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StartVerteidigungWie die Ukraine innoviert

Wie die Ukraine innoviert

Der Investitionsbedarf im aktiven Spannungsfall lässt keine Sparsamkeit oder aufwändige Vergabeverfahren zu. So zumindest lautet die Meinung in der Ukraine. Dass diese Vorgehensweise auch mit Scheitern verbunden ist, betrachtet man sogar als Gewinn.

Dr. Tymofiy Mylovanov, ehemaliger ukrainischer Minister für wirtschaftliche Entwicklung und Lehrstuhlinhaber an der Kyiv School of Economics, erklärte vergangene Woche in Berlin, warum ökonomisches Scheitern in der gegenwärtigen Situation der Ukraine nicht beklagens-, sondern begrüßenswert ist.
Aus seinen Erfahrungen aus den letzten zwei Kriegsjahren leitet er drei Kernthesen ab. Zunächst folgten die Ereignisse in einem Kriegsszenario in so kurzer Abfolge und die Entwicklungen verliefen so schnell, dass es unmöglich sei, Wissen zu verifizieren. Um diesem Mangel zu begegnen, sei es deshalb entscheidend, die gesamte Operation zu überwachen. Das schließe die vollständige Ereigniskette ein: von der ersten Investition in die Entwicklung neuer militärischer Technologien bis hin zum operativen Einsatz.

„Jemand muss sich einen Eindruck verschaffen, wie sich die Technologie im tatsächlichen Einsatz schlägt“, forderte Mylovanov folgerichtig. Wirklich zu verstehen, wie die Technologie funktioniere, sei dabei zweitrangig. Viel bedeutender hingegen sei, von der Expertise verschiedener Stakeholder vermittelt zu bekommen, dass sich das Produkt mit Mehrwert einsetzen lasse. Denn allzu oft habe man beobachten müssen, wie vielversprechende Technologien im realen Kriegsgeschehen wirkungslos blieben, weil ein entscheidendes Element fehlte. Die erste Erkenntnis lässt sich folgerichtig auf die Forderung, die gesamte Lieferkette zu überwachen, herunterbrechen.

Drei Thesen zur ukrainischen Innovationsstrategie


Darauf aufbauend forderte Mylovanov in seiner zweiten Kernthese, größte Agilität mit klar definierten Abläufen zu verbinden. Diese Ideale seien eigentlich unvereinbar. Deshalb erläuterte Mylovanov eine Reihe von Tricks, um sie auf einen Nenner zu bringen. Konkret sehe der Modus Operandi in der Ukraine vor, zwei Teams zunächst mit umfänglichen finanziellen Mitteln auszustatten. Die Teams wiederum seien verpflichtet, zu kommunizieren, wie sie die Mittel ausgeben, und klar definierte Meilensteine zu erfüllen. „Dieses Vorgehen ist sehr agil und ad hoc, gleichzeitig aber sehr robust und klar definiert“, konstatierte Mylovanov.

Sollte es den Unternehmen nicht gelingen, die Meilensteine zu erfüllen, erlaubt man ihnen zunächst, Mittel neu zu verteilen. Scheitert das betroffene Unternehmen erneut an den vorgegebenen Zielen, wird die Förderung eingestellt. Manche Vorhaben würden bereits nach kurzer Zeit scheitern. Das sei aber durchaus im Interesse der ukrainischen Regierung. Man wolle die Unternehmen niederschwellig mit Geld ausstatten, damit Projekte schnell ihr Potenzial entfalten oder scheitern. Das Prinzip ließe sich folgerichtig auf die Formel „statte Unternehmen mit Mitteln aus und maximiere das Scheitern“ herunterbrechen. Denn wirklich lernen könne man nur aus dem Scheitern, nicht aus Erfolg, erläuterte Mylovanov.

Die dritte Kernthese betont wiederum, dass die Aufmerksamkeit den Ergebnissen eingesetzter Technologien gelten sollte. Sowohl die Ukraine als auch Russland innovierten mit höchster Geschwindigkeit. Daraus lasse sich eine gewisse Intuition gewinnen, welche Technologien und Entwicklungen von Erfolg gekrönt sein könnten. Investitionen in Überwasser-Drohnen und anschließend in Unterwasser-Drohnen seien ein Beispiel für erfolgreiche Entwicklungsprogramme durch Vertrauen in die gewonnene Intuition. Wenn die Analyseperspektive sich jedoch nur auf erfolgreiche Projekte beschränke, sei man blind dafür, warum Projekte scheitern.

Fortlaufende Anstrengung für Innovation gefordert

Diese Erfahrung und der Intuitionsgewinn würden in Russland über den Krieg in der Ukraine hinaus bewahrt. Als Basis für weitere Innovation wirke dieses Wissen über die Ereignisse in der Ukraine hinaus. Deshalb sei es notwendig, dass der Westen sich dieses Wissen ebenfalls aneigne, um mit Russland konkurrieren zu können. Es sei an der Zeit, dass westliche Wissenschaftler ukrainische Entwicklungslabore aufsuchten, um von deren Wissen und Erfahrungen zu profitieren. Die Ukraine habe selbst den Fehler begangen, den nach der Invasion der Krim im Jahr 2014 aufgebauten Wissensstand nicht zu bewahren. Nachdem man kurzzeitig den Entwicklungsprozess, wie es gegenwärtig der Fall sei, gestaltet habe, sei man ab 2016 zu umfänglicheren bürokratischen Prozessen zurückgekehrt. Viele der Entwicklungsteams zu dieser Zeit seien nicht in der Lage gewesen, sich den neuen Bedingungen anzupassen. Folgerichtig sei deren Wissen abhandengekommen.

Ein weiterer großer Hemmschuh für den rüstungsindustriellen Erfolg der Ukraine ist die gravierende Korruption. Erst in diesem Jahr deckte der ukrainische Sicherheitsdienst SBU ein Korruptionssystem beim Kauf von Waffen durch das ukrainische Militär auf.

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