Trotz Bau-Turbo und Mietpreisbremse: Der Wohnungsmarkt steht unter Druck. Auf der Suche nach Gegenmaßnahmen setzen viele Kommunen auf einen geförderten Wohnungstausch und bezahlen Mietenden Prämien. Eine sinnvolle Strategie gegen Wohnungsnot?
Zu viele Treppen und etliche Räume werden nicht mehr genutzt: Die seit Jahrzehnten genutzte Mietwohnung ist längst nicht mehr mit den Lebensgewohnheiten der Seniorinnen und Senioren kompatibel, die sie bewohnen. Die Kinder sind ausgezogen, der Ehepartner ist verstorben und die leerstehenden Räumlichkeiten in Schuss zu halten, wird immer schwieriger. Eigentlich wäre ein Umzug in eine kleinere Wohnung angebracht.
Auf der anderen Seite gibt es vor allem in Städten viele Familien mit Kindern, die händeringend nach einer komfortableren Bleibe suchen – der Platz fürs zweite Kinderzimmer fehlt oder sie wollen sich endlich den Traum von Haus und Garten verwirklichen. Allzu oft bleibt es allerdings bei dem hehren Wunsch, der Umzug in ein großräumigeres Domizil rückt in weite Ferne. Zu angespannt ist die Wohnungssituation und Neubauprojekte werden meist zu horrenden Preisen auf den Mietmarkt gespült. Wer neue vier Wände sucht, bleibt am Ende in den gewohnten vier Wänden wohnen.
Prämien für den Wohnungswechsel
Damit Familien mit Kindern trotzdem ausreichend großen Wohnraum finden, fördern viele Kommunen den freiwilligen Wohnungstausch: Die Oma in der 120-Quadratmeter-Wohnung tauscht mit der vierköpfigen Familie und verkleinert sich um die Hälfte ihrer Quadratmeterzahl – so die Idealvorstellung. In einigen Regionen haben kommunale wie landeseigene Wohnungsbaugesellschaften zu diesem Zweck Tauschportale eingerichtet, andere Städte bieten tauschwilligen Mietenden Prämien an.
So führte das Land Baden-Württemberg im Mai dieses Jahres das Programm „Wohnflächenbonus BW“ ein. Hier werden freiwillige Wohnungswechsel finanziell honoriert, damit große Wohnungen vor allem Familien zur Verfügung stehen. Kommunen, die den Tausch aktiv bewerben und erreichen, dass Mietende sich durch einen Wohnungswechsel um mindestens 15 Quadratmeter verkleinern, erhalten im Rahmen des Programms eine Grundprämie von 3.000 Euro. Wird die Wohnfläche noch weiter reduziert, erhöht sich die Prämie auf bis zu 7.500 Euro pro Wohnungswechsel. Allerdings ist das Förderprogramm erst seit Kurzem in Kraft, belastbare Zahlen zur Inanspruchnahme kann das Landesbauministerium Baden-Württemberg deshalb noch nicht vorlegen, heißt es auf Anfrage.
Förderprogramm ist kein Allheilmittel
Sebastian Ritter, zuständiger Dezernent des Städtetags Baden-Württemberg, hält den Wohnflächenbonus für „hilfreich“, mit Einschränkung. Als Teil eines breit abgelegten Förderprogramms könne er dem Wohnraumdruck entgegenwirken, doch Ritter sagt auch: „Das Förderprogramm ist kein Allheilmittel und wird keine Trendwende auf dem Wohnungsmarkt schaffen. Wir rechnen auch nicht damit, dass das Förderprogramm von allen Städten in Anspruch genommen wird.“
Problematisch findet Ritter, dass die Landesmittel nicht direkt an die tauschenden Mieterinnen und Mieter überwiesen werden. „Das Haushaltsrecht des Landes verlangt, dass Städte ein eigenes Förderprogramm auflegen, das dann mit den Mitteln des Landes gespeist wird“, erklärt der Dezernent. Für diese unnötige Bürokratie müsse eine Lösung gefunden werden.
