„Es braucht einen Staat, der in Krisenzeiten Orientierung und Halt gibt“, erläutert Nancy Faeser. Die Bundesministerin des Innern und für Heimat fordert Investitionen in einen starken Öffentlichen Dienst, der sich das Vertrauen seiner Beschäftigten, aber auch der Bürgerinnen und Bürger verdiene.
„Der Öffentliche Dienst steht unter großem Druck, genau wie die Demokratie insgesamt“, betonte die Bundesministerin auf der 66. Jahrestagung des DBB Beamtenbunds und Tarifunion. Die Erwartungen an den Staat und seine Leistungsfähigkeit seien gestiegen, sie zu erfüllen, sei jedoch nicht leichter geworden.
In Anbetracht der Zeitenwende hat Faeser Verständnis dafür, dass ein Großteil der Bevölkerung den Staat mit der Fülle seiner Aufgaben für überfordert hält. Krieg, Terror, eine unfassbare Breite an Informationsquellen und wirtschaftliche Entwicklungen sorgten für Verunsicherung, erläuterte sie. Politik und Verwaltung dürften Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Sorge nicht allein lassen.
Das braucht der Staat
Angesichts von Desinformation, hybriden Bedrohungen und weiteren Herausforderungen, denen sich der Staat stellen müsse, hält Faeser Investitionen in einen zukunftsfähigen Staat für unabdingbar und sprach sich für eine Lockerung der Schuldenbremse aus. Auch in die Daseinsvorsorge müsse investiert werden. Ebenso in gute Bildung, Ausbildung und Fortbildung innerhalb der öffentlichen Verwaltung. Denn: Damit Deutschland gut für die Zukunft aufgestellt sei, brauche es einen starken Öffentlichen Dienst mit hervorragend qualifi zierten und engagierten Menschen.
Aber insbesondere hier fehlten Fachkräfte. Die Verwaltung konkurriere mit der freien Wirtschaft, bei Bezahlung und Aufstiegsmöglichkeiten herrschten allerdings nicht die gleichen Bedingungen. Dennoch: Der Öffentliche Dienst habe viel zu bieten. Zudem habe man in den vergangenen Jahren Wege geschaffen, um z. B. die Arbeit in Deutschland für Menschen aus anderen Ländern attraktiver zu gestalten und Menschen mit Berufserfahrung den Einstieg in den Öffentlichen Dienst zu erleichtern. „Doch die besten Instrumente nützen nichts, wenn sich nicht genutzt werden“, mahnte die Innenministerin eine stärkere Anwendung der Ansätze in der Praxis an.
Beschäftigte in Gefahr
Faeser verurteilte das erschreckende Ausmaß an Gewalt, das auch im vergangenen Jahr wieder nicht zuletzt Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes getroffen habe. „Wenn Einsatzkräfte an ihrer Arbeit gehindert und angepöbelt werden, ist das inakzeptabel.“ Was diese Menschen unter Einsatz ihres Lebens leisteten, sei herausragend. Angriffe auf Haupt- und Ehrenamtliche verdienten eine harte Antwort des Staates. Man habe eine Strafverschärfung auf den Weg gebracht, Gesetze allein reichten jedoch nicht aus, auf die stringente Anwendung komme es an. Die Innenministerin appellierte an die Justiz, die vorhandenen Mittel zu nutzen und diese schnell umzusetzen.
Gewalt betreffe aber nicht nur Polizei und Rettungskräfte, sondern die ganz normale Verwaltung. Erkenntnisse über Angriffe könnten dabei helfen, Strategien zur Prävention solcher Vorfälle zu entwickeln. Daher forderte Faeser Arbeitgeber auf, alle derartigen Vorkommnisse konsequent anzuzeigen. „Die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst sind das Gesicht des Staates und verdienen mehr Schutz.“
„Der Staat muss die Kolleginnen und Kollegen wirksam schützen“, forderte auch der stellvertretende DBB-Bundesvorsitzende Volker Geyer. Deswegen müsse er Vertrauen und Respekt vor den eigenen Institutionen und der Demokratie endlich wieder herstellen. Man könne über weitere Strafverschärfungen nachdenken, entscheidend seien aber eine konsequente Prävention und eine konsequente Verfolgung, betonte Geyer. Dafür brauche es aber das nötige Personal.
Immer neu ins Gespräch gehen
Hendrik Wüst, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, zeigte sich davon überzeugt, dass es in der Breite der Bevölkerung nicht an Respekt und Dankbarkeit gegenüber Einsatzkräften fehle. Doch der übrige, kleine Teil der Bevölkerung werde „immer bekloppter“. Krisen im Inneren wie von außen, Angriffe auf Einsatzkräfte sowie Terroranschläge sorgten für Verunsicherung im Sicherheitsgefühl und im Vertrauen zum Staat. Sicherheitsgefühl und Vertrauen zu stärken, sei daher eine wichtige Aufgabe dieser Zeit.
„Wir müssen Freiheit und Sicherheit gegeneinander abwägen“, bestätigte Wüst. Aber: „Wir müssen uns auch zumuten, immerwährende Debatten wieder zu führen – aber bitte in Ansehung einer neuen Lage“, betonte Wüst. Radikalisierung und Vernetzung beispielsweise funktionierten heute anders als bei den Anschlägen vom elften September. Das sei bekannt und Sicherheitsbehörden müssten in der Lage sein, im verfassungsrechtlichen Rahmen agieren zu können.
Stattdessen würden Debatten geführt wie vor Jahren, rechtliche und gesellschaftliche Veränderungen blieben dabei unbeachtet. Im Kontext Kindesmissbrauch habe das z. B. zur Folge, dass Fahnderinnen und Fahnder nicht die Möglichkeit bekämen, auf IP-Adressen von Tätern zuzugreifen. „Das ist Versagen von Politik, wenn man den rechtlichen und den technischenRahmen nicht nutzt, weil man glaubt, die Debatten führen zu können, wie man sie vor zehn oder 15 Jahren geführt hat“, mahnte der Ministerpräsident. „Es muss gelingen, diese Debatten zu führen und zu besseren Ergebnissen zu kommen. Tun wir das nicht, verlieren wir beides: Freiheit und Sicherheit.“