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StartRechtSchadensersatz wegen nicht Einstellung

Schadensersatz wegen nicht Einstellung

Das Bewerbungsverfahren eines Volljuristen endete vor dem Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 5. Juni 2025 – 8 AZR 117/24). Zentrale Streitfrage war, ob dem abgelehnten Bewerber wegen der unterbliebenen Einstellung ein Schadensersatzanspruch nach Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Paragraf 280 Abs. 1 oder Paragraf 823 Abs. 2 BGB zusteht. Zudem befasste sich das Gericht mit der Bemessung immateriellen Schadensersatzes nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO.

Der Kläger bewarb sich auf eine befristete Stelle als Volljurist an einer Universität, der späteren Beklagten. Es wurden Vorstellungsgespräche mit verschiedenen Bewerbenden, darunter auch dem Kläger, geführt. Im Rahmen des Auswahlverfahrens suchte die Beklagte im Internet nach weiteren Informationen über den Kläger und stieß dabei auf einen Wikipedia-Eintrag über diesen, in dem ein gegen ihn ergangenes Strafurteil erwähnt wurde. Das Landgericht München I hatte den Kläger – unter Strafaussetzung zur Bewährung – wegen dreifachen Betrugs sowie neunfachen versuchten Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Dem Kläger wurde vorgeworfen, fingierte Bewerbungen eingereicht zu haben, um nachfolgend Entschädigungen wegen Diskriminierung gemäß dem AGG geltend zu machen.

Der Kläger hatte gegen das Urteil Revision beim BGH eingelegt. Zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung war über die Revision noch nicht entschieden worden. Die Beklagte hielt den Kläger wegen der strafrechtlichen Verurteilung für persönlich ungeeignet und entschied sich deshalb für eine andere Bewerberin. Mit Beschluss vom 4. Mai 2022 hob der BGH das strafrechtliche Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts zurück.

Im arbeitsgerichtlichen Verfahren wollte der Kläger festgestellt wissen, dass die Beklagte verpflichtet sei, einen ihm durch die Nichteinstellung entstandenen materiellen Schaden zu ersetzen. Er berief sich auf eine Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs aus Art. 33 Abs. 2 GG und führte an, der bestgeeignete Bewerber gewesen zu sein.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf wies die Klage ab (Urteil vom 26. September 2023 – 13 Ca 5229/22). Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 10. April 2024 – 12 Sa 1007/23) sprach dem Kläger eine Entschädigung i. H. v. 1.000 EUR nebst Zinsen gem. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zu, wies die Berufung im Übrigen jedoch zurück. Im Termin vor dem BAG am 27. März 2025 erschien der Kläger nicht, weshalb sein Revisionsantrag durch Versäumnisurteil zurückgewiesen wurde. Der hiergegen eingelegte Einspruch des Klägers blieb erfolglos.

Nicht der Bestgeeignetste

Das BAG lehnt einen Anspruch des Klägers auf materiellen Schadensersatz wegen der unterbliebenen Einstellung ab: 

Art. 33 Abs. 2 GG garantiert deutschen Staatsangehörigen den Zugang zu öffentlichen Ämtern nach Maßgabe ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung (Grundsatz der Bestenauslese). Wird dieser Maßstab im Auswahlverfahren nicht beachtet und erhält ein objektiv weniger geeigneter Bewerber bzw. Bewerberin den Vorzug, stellt dies regelmäßig eine rechtsfehlerhafte Auswahlentscheidung dar. In der Folge kann dem übergangenen Bewerber bzw. der übergangenen Bewerberin – der/die tatsächlich am besten geeignet war – ein Schadensersatzanspruch gem. Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Paragraf 280 Abs. 1 oder Paragraf 823 Abs. 2 BGB zustehen, wobei Art. 33 Abs. 2 GG ein Schutzgesetz im Sinne des Deliktsrechts darstellt.

