Rund 320.000 Einwegbecher für Heißgetränke werden laut Bundesumweltministerium in Deutschland pro Stunde verbraucht. Auch Einwegverpackungen für Speisen treiben in den Kommunen die Kosten der Abfallentsorgung in die Höhe. Tübingen reagiert 2022 mit der Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer: Für Einwegverpackungen gelten 50 Cent, für Einwegbesteck 20 Cent Aufschlag. Damit wolle die Stadt neben der Kostendeckung auch Anreize für das Angebot von Mehrwegverpackungen schaffen. Führt das nicht nur zu einer saubereren, sondern auch zu einer sichereren Stadt?
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Beschwerde gegen die in Tübingen eingeführte Verpackungssteuer zurückgewiesen. Die Steuer wird auf Einweggeschirr für Lebensmittel zum Mitnehmen erhoben. Die Beschwerde war von der Betreiberin einer ansässigen McDonald’s-Filiale eingereicht worden. Nachdem dieser in der Vorinstanz stattgegeben wurde, wies sie das Oberverwaltungsgericht in Leipzig ab. Nach der Entscheidung zog die Franchisenehmerin vor das Bundesverfassungsgericht, welches die Beschwerde nun endgültig abwies.
Spitzenverbände freuen sich
Der Deutsche Städtetag (DST), der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßen die Entscheidung. „Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur „Tübinger Verpackungssteuer“ ist aus kommunaler Sicht zu begrüßen. Das Gericht hat klargestellt, dass die Erhebung einer kommunalen Verpackungssteuer auf nicht wiederverwendbare Verpackungen und Einweggeschirr im Gastrobereich als örtliche Verbrauchssteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG rechtmäßig ist“, erklärte DStGB-Hauptgeschäftsführer Dr. André Berghegger. Damit würden im Ergebnis die kommunalen Handlungsspielräume im Kampf gegen die Vermüllung der Innenstädte und der Umwelt durch Einwegverpackungen sinnvoll gestärkt. Städte und Gemeinden gäben jährlich bis zu 700 Millionen Euro für die Sammlung und Reinigung öffentlicher Straßen, Wege und Plätze aus. Helmut Dedy, DST-Hauptgeschäftsführer, betonte: „Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts haben die Städte mehr Planungssicherheit. Wir rechnen damit, dass jetzt mehr Städte eine Verpackungssteuer lokal einführen werden.“ Er wirbt dafür, eine bundesweite Regelung für eine solche Steuer einzuführen.
Ob die Tübinger Verpackungssteuer Schule machen wird, ist derzeit noch ungewiss. So heißt es aus der Stadt Freiburg, dass man den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zunächst erst einmal prüfen und bewerten wolle – insbesondere die Argumentation sowie etwaige rechtlich zu berücksichtigende Voraussetzungen des Bundesverfassungsgerichts. Es sei aber geplant, bis zur Sommerpause eine Vorlage zur Verpackungssteuer in die politischen Gremien zu bringen.
Die Stadt Heidelberg bereitet die Einführung einer Verpackungssteuer vor. Das Ziel sei es, die Verpackungssteuer in diesem Jahr mit einem Satzungsbeschluss umzusetzen. Da die Stadt Heidelberg eine vergleichsweise junge Stadt sei, finde das Leben häufig – vor allem in den Sommermonaten – im Freien statt. Dies führe zu Vermülllung. Die Verpflichtung der Gastronomie, ein Mehrwegsystem für To-Go-Angebote einzuführen, wirke nur auf einen Teil der Littering-Abfälle. Im Heidelberger Stadtgebiet seien zudem flächendeckend ausreichend Abfallbehälter aufgestellt, dennoch müssten zentrale und belebte Plätze bei Bedarf teilweise mehrmals täglich gereinigt werden. Ergänzend dazu sehe die Bußgeldstelle Bußgelder für die Verschmutzung im öffentlichen Raum vor.
Neues Werkzeug, neue Probleme
Die Stadt Frankfurt am Main plant gegenwärtig keine Einführung einer solchen Steuer. Auch dort habe die Stadt mit erheblicher Vermüllung zu kämpfen. Im Rahmen der Streifengänge stelle die Stadtpolizei des Ordnungsamtes regelmäßig hohe Vermüllungslagen fest. Die meisten Beschwerden und Feststellungen beträfen das Thema „wilder Sperrmüll“. Kleinabfälle fallen vor allem an viel frequentierten Ort an. Doch sei eine Ahndung schwierig, da die Verursacher meistens nicht ausfindig gemacht werden könnten. Abhilfe habe eine vermehrte Aufstellung von Abfallbehältern geschaffen.
Eine Verpackungssteuer wäre aus Umwelt- und Klimaschutzsicht sicherlich sinnvoll, um Littering zu vermeiden, Einwegverpackungen zu reduzieren und Ressourcen zu schonen, so eine Sprecherin der Stadt. Als Begründung gibt die Stadt am Main an, dass es durch die Einwegkunststoffverbotsverordnung (EWKVerbotsV) und das Einwegkunststofffondsgesetz (EWKFondsG) bereits zwei Regelungen gebe, die eine ähnliche Zielrichtung verfolgten. Zwar könnte eine Steuer parallel laufen, doch eine lenkende Wirkung würde dann entstehen, wenn rechtlich vorgeschrieben würde, dass Produkte in Einwegverpackungen teurer zu verkaufen seien als solche in Mehrwegverpackungen. Eine solche Regelung müsse nach Einschätzung des Magistrats bundeseinheitlich über das Verpackungsgesetz geregelt werden. Zudem würde eine Einführung einen zusätzlichen erheblichen Verwaltungsaufwand darstellen.
Im Norden ist man ebenfalls skeptisch, ob eine Verpackungssteuer allein hilft. „Grundsätzlich kann eine solche Steuer Anreize schaffen, Verpackungsmüll zu reduzieren, was sich positiv auf das Stadtbild auswirken könnte“, heißt es aus dem Magistrat der Stadt Bremerhaven. Eine sauberere Umgebung könne wiederum das allgemeine Verhalten beeinflussen. Die Wirkung hänge jedoch von mehreren Faktoren ab, wie die Umsetzung der Steuer und den begleitenden Maßnahmen. Gezielte Kontrollen auf Littering gebe es von Seiten des Bürger- und Ordnungsamtes nicht. Diese fänden lediglich im Rahmen des normalen Streifendienstes statt, so ein Sprecher.
„Sauberkeit als Vorstufe für Sicherheit“
Neben einer sauberen Stadt erhofft man sich beim DST ein Mehr an Sicherheit. Nach einem Positionspapier betrachtet man „Sauberkeit als Vorstufe von Sicherheit“: Indem sich Städte für ein reines und freundliches Lebensumfeld der Bürgerinnen und Bürger einsetzten, wirkten sie zugleich der Entstehung kriminovalenter Faktoren entgegen. Der unmittelbare Zusammenhang zwischen Sauberkeit und Sicherheit sei ein wichtiges Element der kommunalen Sicherheitspolitik.
Hintergrund der Annahme bildet die sogenannte „Broken windows-Theorie“. Folgt man dieser Theorie, so stehen die Verwahrlosung des städtischen Umfelds und die Entstehung von Kriminalität in einem direkten Zusammenhang. Deshalb müsse man der Verwahrlosung möglichst frühzeitig Einhalt gebieten.





