr verkürzt dar. Kritik kommt unter anderem aus den Reihen der Polizeigewerkschaften.

Die Polizeistudie startete im Jahr 2021 im Kontext der breiten gesellschaftlichen Diskussion, die durch die Black Lives Matter (BLM)-Bewegung angestoßen wurde. Dabei sei die Frage nach rassistischer Diskriminierung erweitert und für die Beobachtung von Diskriminierungen auf der Basis anderer sozialer Merkmale geöffnet worden, heißt es in der Studie. Von 2021 bis 2022 untersuchten die Forschenden die Arbeitsabläufe von Einsatz- und Streifendienst, Kriminalpolizei und Bereitschaftspolizei in Niedersachsen. Hierfür waren sie auch vor Ort bei Einsätzen dabei. Ziel der Studie sei es, die strukturellen Rahmenbedingungen und „Risikokonstellationen“ zu identifizieren, die zu Diskriminierungen führen können.

Hierbei lege die Studie ihren Fokus auf die Verbindung zwischen der Funktionalität der polizeilichen Praxis und deren diskriminierender Wirkung. Laut den Studienautoren, Dr. Astrid Jacobsen und Dr. Jens Bergmann, Professoren an der Polizeiakademie Niedersachsen, ist es wichtig, einen wissenschaftlichen Ansatz zu verfolgen und Diskriminierung nicht rein moralisch zu bewerten. Sie stellten klar: „Nimmt man unsere Erkenntnisse ernst, ist es weder nötig noch möglich, DIE Polizei pauschal der Diskriminierung anzuklagen, noch sie davon pauschal freizusprechen.“ Vielmehr gehe es darum, wie polizeiliche Arbeitsprozesse funktional zur Aufrechterhaltung der Sicherheit beitragen, dabei aber unter bestimmten Bedingungen auch diskriminierende Effekte haben könnten.

Die Studie identifiziert zwölf zentrale Arbeitsprozesse, die als „diskriminierungsrelevant“ gelten, darunter die Verdachtsschöpfung bei der Nutzung von Polizeidatenbanken oder die Behandlung von sogenannten prekären Delikten. Diese Prozesse bergen das Risiko, dass bestimmte Personengruppen – Geschlecht, Herkunft oder Gesundheit – häufiger oder seltener in den Fokus polizeilicher Maßnahmen geraten. Von den zwölf Prozessen beziehen sich jedoch nur fünf explizit auf rassistische Diskriminierung. Die Forscher betonen, dass es in jedem Fall auf den Kontext und die spezifische Situation ankomme, ob es zu einer tatsächlichen Diskriminierung kommt.

Vom Kleinen ins Große


Trotz dieser differenzierten Darstellung fand sich die Polizei im öffentlichen Diskurs schnell unter Generalverdacht. Viele Medien griffen überwiegend den Rassismusaspekt auf und übertrugen diesen pauschal auf die gesamte Polizeiarbeit. Für die Polizeigewerkschaften, die die Studie teils begrüßten, teils kritisierten, wurde diese öffentliche Diskussion zu einem Brennpunkt.

Kevin Komolka, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Niedersachsen, betonte, die Studie liefere wichtige Erkenntnisse. Sie dürfe aber nicht zu blindem Aktionismus führen. „Die Polizei ist sich der bestehenden Risiken bewusst“, sagte Komolka. Dabei verwies er auf die intensiven Bemühungen innerhalb der Polizeiausbildung, interkulturelle Kompetenzen zu vermitteln. Insbesondere betonte er, dass die Polizei ständig daran arbeite, Diskriminierung zu vermeiden. Es könnten aber bestimmte Umstände zu einer „Anpassung des polizeilichen Vorgehens“ führen, die möglicherweise als Ungleichbehandlung wahrgenommen werde.

Komolka wies auch darauf hin, dass die Risiken für rassistische Diskriminierung nur einen kleinen Teil der Studie ausmachten. Er machte klar, dass die Studie keinen Beweis für systematische Diskriminierung in der Polizei liefere. „Den Schluss, dass aufgrund eines vorliegenden Risikofaktors zwangsläufig eine strukturelle Diskriminierung erfolgt, lässt die Studie auch aufgrund ihrer Methodik nicht zu“, so Komolka. Es sei wichtig, den Unterschied zwischen einer tatsächlichen Diskriminierung und einer möglicherweise gerechtfertigten polizeilichen Maßnahme zu erkennen.

Keine pauschale Verurteilung

Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) zeigte sich kritisch gegenüber dem medialen Umgang mit der Studie. Patrick Seegers, Landesvorsitzender der DPolG Niedersachsen, machte deutlich, dass Diskriminierungsvorwürfe ernst genommen werden müssen, diese aber vorrangig das System betreffen und nicht pauschal auf alle Polizeibeamten übertragen werden sollten. „Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass Polizistinnen und Polizisten tagtäglich diskriminierend handeln“, so Seegers. Solche Verallgemeinerungen seien nicht nur ungerecht, sondern sorgten für Unruhe und Frustration innerhalb der Polizeikräfte. Diese seien jedoch ohnehin einer enormen Belastung ausgesetzt.

Seegers kritisierte insbesondere die öffentliche Debatte, die mit Veröffentlichung der Studie entbrannt war. Der Fokus sei zu sehr auf negative Schlagzeilen und weniger auf die komplexen Erkenntnisse der Studie gelenkt worden. „Die Veröffentlichung der Studie sowie die begleitende Kommunikation wirken für uns wie ein politisches Manöver“, erklärte er. „Wir werden dies auch so äußern, da es die Herausforderungen, die wir tagtäglich erleben, in den Hintergrund rückt.“

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