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Spranger hat viel vor

Sie ist seit Ende letzten Jahres die erste Innensenatorin des Landes Berlin: Iris Spranger. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel spricht sie über ihre Kernforderungen. Die derzeitigen Blockadeaktionen von Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten sieht sie äußerst kritisch. Das Interview führten Uwe Proll und Marco Feldmann.

Behörden Spiegel: Frau Spranger, Sie sind Innensenatorin Berlins. Was steht auf Ihrer Agenda?

Iris Spranger: Meine Agenda verfügt über mehrere tragende Säulen. Zum einen wäre da die Sicherheit im Wohnumfeld, sie betrifft jede und jeden und ist mir daher sehr wichtig. Ein Faktor, der sich auf diese Sicherheit auswirkt, sind zum Beispiel kriminalitätsbelastete Orte. In Berlin haben wir sieben davon, darunter auch das Kottbusser Tor. Hier wollen wir eine neue Polizeiwache errichten, die sogenannte „Kotti-Wache“. Das wird zwar auch mal kontrovers diskutiert, ich bin aber davon überzeugt, dass dieser Ansatz richtig ist.

Behörden Spiegel: Was muss hier passieren?

Spranger: Nach vielen Jahren Diskussion und runden Tischen muss es hier nun dringend vorangehen. Denn gegen die kriminalitätsbelasteten Orte muss zum einen konsequent, zum anderen nachhaltig vorgegangen werden. Klar ist, dort wo Kriminalität passiert, muss die Polizei auch präsent sein.  Die „Kotti-Wache“ ist ein Element eines ganzheitlichen Ansatzes. Nun sind auch die anderen Akteurinnen und Akteure gefragt, ihren Beitrag zu leisten, denn allein mit polizeilichen Mitteln lässt sich das Problem nicht lösen.

Behörden Spiegel: Was ist Ihnen noch wichtig?

Spranger: Einen weiteren Schwerpunkt lege ich auf die Bekämpfung von Organisierter Kriminalität (OK) und bandenmäßiger Kriminalität. Wir stellen eine Entwicklung in der Kriminalität fest, von den relativ festen Strukturen der OK hin zu eher bedarfsorientierten, also eher bandenmäßigen Zusammenschlüssen. Dagegen gilt es auch weiterhin konsequent vorzugehen. Außerdem ist mir die Verkehrssicherheit wichtig – gerade vor dem Hintergrund der verkehrsreichen Hauptstadt. Mir geht es hierbei um die Bekämpfung der Hauptunfallursachen und die Sicherheit besonders verletzlicher Gruppen.

Behörden Spiegel: Können Sie ein Beispiel nennen?

Spranger: Auch hierzu nur ein kleines Beispiel: In den nächsten Jahren beschaffen wir mehr stationäre Geschwindigkeits- und Rotlichtüberwachungsanlagen sowie Geschwindigkeitsmess-anhänger – insgesamt sind 60 in Planung. Aktuell wirken sich natürlich auch die Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten auf die Verkehrssicherheit aus. Hier gehe ich als oberste Dienstherrin von Polizei und Feuerwehr mit allen mir zur Verfügung stehenden rechtstaatlichen Mitteln vor. Denn deren Protestformen sind inakzeptabel. Die Berlinerinnen und Berliner dürfen nicht in Geiselhaft genommen werden.

Behörden Spiegel: Welche Rolle spielen hier Gerichte?

Spranger: Ich wünschte mir, dass die Justiz noch schneller wird. Hier sollten Richterinnen und Richter ein rechtsstaatliches Zeichen setzen. Die Blockiererinnen und Blockierer sind eine Gefahr für andere und gefährden sich selbst. Die Polizei Berlin hat sehr schnell und konsequent auf dieses Phänomen reagiert. Wir nehmen Ermittlungen auf, Personen in Gewahrsam, verschicken Gebührenbescheide und führen Gefährderansprachen durch. Wir tun alles, nun sind andere gefragt.

Behörden Spiegel: Jetzt sprachen wir über das polizeiliche Agieren nach außen, also gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Was wollen Sie denn für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) in der Bundeshauptstadt erreichen?

Spranger: Ein entscheidender Punkt meiner Agenda ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei Polizei und Feuerwehr, sie liegt mir sehr am Herzen. Allein bei der Polizei Berlin beträgt der Sanierungsstau 1,8 Milliarden Euro. Das ist nicht hinnehmbar. Deshalb bin ich – anders als alle meine Vorgänger – auch selbst Mitglied des Aufsichtsrates der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM).

Behörden Spiegel: Welche Elemente gibt es hier noch?