Art. 33 Abs. 2 GG:
„Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.“

Die Voraussetzungen für einen solchen Schadensersatzanspruch sah das BAG vorliegend als nicht erfüllt an: Der Kläger habe nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass er im Bewerbungsverfahren der Bestgeeignetste gewesen sei. Das LAG Düsseldorf habe zudem zutreffend festgestellt, dass aufgrund der ergangenen strafrechtlichen Verurteilung des Klägers berechtigte Zweifel an seiner Eignung bestanden haben. Die ausgeschriebene Stelle habe Tätigkeiten wie das Führen von Rechtsstreitigkeiten, die Vertretung der Beklagten vor Gericht sowie die Mitwirkung in einer Beschwerdestelle gemäß Paragraf 13 AGG umfasst. Dabei handele es sich um Aufgaben, die eine besondere Integrität voraussetzten. Diese sah das Gericht aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung des Klägers als nicht gegeben an. Dass die Verurteilung bereits mehrere Jahre zurücklag, sei unerheblich. Das strafwürdige Verhalten sei nicht nur als einmaliger Vorfall zu werten. Zudem könne im Rahmen der anzustellenden Eignungsprognose eines Bewerbers auch der bloße Verdacht strafbaren Verhaltens berücksichtigt werden.

Die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK stehe dem nicht entgegen, da diese unmittelbar nur den Richter binde, der über die Begründetheit der Anklage zu entscheiden habe. Sie stehe der Berücksichtigung des Verdachts eines strafbaren Verhaltens im Rahmen einer prognostischen Eignungsbeurteilung durch einen Arbeitgeber nicht entgegen.

Kein Kausalzusammenhang

Ein Anspruch des Klägers auf Ersatz des materiellen Schadens, der ihm durch die Nichteinstellung entstanden sei, ergebe sich auch nicht aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Auch wenn Verstöße gegen Art. 6, 10, 14 DSGVO gegeben seien, sei ein Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO dennoch abzulehnen. Es fehle insoweit an der Darlegung eines hinreichenden Kausalzusammenhangs zwischen den Verstößen und dem geltend gemachten Schaden. Die Nichteinstellung sei auf objektiv begründete Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers zurückzuführen, sodass die Verstöße gegen die DSGVO im Auswahlverfahren nicht ursächlich für den entstandenen materiellen Schaden gewesen seien.

Geldentschädigung aufgrund DSGVO-Verstöße

Auch bestätigt das BAG dem Grunde nach die Entscheidung des LAG, wonach dem Kläger wegen eines Verstoßes gegen die Informationspflichten aus Art. 14 Abs. 1 lit. d) DSGVO eine Entschädigung i. H. v. 1.000 Euro gem. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zustehe. Das BAG stellt jedoch auch klar, dass nicht nur ein Verstoß gegen die Informationspflichten aus Art. 14 Abs. 1 lit. d) DSGVO vorgelegen habe, sondern auch gegen Art. 6, 10 DSGVO verstoßen worden sei. Damit sei nicht nur ein, sondern mehrere Verstöße gegen die DSGVO gegeben. Gleichwohl hält das BAG den vom LAG zugesprochenen Betrag i. H. v. 1.000 EUR für angemessen. Die Vorinstanz habe die erheblichen immateriellen Beeinträchtigungen des Klägers – insbesondere dessen Reduktion zum bloßen Objekt datenverarbeitender Maßnahmen und den damit einhergehenden Kontrollverlust – zutreffend gewürdigt. Die Festsetzung der Höhe der Entschädigung bewege sich innerhalb des tatrichterlichen Ermessens und lasse aus revisionsrechtlicher Sicht keine Ermessensüberschreitung erkennen.

Schadensersatzansprüchen auf Grundlage von Art. 33 Abs. 2 GG

Die Entscheidung fügt sich in die gefestigte Rechtsprechung des BAG ein, wonach ein unterlegener Bewerber bzw. eine unterlegene Bewerberin Schadensersatz wegen Nichtberücksichtigung der Bewerbung verlangen kann, wenn ein Arbeitgeber, der bei seiner Auswahlentscheidung an die Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG gebunden ist, eine zu besetzende Stelle in rechtsfehlerhafter Weise an eine weniger geeignete mitbewerbende Person vergibt (BAG, Urteil vom 28. Januar 2020 – 9 AZR 91/19; Urteil vom 12. Dezember 2017 – 9 AZR 152/17).

