„Ich denke niemals an die Zukunft. Sie kommt früh genug.“ Dieses Zitat wird dem Physiker und Nobelpreisträger Albert Einstein zugeschrieben. Während man dem zweiten Satz seine Zwangsläufigkeit nicht absprechen kann, so ist der erste Satz für die Planerinnen und Planer in den Katastrophenschutzorganisationen und -behörden keine Option. Neben der Aufbereitung der vergangenen Lage und Bearbeitung des momentanen Einsatzes muss auch die dritte Zeitebene in Angriff genommen werden. Fallstricke bei der Analyse der Zukunft gibt es viele.
Prognosen kennen wir aus Wettervorhersagen. Dort heißt es dann, dass der Tag sonnig wird und die Regenwahrscheinlichkeit unter zehn Prozent liegt. Oft kommt es dabei anders. „Die Zukunft kann man kaum berechnen. Das Klima und das Wetter können Sie ansatzweise berechnen, weil es viele Modelle gibt. Aber auch da stoßen Sie an ihre Grenzen“, sagt Dr. Olaf Theiler, Leiter des Referats Zukunftsanalyse im Planungsamt der Bundeswehr. Er beschäftigt sich unter anderem mit der Kapazitätsentwicklung der Bundeswehr und untersucht Zeiträume, die von heute aus 15 Jahre und mehr in die Zukunft reichen.
Theiler sagt, dass es bei Zukunftsanalysen nicht darum gehe, eine genaue Vorhersage zu treffen, was passieren werde, sondern darum, Handlungsräume zu schaffen. „Es geht darum, heute die richtigen Entscheidungen zu treffen, um die Zukunft zu beeinflussen“, so Theiler. Dazu arbeitet er mit jetzt zur Verfügung stehenden Daten, um mögliche Entwicklungen abzusehen. Aus den vorliegenden Daten bzw. dem jetzigen Wissen entwickeln er und seine Kollegen mittels vielfältiger Instrumente wie der Szenarienentwicklung, Trendanalyse oder Delphi-Methode ein mögliches Zukunftsbild mit verschiedenen Entwicklungspfaden. Dabei arbeitet das Referat, das interdisziplinär besetzt ist, inhaltlich zwar weisungsgebunden, aber sonst ergebnisoffen. Künstliche Intelligenz (KI) helfe dabei nur begrenzt, da menschliches Handeln sich der KI entziehe. „Gerade in der Sicherheitspolitik wurden wir immer wieder böse überrascht, so Theiler.
Die Kunst der Überzeugung
„Man lernt aus jeder Krise. Man muss aber immer fragen, wie sie dokumentiert und aufgearbeitet wird“, sagt Dr. Florian Neisser, Referent im Referat Forschungskoordinierung, Abteilung Zivilschutzausstattung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Neisser macht sich für mehr Strategische Vorausschau im Bevölkerungsschutz stark. Es komme aber darauf an, welche Zeiträume und aus welcher Perspektive diese betrachtet würden. Deutschland sei im Bereich der Strategischen Vorausschau und Zukunftsanalyse ein Nachzügler, aber langsam beginnt ein Prozess der Institutionalisierung. Man könne von anderen Ländern in diesem Bereich und vom Militär lernen, so Neisser.
Auch Ingo Kollosche, Leiter des Forschungsfelds Zukunftsforschung & Transformation am Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT), unterstreicht, dass man noch so gute Analysen erstellen könne – es bleibe eine Kunst, die Menschen zu sensibleren. Es sei aber häufig eine Kapazitätsfrage bei den Kolleginngen und Kollegen und eine ordentliche Portion Überzeugungsarbeit der Analystinnen und Analysten. Dabei zeigt sich Kollosche überzeugt, dass die Gegenwart nicht krisenhafter sei als früher, z. B. in den Hochzeiten des Kalten Krieges.
Es geht bei der Präsentation der Ergebnisse nicht darum, Panik zu verbreiten. Kollosche plädiert für mehr Gelassenheit bei dem Thema. Zwar funktioniere z. B. Ansprache der Bevölkerung für Krisenszenarien heutzutage anders als zuzeiten des Kalten Krieges. Dennoch zeigt er sich überzeugt, dass man mit verschiedenen Kommunikationskanälen und -maßnahmen die Bevölkerung vorbereiten kann.
„Bei Foresight geht es nicht um Panik. Es geht darum, dass Probleme benannt werden und dass man Dinge tut, um sich vorzubereiten“, so auch Theiler.