Es war durchaus ein Aufreger, als in der Sommerpause bekannt wurde, dass durch einen Softwarefehler knapp 20 Jahre lang 1.440 Lehrerstellen in Baden-Württemberg nicht besetzt wurden. In der Landesregierung reagierte man schnell mit Bemühungen, die Stellen zu besetzen und die Fehler aufzuarbeiten. Doch liefern die neuen Stellen tatsächlich eine Entlastung für das Schulwesen in Baden-Württemberg oder sind die „frei“ gewordenen Lehrerstellen nur eine Lehre?
Lehrkräftemangel ist in vielen Teilen Deutschlands ein weit verbreitetes Problem, auch in Baden- Württemberg verschärft sich die Situation in einigen Punkten bereits seit mehreren Jahren. Umso wichtiger ist die schnelle Reaktion der Landesregierung auf die 1.440 nicht ausgeschriebenen Lehramtsstellen. Gleichzeitig hat Kultusministerin Theresa Schopper (Bündnis 90/ Die Grünen) auch eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, welche die Ursachen für die falsch ausgewiesenen Stellen im Personalverwaltungssystem erarbeiten soll. Die Gruppe soll konkret drei Themenkomplexe untersuchen und ihren Ergebnisbericht noch vor Weihnachten 2025 vorlegen.
Drei Schulformen gewinnen
Den Forderungen von Eltern, Lehrkräften und ihren Gewerkschaften entsprechend wurden die gefundenen Stellen zügig mit einer verlängerten Frist ausgeschrieben. Dabei sollen vor allem die Lücken in Lehrplänen verkleinert werden, um den Schülern wieder eine bessere Unterrichtsversorgung zu bieten. Die meisten Stellen wurden dabei mit 485 Stellen den sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren zugeteilt. Grundschulen und Gymnasien erhielten mit jeweils 350 Stellen ebenfalls einen beachtlichen Anteil. Allerdings werden von den Stellen für Gymnasien 300 Lehrkräfte befristet an andere Schularten abgeordnet. Dieses Kontingent ist eine Vorsorge für die Mehrbedarfe infolge der Umstellung auf G9. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert jedoch, das der Zusatzbedarf an Lehrkräften aus G9 nicht aus den ‚verschwundenen Stellen‘ gedeckt wird, sondern dass diese aus einem eigenen Topf gewonnen werden, wie die Landesregierung es zugesagt hatte.
Noch viele offene Stellen
Insgesamt galt es, in diesem Jahr 6.100 Stellen zu besetzen, von denen im September bereits 4.900 vergeben waren, das sind etwa 500 Stellen mehr, als im letzten Jahr besetzt werden konnten. Schopper sagte dazu: „Wir gehen gut gerüstet in das neue Schuljahr.“ Dennoch bleiben 1.159 offene Stellen, deutlich mehr als noch im Vorjahr: Hier waren es gerade einmal 250 Stellen. Mit dem verlängerten Einstellungszeitraum bis zum 31. Oktober kann sich hier aber noch einiges tun. Monika Stein, Landesvorsitzende GEW Baden-Württemberg, erklärte auf Rückfrage, dass es besser sei, die Stellen im laufenden Schuljahr nachzubesetzen als gar nicht. Sie ergänzte: „Für eine gute Unterrichtsversorgung müssten alle Stellen besetzt werden. Leider wird dies bei den SBBZ und manchen Schulen in Mangelregionen erneut nicht gelingen und die Lehrkräfte müssen jonglieren, um jeden Tag dafür zu sorgen, dass Unterricht stattfinden kann.“
Die meisten, der noch nicht vergeben, Stellen finden sich gerade in dem Bereich, der die meiste Unterstützung nötig hätte: bei den sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren, sodass die Lage hier trotz der vielen bereitgestellten Stellen weiterhin angespannt bleibt. Nach Aussage des Kulturministeriums gibt es jedoch nur noch wenige Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen für diese offenen Positionen, weil der stetige Zuwachs an Stellen in diesem Bereich dazu geführt habe, dass sich die Bewerberinnen du Bewerber ihre Wunschregionen bei der Jobsuche auswählen konnten. Dadurch kommt es gerade im ländlichen Raum häufig zu einem Mangel an Fachpersonal, sodass in diesen Regionen erneut geeignete Personen ohne Lehramtsqualifikation befristet beschäftigt werden müssen.Nicht nur bei den sonderpädagogischen Einrichtungen ist schwierig, Lehrkräfte zu gewinnen. Auch abseits des Rheins ist der ländliche Raum häufig schlechter versorgt. „[…] aber auch in der Landeshauptstadt Stuttgart können nicht alle freien Stellen besetzt werden. Ein Grund dafür sind unter anderem die hohen Mieten in der Stadt“, erklärt Stein.
Für eine faire Bildung der Zukunft
Es bleiben also nach wie vor einige Probleme zu lösen, auch wenn es besonders im Bereich der Grundschulen schon deutliche Fortschritte bei der Lehrerausstattung gibt. Es bleibt abzuwarten, ob sich noch mehr Bewerber für die verbliebenen freien Stellen finden lassen oder diese weiter verwaist bleiben. Die GEW macht jedenfalls klar, dass es mit einer Ausschreibung der Lehrerstellen nicht getan ist. Stein konstatiert: „Wir erwarten bis Weihnachten ein transparentes Konzept, wie alle eingesparten Gelder für die verschwundenen Stellen für Lehrkräfte den Schulen zurückgegeben werden.“ Kurzum: Gemeinsam mit der Aufarbeitung des Fehlers soll auch bekannt gegeben werden, wie die in den letzten 20 Jahren eingesparten Gelder in das Schulwesen investiert werden können.
Mit Blick auf die anstehenden Wahlen im Jahr 2026 möchte die GEW sich zudem dafür einsetzen, die Bedingungen im Bildungssystem des Landes weiter zu verbessern. Daher hat die Gewerkschaft zehn Forderungen an die nächste Bundesregierung. Dazu gehört auch eine langfristige Lehrkräftebedarfsplanung. Hier ist vor allem die Schaffung neuer Studienplätze relevant. Denn die Ausweitung der Studienplätze z. B. in Freiburg macht noch einmal deutlich, dass mehrere Jahre vergehen, bis diese Bemühungen Früchte tragen. Schopper zeigte sich aufgrund der geschaffenen Plätze optimistisch: „Die Erhöhung der Studienplatzkapazitäten macht sich hier bemerkbar, sodass wir in weiten Teilen eine gute Abdeckung sicherstellen können.“