Spranger: Das ist aber nur ein Element. Weitere sind die Arbeitszeitmodelle, die Stärkung des Rettungsdienstes der Berliner Feuerwehr, das Rettungsdienstgesetz und einiges mehr. Zu den beiden Letztgenannten Punkten habe ich bei mir im Hause eine regelmäßig tagende Steuerungsgruppe eingesetzt. Der Landesbranddirektor Dr. Karsten Homrighausen  treibt diesen Reformprozess voran und hat mein volles Vertrauen. Dass Rettungswagen an Notaufnahmen abgewiesen werden, ist auch ein erschwerender Faktor, den ich angehen möchte, dem sich aber ein anderes Ressort annehmen muss.

Behörden Spiegel: Weshalb soll die Pensionsgrenze bei der Polizei Berlin angehoben werden?

Spranger: Der Vorschlag dazu kommt von der Senatsverwaltung für Finanzen. Ich stelle mich dem aber entgegen, werde ihm nicht zustimmen. Denn mit der Pensionsgrenze liegt Berlin jetzt schon im Bundesdurchschnitt. Eine Erhöhung ist nicht angezeigt. Zumal es den Belastungen in der Hauptstadt nicht gerecht werden und dann auch noch die Personalgewinnung zusätzlich erschweren würde.

Behörden Spiegel: Wie steht es um eine Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage im Land Berlin?

Spranger: Die möchte ich, nachdem sie in den 1990er-Jahren in Berlin abgeschafft wurde, wieder einführen. Daran ändern auch die prognostizierten Kosten von 20 Millionen Euro nichts.

Behörden Spiegel: Braucht es weitere Bodycams für die Berliner Sicherheitsbehörden?

Spranger: Derzeit läuft ein Probelauf bei Polizei und Feuerwehr mit insgesamt 30 Geräten. Die rot-grün-rote Koalition hat sich auf insgesamt 300 weitere Bodycams verständigt. Diese werden bis Jahresende beschafft. Sie sind hilfreich für die Transparenz polizeilichen Handelns. Damit könnte auch unberechtigten, pauschalen Vorwürfen begegnet werden. Gegen solche pauschalen Anschuldigungen verwahre ich mich. Deshalb wollen wir die Körperkameras flächendeckend einführen. Ich kann mir auch einen Einsatz in geschlossenen Räumen, etwa bei Fällen häuslicher Gewalt, sehr gut vorstellen. Das ist in Berlin derzeit rechtlich noch nicht zulässig.

Behörden Spiegel: Und wie steht es um den Einsatz von Distanzelektroimpulsgeräten (DEIG)?

Spranger: Ich bin dafür, auch die sogenannten Taser flächendeckend als Einsatzmittel einzuführen. Denn sie können den Schusswaffengebrauch unnötig machen und eine bestehende Lücke der Einsatzmittel schließen.

Behörden Spiegel: Nach der letzten schwierigen Reform: Wird es in dieser Legislaturperiode eine erneute Novellierung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes geben?

Spranger: Das ist vorgesehen. Allerdings gestaltet sich das innerhalb der Koalition derzeit noch etwas schwierig, auch wenn wir innerparteilich dafür sind. Aber ich bleibe da dran.

Behörden Spiegel: Die Situation bei der Berliner Feuerwehr ist derzeit sehr angespannt. Das gilt vor allem für den Rettungsdienst. Es gab nun auch schon Anpassungen in der Leitstelle sowie der Notrufannahme und -weitergabe. Dennoch wird von mehreren Seiten eine Reform des Rettungsdienstgesetzes gefordert. Was planen Sie hier?

Spranger: Durchdie bereits erwähnte Steuerungsgruppe sind wir hier schon sehr weit. Deren Mitglieder werden sich der Thematik jetzt nochmal sehr genau annehmen und z. B. die Code-Reviews für die Leitstelle der Berliner Feuerwehr nochmals prüfen. Problematisch ist, dass Rettungswagen zu einem nicht zu vernachlässigenden Teil für Sachverhalte alarmiert werden, die eben keine Notfälle darstellen.

Behörden Spiegel: Und wie steht es um eine Reform des Rettungsdienstgesetzes?

Spranger: Ich stelle mir u. a. vor, dass wir mehr Flexibilität bei der Besetzung von Rettungsmitteln gewinnen, um auf besondere Auslastungen, wie z. B. während der Pandemie, besser reagieren zu können. Die Änderung des Rettungsdienstgesetzes folgt nach jetzigem Stand zeitnah durch die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses.

Behörden Spiegel: Wäre mehr Eigenständigkeit für die Berliner Feuerwehr sinnvoll? Denn deren Personalakten werden weiterhin von der Polizei Berlin geführt. Dort erfolgt auch die Anerkennung von Dienstunfällen von Feuerwehrleuten.

