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StartRechtDie Mitwirkungsobliegenheit gilt auch bei Lehrkräften

Die Mitwirkungsobliegenheit gilt auch bei Lehrkräften

Die urlaubsrechtlichen Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers und ein etwaiger Verfall von Urlaubsansprüchen bei unterlassener Mitwirkung eben dieser ist ein „Evergreen“ des Arbeitsrechts.

Das Arbeitsgericht Berlin stellt in nachstehender Entscheidung (ArbG Berlin, Urteil vom 1. April 2025 – 22 Ca 10693/24) klar, dass auch für den öffentlichen Arbeitgeber diese Mitwirkungsobliegenheiten gelten und zwar auch dann, wenn Lehrkräfte betroffen sind, bei denen tarifvertraglich geregelt ist, dass sie ihren Urlaub in den Schulferien nehmen müssen.

Der Sachverhalt

Der Kläger war bei dem beklagten Land seit dem 1. Februar 2020 als Lehrkraft beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) anwendbar. Der Kläger erhielt zuletzt ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von EUR 6.011,53. Im Jahr 2023 nahm der Kläger im Januar und Februar insgesamt sechs Urlaubstage in Anspruch, erkrankte dann aber ab dem 3. März 2023 so schwer, dass er dauerhaft bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. Juni 2024 arbeitsunfähig war. Mit Schreiben vom 6. August 2024 teilte das beklagte Land dem Kläger mit, dass ihm für das Jahr 2023 ein Resturlaubsanspruch in Höhe von 14 Tagen zuzüglich fünf Tage Zusatzurlaub aufgrund seiner Schwerbehinderung und für das Jahr 2024 ein Mindesturlaubsanspruch von 15 Tagen zuzüglich drei Tage Zusatzurlaub zustünden. Insgesamt zahlte das Land also Urlaubsabgeltung für 37 Tage Urlaub. Hiermit war der Kläger jedoch nicht einverstanden und machte einen Zahlungsanspruch gegenüber dem Land in Höhe von EUR 2.774,55 brutto, was einer Urlaubsabgeltung für zusätzliche zehn Urlaubstage entsprach, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung, geltend.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin

Das Arbeitsgericht Berlin sah die Klage als zulässig, jedoch unbegründet an. Das Arbeitsgericht Berlin stellte zunächst fest, dass der geltend gemachte Anspruch nur aus der Anspruchsgrundlage des Paragraf 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) resultieren könne.

Paragraf 7 Abs. 4 BurlG: „Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.“

Der konkrete Umfang des Urlaubsanspruchs ergebe sich hingegen aus den Regelungen des TV-L, der kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finde.

Nach Paragraf 26 Abs. 1 Satz 2 TV-L beträgt der Urlaubsanspruch, ausgehend von einer 5-Tage-Woche, 30 Arbeitstage im Kalenderjahr. Dieser muss gemäß Paragraf 26 Abs. 1 Satz 6 TV-L im laufenden Kalenderjahr gewährt werden. Im Falle der Übertragung des Urlaubsanspruchs in das nächste Jahr muss der Urlaub bis zum 31. März in Anspruch genommen werden und nur wenn dies aufgrund von Arbeitsunfähigkeit oder betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht möglich ist, ist er gemäß Paragraf 26 Abs. 2 a) Satz 2 TV-L bis zum 31. Mai in Anspruch zu nehmen.

Das Arbeitsgericht machte deutlich, dass es unstreitig sei, dass der Kläger im Jahr 2023 insgesamt sechs Urlaubstage in Anspruch genommen habe und damit die verbleibenden 14 Urlaubstage durch das beklagte Land, wie geschehen, abzugelten waren. Hinsichtlich dieser 14 Urlaubstage, verwies das Arbeitsgericht auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 31. Januar 2023 (BAG, Urteil vom 31. März 2023 – 9 AZR 107/20), in der dieses entschieden hatte, dass der gesetzliche Mindesturlaub bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit nicht vor Ablauf von 15 Monaten nach Ende des Kalenderjahres verfallen würde.

Dies gelte jedoch nicht für den tariflichen Mehrurlaub von insgesamt 10 Tagen für das Jahr 2023. Ungeachtet dessen, dass das beklagte Land hier seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen sei, nahm das Arbeitsgericht an, dass dieser mit Ablauf des Übertragungszeitraums (31. Mai 2024) verfallen sei.

Grundsätzlich führe das Unterbleiben einer Mitwirkungsobliegenheit nach der Rechtsprechung des BAG dazu, dass der Urlaubsanspruch am Ende eines Kalenderjahres nicht erlösche, da der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor nicht in die Lage versetzt habe, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Dies gelte auch für den tariflichen Mehrurlaub, solange die Tarifvertragsparteien diesen nicht abweichend von den gesetzlichen Vorgaben geregelt haben, was jedoch im Falle des Paragraf 26 TV-L nicht der Fall gewesen ist.

