Die Bundesregierung bringt eine Novelle des Eisenbahngesetzes auf den Weg: Ungenutzte Bahnflächen sollen in Zukunft leichter für den Wohnungsbau und die Quartiersentwicklung freigegeben werden. Der Beschluss geht den Kommunen nicht weit genug.
Mehr Raum für den Bau von Fahrradparkhäusern, Seniorenwohnheimen und Wohnungen: Damit solche Vorhaben für Kommunen künftig zu realisieren sind, beschlossen Bundesrat und Bundestag im Juli eine Änderung des geltenden Eisenbahngesetzes und machten damit eine Gesetzesänderung der Vorgängerregierung wieder außer Kraft. So hatte die Ampel zuletzt beschlossen, ungenutzte Bahnflächen nicht mehr für den Wohnungsbau umzuwidmen, sondern sie stattdessen für einen eventuellen späteren Ausbau des Bahnverkehrs zu reservieren.
Mehr als 170 blockierte kommunale Projekte
Der verkehrspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Björn Simon, erklärte dazu: „Mit unserem Gesetzesentwurf schaffen wir eine dringend benötigte Erleichterung für Städte und Gemeinden.“ So habe die bisher geltende Regelung bundesweit mehr als 170 kommunale Projekte für Wohnungsbau und Quartiersentwicklung blockiert. Auf Anfrage des Behörden Spiegel schränkte Simon zwar ein: „Der Schienenverkehr ist und bleibt ein wichtiger Schlüssel für nachhaltige und zukunftsfähige Mobilität in Deutschland. Viele Bahnflächen, die heute nicht mehr benötigt würden, können in Zukunft wieder eine wichtige Rolle spielen.“ Doch gleichzeitig müsse auch mehr gebaut werden, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Mit der nun beschlossenen Anpassung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes gebe es einen klaren rechtlichen Rahmen, der dafür sorge, dass „eine Entwidmung nur dann erfolgt, wenn sie wirklich keine negativen Auswirkungen auf die Entwicklung der Schieneninfrastruktur hat“.
Auch die kommunalen Spitzenverbände beurteilen die Gesetzesänderung, die die Ampelregierung 2023 auf den Weg brachte, als Hemmschuh für die Stadtentwicklung und begrüßen die nun erfolgte Lockerung der Regelung. Allerdings gibt es aus ihren Reihen auch Kritik.
So hatte die Ampel vor zwei Jahren beschlossen, dass grundsätzlich für den Bahnbetriebszweck eines Grundstücks „ein überragendes öffentliches Interesse“ gelte, das nur durch ein gesetzlich festgelegtes „überragendes öffentliches Interesse“ überboten werden kann. Neu ist nun, dass stillgelegte Bahngrundstücke auch ohne ein „überragendes öffentliches Interesse“ zur Bebauung umgewidmet werden können – vorausgesetzt, es liegt „kein Verkehrsbedürfnis“ vor und ein „langfristiger Nutzungsbedarf“ ist nicht absehbar.
Gesetz definiert weiter nur enge Ausnahmen
Die kommunalen Spitzenverbände halten diese Sonderregelung jedoch nicht für erforderlich. Christian Schuchardt, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, erklärt dazu: „Die für die Städte problematische Änderung des Gesetzes aus dem Jahr 2023 wird auch mit dem neuen Gesetzentwurf nicht komplett korrigiert. Das Gesetz definiert weiterhin nur enge Ausnahmen für eine Freistellung der Flächen für städtische Bauprojekte.“ Auch fordere der neue Gesetzentwurf, dass eine Freigabe der Flächen eine mögliche Wiederinbetriebnahme nicht verhindern darf. „Wie das zukünftig ausgelegt wird, ist unklar“, so Schuchardt weiter. Das Gesetz sorge für neue Unsicherheiten. Wünschenswert sei aber eine Gesetzesänderung gewesen, die „allen Beteiligten wieder Rechts- und Planungssicherheit gibt“.
Zustimmung für die neue Regelung kommt auch vom Bundesverband Deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW). Sprecher Andreas Schichel weist jedoch darauf hin: „Es besteht auch immer die Gefahr, dass freigewordene Flächen später wieder für die Bahnnutzung benötigt werden. Die Verantwortlichen für die Stadtentwicklung in Berlin sagen voraus, dass sich Berlin ‚sonnenförmig‘ entlang der Bahnachsen nach Brandenburg hinein entwickeln wird.“