Entscheidend ist dabei der kausale Zusammenhang: Der Schaden der bewerbenden Person muss darauf zurückzuführen sein, dass die Auswahl durch den öffentlichen Arbeitgeber rechtsfehlerhaft war. Von einer solch rechtsfehlerhaften Auswahl kann nur ausgegangen werden, wenn alle anderen möglichen Entscheidungen rechtswidrig gewesen wären. Das Auswahlermessen muss also auf null reduziert sein, was nur dann der Fall ist, wenn die übergangene bewerbende Person tatsächlich die Bestgeeignetste war und keine andere Entscheidung rechtmäßig gewesen wäre.

Bemessung eines Schadensersatzanspruchs

Das BAG bestätigt mit seiner Entscheidung auch die klare Linie der nationalen und europäischen Rechtsprechung, wonach ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO kumulativ einen Datenschutzverstoß, einen konkreten (immateriellen oder materiellen) Schaden sowie einen Kausalzusammenhang zwischen beiden voraussetzt (EuGH 11. April 2024 – C-741/21; 25.01.2024 – C-687/21; 14. Dezember 2023 – C-340/21; BAG, Urteil vom 20. Juni 2024 – 8 AZR 91/22). Das Vorliegen dieser drei Voraussetzungen hat der Anspruchsteller darzulegen und zu beweisen.

Auch hinsichtlich der Bemessung des Schadensersatzes knüpft das BAG an seine bisherige Rechtsprechung sowie die des EuGH an. Nach der insoweit gefestigten Rechtsprechung beider Gerichte ist die Höhe des Schadensersatzanspruches nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO so festzulegen, dass dadurch der erlittene Nachteil ausgeglichen wird. Insoweit hatte das BAG bereits mit Urteil vom 5. Mai 2022 (Az. 2 AZR 363/21) klargestellt, dass ein Betrag iHv. 1.000 Euro als fühlbare Entschädigung anzusehen ist, die über eine bloß symbolische Genugtuung hinausgeht.

Sorgfältig dokumentieren

Die Entscheidung unterstreicht die besondere Bedeutung einer sorgfältigen Dokumentation von Auswahlverfahren durch öffentliche Arbeitgeber, die eine Auswahl nach Maßgabe von Art. 33 Abs. 2 GG zu treffen haben. Nur wenn die Bewertung der Bewerberinnen und Bewerber anhand rechtlicher Kriterien nachvollziehbar dargelegt und dokumentiert wird, kann im gerichtlichen Verfahren ein ordnungsgemäßer Auswahlprozess nachgewiesen werden.

Auch Verstöße gegen die DSGVO können für Arbeitgeber erhebliche finanzielle und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, auch wenn daraus nicht automatisch ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO entsteht. Im Bewerbungsverfahren ist insbesondere die Einhaltung der Informationspflichten nach Art. 14 DSGVO von zentraler Bedeutung: Arbeitgeber müssen Bewerberinnen und Bewerber transparent darüber informieren, welche personenbezogenen Daten sie erheben, zu welchen Zwecken und auf welcher Rechtsgrundlage dies geschieht. Zudem spielt der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO eine große Rolle, da Bewerberinnen und Bewerber im Verfahren das Recht haben, Auskunft über die über sie gespeicherten Daten zu erhalten. Internetrecherchen sind zwar grundsätzlich erlaubt, müssen aber datenschutzkonform durchgeführt und dokumentiert werden. Die sorgfältige Beachtung dieser Vorgaben schützt Arbeitgeber nicht nur vor Bußgeldern und Schadensersatzforderungen, sondern vermeidet auch eine negative Außendarstellung.

Der Autor dieses Gastbeitrages ist Dr. Herbert Hertzfeld von der Küttner Rechtsanwälte Partnergesellschaft

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