An dem Bestehen der Mitwirkungsobliegenheit ändere auch der Einwand nichts, dass es sich bei dem Kläger um eine Lehrkraft handelte und für diese in Paragraf 44 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 iVm Nr. 1 Satz 1 TV-L geregelt ist, dass deren Urlaub in den Schulferien zu nehmen ist. Dies entbinde den öffentlichen Arbeitgeber jedoch nicht davon, dass auch die Lehrkraft in die Lage versetzt werden muss, ihren Urlaub tatsächlich zu nehmen. Begründet wird dies damit, dass die Schulferien keine arbeitsfreie Zeit seien und die Lehrkräfte auch währenddessen grundsätzlich zur Erledigung aller arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten verpflichtet bleiben. Insofern sei mit der Festlegung der Schulferien keine konkrete Urlaubsgewährung verbunden. 

Das habe zur Folge, dass sich für den öffentlichen Arbeitgeber durch die tarifvertragliche Vorgabe für Lehrkräfte, ihren Urlaub in den Schulferien zu nehmen, keine Erleichterung im Hinblick auf ihre Mitwirkungsobliegenheiten ergibt. Auch der öffentliche Arbeitgeber müsse daher die jeweilige arbeitnehmende Person konkret und transparent in die Lage versetzen, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen. Er sei verpflichtet ihn dazu aufzufordern, seinen Urlaub zu nehmen und ihm klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub verfalle, wenn er ihn nicht nehme (BAG, Urteil vom 19. Februar 2019 – 9 AZR 423/16). Da Paragraf 44 Nr. 3 TV-L insbesondere keinen Hinweis auf einen möglichen Urlaubsverfall enthalte, könne er die Anforderungen einer Mitwirkungsobliegenheit nicht erfüllen.

Das Arbeitsgericht hebt hervor, dass eine Mitwirkungsobliegenheit bei Lehrkräften auch nicht per se überflüssig sei. So könne eine Erfüllung des Urlaubsanspruchs innerhalb der Schulferien etwa an einer währenddessen bestehenden Erkrankung der Lehrkraft scheitern, da die Regelung des Paragraf 9 BUrlG gelte. Diese bestimmt, dass die Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden können. Konsequenterweise hätte dies zur Folge, dass einer Lehrkraft, die während der Schulferien arbeitsunfähig erkrankt, außerhalb der Ferien Urlaub gewährt werden müsste, insbesondere wenn eine Inanspruchnahme innerhalb der Schulferien bis zum Ende des Übertragungszeitraums nicht mehr möglich ist.

Auch wenn im vorliegenden Fall die Mitwirkungsobliegenheiten seitens des beklagten Landes nicht erfüllt worden sind, habe dies de facto auf den Urlaubsverfall keine Auswirkungen. Denn in den Fällen, in denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, selbst bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Mitwirkungshandlungen, seinen Urlaub aus gesundheitlichen Gründen nicht hätte antreten können, fehle es an einem notwendigen Kausalzusammenhang zwischen unterbliebener Mitwirkungshandlung und Nichtinanspruchnahme weiteren Urlaubs. Denn der Kläger hätte selbst bei ordnungsgemäß erfolgter Hinweisobliegenheit seinen Urlaub vor Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit ab dem 3. März 2023 nicht nehmen können, da es während der Zeit zwischen der Urlaubsinanspruchnahme im Februar 2023 bis zu seiner Arbeitsunfähigkeit ab dem 3. März 2023 keine Schulferien mehr gab, in der er Urlaub hätte in Anspruch nehmen können.

Darüber hinaus weist das Arbeitsgericht Berlin nochmal darauf hin, dass der tarifliche Mehrurlaub mit Ende des Übertragungszeitraums nach Paragraf 26 Abs. 2 a) TV-L verfällt, auch wenn die arbeitnehmende Person aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit daran gehindert war, diesen in Anspruch zu nehmen. Der längere Verfallszeitraum von 15 Monaten nach Ablauf des Urlaubsjahres gelte nicht, so dass auch bei Arbeitsunfähigkeit der Verfallszeitraum bis zum 31. Mai zur Anwendung komme.

Einordnung

Die vorstehende Entscheidung stellt einige wichtige Aspekte im Zusammenhang mit der Mitwirkungsobliegenheit bei der Inanspruchnahme von Urlaub und dem Urlaubsverfall klar. Zunächst ist festzuhalten, dass auch gegenüber Lehrkräften die arbeitgeberseitige Mitwirkungsobliegenheit gilt, unabhängig davon, ob tarifvertraglich geregelt ist, dass diese ihren Urlaub innerhalb der Schulferien nehmen müssen. Dies ist darin begründet, dass auch Lehrkräften außerhalb der Ferien Urlaub gewährt werden müsste, wenn diese aufgrund von Arbeitsunfähigkeit nicht in der Lage gewesen sind, ihren Urlaub zu nehmen.

Dennoch kommen die negativen Auswirkungen der Verletzung der Hinweisobliegenheit nur dann zum Tragen, wenn ein Kausalzusammenhang zwischen dieser und dem Urlaubsverfall besteht. Dies ist allerdings immer dann nicht der Fall, wenn Arbeitnehmer auch bei Vorliegen eines ordnungsgemäßen Hinweises des Arbeitgebers ihren Urlaub nicht hätten nehmen können, etwa da sie bis zum Ende des Übertragungszeitraums langzeiterkrankt waren.

Der Autor dieses Gastbeitrages ist Dr. Björn Braun von der Küttner Rechtsanwälte Partnergesellschaft

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