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StartRechtVerdeckt produktspezifische Ausschreibung unzulässig!

Verdeckt produktspezifische Ausschreibung unzulässig!

Die Vergabekammer des Bundes befasste sich in ihrem Beschluss vom 07.08.2024 mit grundlegenden Fragen der Produktneutralität und Fachlosbildung (VK 2-63/24). Kern der Entscheidung war die Abwägung zwischen den berechtigten Anforderungen an den Arbeits- und Gesundheitsschutz und der Verpflichtung, technische Spezifikationen so zu gestalten, dass der Wettbewerb nicht unzulässig eingeschränkt wird. Zudem wurde die immer wieder thematisierte Frage, ob die Vergabestelle durch den Verzicht auf eine Fachlosbildung den Grundsatz der mittelstandgerechten Vergabe verletzt, geprüft.

  1. In der Leistungsbeschreibung darf grundsätzlich nicht auf bestimmte Produkte eines Herstellers verwiesen werden. Die Bezugnahme zu Referenzprodukten ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand andernfalls nicht hinreichend genau und allgemeinverständlich beschrieben werden kann, wobei in diesem Ausnahmefall „oder gleichwertig“ erforderlich ist (hier verneint).
  2. Maßstab für die Zulässigkeit der Benennung eines Leitfabrikats ist nicht, welches Produkt der Auftraggeber für vorzugswürdig hält. Die Vorschrift stellt vielmehr darauf ab, ob das gewünschte Produkt ohne den Verweis auf das Leitfabrikat nicht hinreichend genau beschrieben werden kann.
  3. Für eine produktspezifische Ausschreibung muss ein besonders belastbarer sachlicher Grund in dem Sinne gegeben sein, dass es keine vernünftige Alternative gibt.
  4. Ein Verstoß gegen das Gebot der Produktneutralität liegt auch dann vor, wenn man die Vorgabe des Leitprodukts für zulässig hält, der Auftraggeber sich aber nicht hinreichend mit den wettbewerblichen Auswirkungen seiner Vergabe beschäftigt.

Sachverhalt (Kurzzusammenfassung)

Die Antragsgegnerin (AG) beabsichtigt als öffentliche Vergabestelle eine Rahmenvereinbarung über die Lieferung von 2.340 Motorsägen in vier verschiedenen Ausführungen („klein, mittel 1, mittel 2 und groß“), die für den professionellen Einsatz im Bereich der Bundesforstverwaltung bestimmt sind.

Die Ausschreibung erfolgte im offenen Verfahren und sah eine Laufzeit von zwei Jahren vor. Die AG beschrieb die technischen Anforderungen an die Produkte detailliert in den Vergabeunterlagen. Diese Angaben orientieren sich an den Produkten eines spezifischen Herstellers. Im Leistungsverzeichnis (LV) sind die Geräte wie folgt beschrieben: „[…] oder gleichwertig“. Das alleinige Zuschlagskriterium war der Preis.

Die AG begründete die Bezugnahme auf die Produkte eines spezifischen Herstellers mit Aspekten des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, insbesondere im Hinblick auf Lärm-, Vibrations- und Gewichtswerte. Die Ausschreibung enthielt Maximalwerte, die faktisch ausschließlich von den referenzierten Produkten eingehalten wurden.

Die Antragstellerin (ASt), ein Unternehmen, welches Geräte und Ausrüstungen für Arbeiten im Wald, Park und Garten herstellt und vertreibt, bemängelte mit ihrer Rüge, dass die Ausschreibung auf die Produkte des spezifischen Herstellers beschränkt sei, die Leistungsbeschreibung mithin nicht produktneutral sei. Zudem monierte sie, dass keine Aufteilung in Fachlose vorliege. Eine solche hätte auch kleineren Anbietern den Zugang zum Verfahren erleichtert.

