Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) stellt dem Entwurf des OZG-Änderungsgesetz ein vernichtendes Zeugnis aus. Keine Frist, keine Standardisierung, keine Registermodernisierung, keine Ideen. Zudem sei Deutschland drauf und dran eine weitere Digitalisierungsfrist zu reißen. Sind wir noch zu retten?
Der Vorsitzende des NKR, Lutz Goebel, ist spürbar frustriert. Eigentlich müsse das OZG-Änderungsgesetz eindeutig bestimmen, welche Leistungen wann durch wen umzusetzen seien, sagt Goebel. Stattdessen haben die Autoren des Referentenentwurfs die Frist gestrichen und eine genaue Aufzählung der zu digitalisierenden Leistungen gibt es auch nicht. Goebel fordert klare Verantwortlichkeiten und „spürbare Konsequenzen“ für diejenigen, die es nicht geschafft haben, eine konkrete Verwaltungsleistung zu digitalisieren. Er schlägt einen Rechtsanspruch auf digitale Leistungen vor, damit Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen im Zweifel gegen die verschleppte Digitalisierung klagen können.
Nächste Frist reißen
Der NKR zählt in seinem Positionspapier zum OZG-Änderungsgesetz nur 33 digitalisierte Leistungen (Stand: Oktober 2022). Ursprünglich wollte die Verwaltung bis Ende letzten Jahres 2022 ganze 575 Leistungen digitalisieren. Der Fairness halber muss man sagen, dass die Zahl der digitalisierten Leistungen variiert – je nachdem, wer zählt und was als digitalisierte Leistung gilt. Aber nun droht schon die nächste Frist.
Bis Jahresende muss die Verwaltung nämlich 75 weitere OZG-Leistungen digitalisieren und an einheitliches digitales Zugangstor der EU anschließen. Das besagt die Single Digital Gateway-Verordnung (SDG-VO). Demnach müssen alle EU-Bürgerinnen innerhalb Deutschlands verschiedene Verfahren digital abwickeln können. Darunter fällt unter anderem das An- und Abmelden eines Wohnsitzes, der Antrag für eine europäische Krankenkasse oder für Geburtsurkunden und Wohnsitzbestätigungen. Einige dieser Leistungen sind schon digital, andere nicht. Aber es stellt sich noch ein anderes Problem.
Registermodernisierung fehlt
„Single digital Gateway und Once Only-Generalklausel funktionieren nur mit Registern, die miteinander kommunizieren können“, kritisiert Prof. Sabine Kuhlmann, stellv. Vorsitzende des NKR und Berichterstatterin für das BMI. Deswegen müssten Politik und Verwaltung die „Registermodernisierung endlich so wichtig wie das OZG nehmen“.
„Bei der Registermodernisierung sind wir noch in den Startlöchern“ stimmt ihr der NKR-Berichterstatter für digitale Verwaltung, Malte Spitz, zu. “ Die Daten fließen einfach nicht gut.“ Zur Registermodernisierung findet sich aber bisher nichts im OZG-Änderungsentwurf. Stattdessen gibt es seit 2021 ein eigenes Registermodernisierungsgesetz (RegMoG).
Standardisierung
Doch nicht nur hier wird das Verwaltungs-Backend nach Ansicht des NKR zu wenig beachtet. „Für die EfA-Nachnutzung fehlen die architektonischen Grundlagen“, kritisiert Goebel. „Das muss der Kern des OZG sein“, erklärt der NKR-Vorsitzende.
„Der Bund muss Standards setzen“, stimmt Kuhlmann zu. „Das kann er. Aber er hat es bisher nicht gemacht.“ Auch diverse Stimmen wie die Linken-Politikerin Anke Domscheit-Berg (MdB) und Dr. Ariane Berger, die Leiterin Digitalisierung beim Deutschen Landkreistag (LKT) haben das angemerkt. Der Vorteil liegt nach ihren Argumenten darin, dass einmal definierte Standards und Schnittstellen das Gerüst für verschiedene Leistungen bilden würden. Es würde nicht das Problem entstehen, dass Leistungen aus Nordrhein-Westfalen in Thüringen nicht nachgenutzt werden können, weil die Software-Architektur in diesen beiden Ländern so grundverschieden ist, dass die Nachnutzung teurer wird als ein kompletter Neubau.
EfA-Appstore FITKO
Darüber hinaus schlägt Vorsitzender Goebel vor, die Föderale IT-Kooperation (FITKO) zur Trägerin eines EfA-Appstores auszubauen. Dadurch könne die Nachnutzung vereinfacht werden. Doch die Vorschläge des Normenkontrollrats seien entweder nicht gehört oder nicht umgesetzt worden, berichtet der Vorsitzende. Mit dem verantwortlichen Staatssekretär im Bundesinnenministerium Dr. Markus Richter habe es viele Gespräche gegeben. Mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bisher keines. Entsprechend hart geht der NKR-Vorsitzende mit den OZG-Verantwortlichen ins Gericht: „Ohne Frist und klare Struktur, einfach nur sagen, „Das ist eine Daueraufgabe“ – so geht es nicht, so geht es wirklich nicht.“