In Berlin richteten die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften 2018 ein Portal für den Wohnungstausch ein. Seitdem haben sich dort 32.500 Mieterinnen und Mieter registriert, 5.000 von ihnen sind derzeit aktiv. 431.000 Wohnungstauschverfahren wurden in den vergangenen sieben Jahren angefragt – doch nur eine verschwindend geringe Zahl von 1.600 neuen Mietverträgen ist in dieser Zeit unterzeichnet worden. Dr. David Eberhard, Sprecher des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), erklärt dazu: „Im Schnitt kommen fünf Bietende auf ein Angebot.“ Bei vielen Mietenden sei der wirtschaftliche Druck nicht groß. „Sie schauen sehr genau, ob es passt.“
Deshalb würde ein Großteil der in die Wege geleiteten Tauschverfahren auch nicht bis zum Ende durchgeführt. Hinzu kommt: Die in Frage kommenden großen Tauschwohnungen sind häufig seit 20 oder 25 Jahren bewohnt und wurden in dieser Zeit nicht renoviert. „Ziehen Senioren hier aus, dann wechseln sie meist ins Heim, aber nicht in eine kleinere Wohnung“, sagt Eberhard.
Finanzielle Anreize in Lörrach, Freiburg und Mannheim
Trotzdem setzen vor allem im Südwesten Deutschlands viele Kommunen auf das Konzept Tausch. Sie versuchen mit Prämien, Bürgerinnen und Bürger zum Umzug zu bewegen und den vorhandenen Wohnraum effizienter zu verteilen. In Lörrach wird beispielsweise seit 1990 der Umzug in eine kleinere Behausung finanziell bezuschusst. Zu Beginn des Programms waren es 30 Prämien, die pro Jahr ausgezahlt wurden, zuletzt maximal fünf.
In Freiburg erhalten Parteien, die über die städtische Wohnungstauschbörse ihre Wohnungen wechseln, eine Umzugskostenpauschale von 2.000 Euro. Die Stadt Mannheim bietet seit diesem Jahr eine Wohnungstauschprämie von bis zu 5.000 Euro für den Umzug in eine kleinere Wohnung an.
Wohnungstausche unter Freunden
Prof. Dr. Harald Simons, Professor für Volkswirtschaftslehre, Hochschule für Technik, Wirtschaft, Kultur Leipzig (HTWK), hat den Erfolg der kommunal geförderten Tauschprojekte in einer Studie im Auftrag des Bundesbauministeriums untersuchen lassen. Für die Erhebung wurden kommunal geförderte Wohnungstauschprojekte in den fünf Städten bzw. Regionen Berlin, Potsdam, Frankfurt a.M., München und Nordrhein-Westfalen unter die Lupe genommen. Das erschütternde Ergebnis: In drei Städten gab es im untersuchten Zeitraum 2018 bis 2022 noch nicht einmal zweistellige Tauschergebnisse.
Die Hauptstadt Berlin agierte im Vergleich noch am erfolgreichsten: Von den insgesamt 350.000 Wohnungen, die die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften verwalten, wurden in dem Zeitraum 267 getauscht – eine verschwindend kleine Zahl, aber die höchste innerhalb der Untersuchung. Den klassischen Fall – die Seniorin überlässt ihre 100-Quadratmeter-Wohnung einer vierköpfigen Familie – habe es aber kaum gegeben, sagt Simons. In den meisten Fällen hätten Freunde untereinander die vier Wände getauscht.
Reine Kopfgeburt
„Wir waren zu Beginn optimistischer, als uns das Ergebnis am Ende gezeigt hat“, sagt Simons. Das Konzept des kommunal geförderten Wohnungstauschs bezeichnet er als Kopfgeburt. Denn auch finanzielle Anreize blieben ohne nennenswerten Effekt. So ermöglichte beispielsweise die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) in Nordrhein-Westfalen ihren Mietenden, bei einem Tausch ihre bisherige Miete „mitzunehmen“. Die Stadt Frankfurt bezuschusste den Umzug und vergab Renovierungsprämien – alles ohne Erfolg.
Viele Menschen wollten eben große Wohnungen und kaum jemand eine kleine, führt der VWL-Professor aus. „Senioren sparen vielleicht 200 Euro, wenn sie ihre große Wohnung tauschen. Dafür tut sich niemand den Umzugsstress an“, sagt Simons. Zudem müssten bei einem Tausch beide Parteien am selben Tag umziehen, faktisch werde also eine dritte Wohnung benötigt.
Solange sich die Politik darauf konzentriere, die Bestandsmieten nicht weiter steigen zu lassen, sagt Simons, werde das Problem größer. „Die Neuvertragsmieten gehen immer weiter hoch, weil keiner seine Wohnung aufgibt. Ein alter Mietvertrag ist ein Wertpapier und ein Wertpapier zerreißt man nicht.“ Doch wenn keiner mehr eine Wohnung aufgibt, könne man so viel bauen, wie man wolle – es werde nie reichen.