Spranger: Die Personalakten der Berliner Feuerwehr werden auch in Zukunft bei der Polizei Berlin geführt werden. Denn es ist sinnvoll, nur eine Aktenführung zu haben. Das gelegentlich angebrachte Argument, dass Polizistinnen und Polizisten dann über Dienstunfälle von Feuerwehrfrauen und -männern entscheiden würden und das mit einem polizeilichen Blick, greift zu kurz. Es sind hauptsächlich Verwaltungsbeamtinnen und -beamte, die dort eingesetzt werden und unvoreingenommen entscheiden.

Behörden Spiegel: Sie sind die erste Innensenatorin Berlins. Wirkt sich das auf Ihre Amtsverständnis aus?

Spranger: Als erste Berliner Innensenatorin habe ich möglicherweise einen anderen Blick auf bestimmte Themen als meine männlichen Vorgänger. Die Innere Sicherheit in Berlin ist inzwischen sehr weiblich gesteuert, denn neben mir gibt es ja noch eine Bundesinnenministerin und eine Polizeipräsidentin. Das finde ich gut. Davon mal abgesehen, dass wir alle es gewohnt sein dürften, in harten und männlich dominierten Bereichen zu arbeiten. Mir kommt hier deutlich meine Durchsetzungsstärke zugute.

Behörden Spiegel: Gibt es eine feministische Innenpolitik?

Spranger: Für mich heißt Innenpolitik Sicherheit aller. Die Betrachtung der unterschiedlichen Kriminalitätsfelder gehört klar hierzu. Leider gibt es einige mit hoher Dunkelziffer, von denen vor allem Frauen betroffen sind. Darauf möchte ich den Blick lenken, wie zum Beispiel auf die häusliche Gewalt oder Femizide.

Behörden Spiegel: Wo gibt es noch Probleme?

Spranger: Ein großes Dunkelfeld gibt es auch bei Straftaten gegen queere Menschen. Das macht mir Sorgen. In Berlin muss jede und jeder ihre und seine Lebensform leben dürfen, ohne Angst haben zu müssen, deshalb Opfer von Straftaten zu werden. Die Vielfalt und Weltoffenheit Berlins müssen geschützt werden und ich trete unumstößlich dafür ein.

Behörden Spiegel: Es gab massive Probleme bei den letzten Wahlen zum Abgeordnetenhaus von Berlin sowie zu den Bezirksverordnetenversammlungen. Nun ist eine Widerholungswahl äußerst wahrscheinlich. Was unternehmen Sie zu deren Vorbereitung?

Spranger: Es ist eine Expertenkommission eingesetzt worden, die die Wahlen unabhängig analysiert hat. Deren Mitglieder haben eine tolle Arbeit geleistet. Nun gehen wir daran, die Vorschläge der Expertenkommission umzusetzen. Dazu gehören unterschiedliche Komponenten, eine ist die Einheitlichkeit beim Vorgehen in den einzelnen Berliner Bezirken, die andere die Logistik und wieder eine die Ausstattung. Mit dem neuen Landeswahlleiter stehe ich fortwährend in Verbindung und unterstütze ihn in allen Belangen.

Behörden Spiegel: Was wird eine Wiederholungswahl kosten?

Spranger: Mit Blick auf die Kosten, auch für die Bezirke, haben wir eine Summe von 39 Millionen Euro vorgeplant. Da wir nicht ausschließen können, dass es auch zu einer Wiederholungswahl für den Bundestag kommt, mussten wir erst einmal von zwei separaten Wahlterminen ausgehen. Das steigert die potenziellen Kosten natürlich. Ich gehe aber lieber von diesem Szenario aus, als mich im Nachhinein überraschen zu lassen. Und nicht verwandte Mittel gehen sowieso zurück in den Landeshaushalt.

Behörden Spiegel: Im kommenden Jahr übernimmt Berlin den Vorsitz in der Innenministerkonferenz (IMK). Welche Schwerpunkte wollen Sie da setzen?

Spranger: Wir haben bei mir im Hause bereits eine IMK-Geschäftsstelle aufgebaut und stecken schon in den Vorbereitungen. Inhaltich sind mir die Bekämpfung von Hasskriminalität, OK und bandenmäßiger Kriminalität in der IMK besonders wichtig. Außerdem werde ich Themen, die das jetzige Vorsitzland Bayern schon angegangen ist, übernehmen und fortführen.

Behörden Spiegel: Das jetzige IMK-Vorsitzland Bayern hat erstmals eine Tagung in Brüssel veranstaltet. Planen Sie das 2023 ebenfalls?

Spranger: Ich finde die Idee sehr gut. Das werde ich geeignet fortführen, denn die Nähe zu den Brüsseler Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern ist für die Innenpolitik sehr wichtig. Das gilt sowohl für die Europäische Kommission als auch für das Europaparlament.

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