Die AG half der Rüge nicht ab. Die ASt reichte einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer des Bundes ein. Die ASt begründete ihren Nachprüfungsantrag damit, dass die von der AG im Leistungsverzeichnis gewählten Spezifikationen eine unzulässige Benachteiligung darstelle und die Marktchancen anderer Anbieter durch die engen Vorgaben erheblich eingeschränkt seien.

Entscheidung der Vergabekammer

Die Vergabekammer entschied, dass der Nachprüfungsantrag zulässig, aber nur teilweise begründet ist, soweit die ASt sich gegen die fehlende Produktneutralität der Leistungsbeschreibung wendet.

Unbegründet ist der Nachprüfungsantrag in Bezug auf die fehlende Losaufteilung, da die einzelnen Gewichtsklassen der Motorsägen keinen eigenständigen Markt darstellen und daher keine Verpflichtung zur Fachlosbildung gemäß § 97 Abs. 4 GWB bestand. Zudem war die ASt selbst in der Lage, die verschiedenen Gewichtsklassen abzudecken, sodass ihr durch die fehlende Aufteilung kein Nachteil entstand.

Die AG habe in ihrer Leistungsbeschreibung die Produktdatenblätter des spezifischen Herstellers exakt übernommen.

Grundsätzlich untersagt das Gebot der Produktneutralität gem. § 31 Abs. 6 VgV den Verweis auf technische Spezifikationen des Produktes eines spezifischen Herstellers. Die Vergabekammer führt aus, dass die Ausnahme nach § 31 Abs. 6 S. 2 VgV nur dann zulässig sei, wenn der Beschaffungsgegenstand ohne eine solche Bezugnahme nicht hinreichend genau und allgemeinverständlich beschrieben werden könne. Diese Voraussetzung sah die Vergabekammer vorliegend nicht erfüllt an, da die maßgeblichen technischen Anforderungen auch ohne die Nennung konkreter Produkte hätten formuliert werden können.

Die Vergabekammer stellt klar, dass einschränkende Vorgaben, wie z. B. das Vorschreiben von Maximalwerten, dazu führe, dass lediglich die Produkte eines bestimmten Herstellers den Anforderungen entsprachen. Die leichte Überschreitung der Maximalwerte durch das Produkt der ASt hätte zu einem zwingenden Ausschluss des Angebots nach § 57 Abs.1 Nr. 4 VgV geführt. Der Bedeutung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes könne in wesentlich verhältnismäßigerer Weise Rechnung getragen werden, indem die vier Werte und deren stufenweise Einhaltung als qualitative Wertungskriterien anstelle zwingender Ausschlusskriterien ausgestaltet werden. Eine solche Abwägung war aus der Vergabeakte nicht erkennbar.

Praxishinweis

Das Thema „fabrikatsneutrale Ausschreibung“ bleibt ein Dauerbrenner. Die Entscheidung zeigt deutlich, welche Fallstricke bei einer nicht hinreichend begründeten Bezugnahme auf konkrete Produkte drohen. Öffentliche Auftraggeber müssen darauf achten, dass die Leistungsbeschreibung keine versteckte Fabrikatsvorgabe enthält. Denn die Entscheidung der Vergabekammer zeigt: Unkenntnis von einem Verstoß gegen die Produktneutralität schützt die AG nicht. Der Zusatz „oder gleichwertig“ entbindet nicht von der Pflicht, alle Anforderungen an das Beschaffungsgut objektiv überprüfbar zu gestalten.

Daneben empfiehlt es sich, bei der Festlegung technischer Anforderungen die Markterkundung sorgfältig zu dokumentieren und die wettbewerblichen Auswirkungen streng zu prüfen. Sind technische Parameter zwingend erforderlich, sollten diese als qualitative Zuschlagskriterien ausgestaltet werden, um den Bieterkreis nicht übermäßig einzuschränken.

Die Autorin dieses Gastbeitrages ist Frau Katharina Bähren, Rechtsanwältin der Kanzlei Leinemann & Partner Rechtsanwälte mbB in Hamburg.

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