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Das Ziel ist das Ziel

Die Belastung durch Bürokratie steigt – allen Entlastungsbemühungen zum Trotz –massiv an. In seinem Gutachten ermutigt der wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) dazu, bei der Normsetzung und -implementierung neue Wege einzuschlagen, um diesem Trend entgegenzuwirken. Der federführende Autor Prof. Dr. Klaus Schmidt, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München, verrät, welche Maßnahmen hierbei wirklich helfen.

Behörden Spiegel: Im Gutachten „Bürokratieabbau und ergebnisorientiertes Verwaltungshandeln“ werden großzügige Pauschalisierungen und bedingungslose De-Minimis-Regeln vorgeschlagen. Was erhoffen Sie sich davon?

Prof. Dr. Klaus Schmidt: Ein großes Problem ist, dass sehr viele Regelungen auf Einzelfallgerechtigkeit abzielen. Sie versuchen, alle möglichen Einzelfälle gesetzlich oder durch Verordnungen zu regeln. Das macht die Gesetze unglaublich kompliziert und führt zu enormem zusätzlichem Aufwand. Wenn wir großzügige Pauschalierung oder großzügige De-Minimis-Regeln (EU-Ausnahmeregelungen zur unbürokratischen Vergabe geringfügiger Beihilfen, Anm. d. Red.) einführen, können wir auf diese Einzelfallprüfung verzichten. Dann wird der Anspruch auf Einzelfallgerechtigkeit aufgegeben, die sich sowieso nicht erreichen lässt. Stattdessen wird ein bestimmter Bereich von Fällen durch die Pauschale abgedeckt. Es lohnt sich, solche Pauschalisierungen in der Praxis auszuprobieren. Das erfordert allerdings die Bereitschaft, in Kauf zu nehmen, dass es an der einen oder anderen Stelle auch mal Ungerechtigkeiten gibt. An dieser Stelle sind die Gerichte in der Pflicht, sich stärker zurückzuhalten. Bislang fordern sie im Falle einer Einzelfallklage häufig Prüfungen und den Erlass passender Regelungen ein. Stattdessen müssten sie es dann akzeptieren, wenn der Staat beschließt, eine Reihe von Einzelfällen durch eine Pauschale zu regeln.

Behörden Spiegel: Ein weiterer Ansatz ist, die Erfüllung von Normen künftig nicht mehr so konsequent zu kontrollieren wie bisher. Was ist die Alternative?

Schmidt: In Deutschland sind derzeit umfangreiche Ex-ante-Kontrollen der Standard. Bevor ein Vorhaben umgesetzt werden kann, überprüft der Staat detailliert, ob sämtliche Bedingungen, die er stellt, auch tatsächlich erfüllt sind. Stattdessen könnte der Staat zunächst darauf vertrauen, dass diese rechtlichen Regelungen eingehalten werden und ex post, also im Nachgang, überprüfen, ob das auch tatsächlich der Fall war. Das bedeutet, es werden nur noch stichprobenhafte Kontrollen durchgeführt. Und das bedeutet auch, dass es keine langen Wartezeiten gibt, bis ein Vorhaben genehmigt wird. Es kann direkt mit der Umsetzung begonnen werden – sofern alle notwendigen Bedingungen erfüllt sind. Allerdings kann eine Kontrolle nach der Umsetzung erfolgen. Wenn dabei eine systematische Abweichung von den Vorschriften entdeckt wird, dann muss natürlich eine entsprechende Sanktionierung erfolgen, die es unattraktiv macht, von den Regelungen abzuweichen.

Behörden Spiegel: Der Beirat empfiehlt: mehr Markt statt Regulierung. Was steckt hinter diesem Gedanken?

Schmidt: In Deutschland wird den Menschen genau vorgeschrieben, was sie zu tun und zu lassen haben. Eine andere Möglichkeit wäre es, ihnen die richtigen Anreize zu geben, das Richtige zu tun und dann darauf zu vertrauen, dass sie im Großen und Ganzen auch das Richtige tun werden. Lassen Sie mich das am Beispiel des Klimaschutzes erläutern: Statt sehr detaillierter Vorschriften beim Heizungsgesetz könnte der Fokus stärker auf den Markt gelegt werden. Das gelingt durch einen CO2-Preis, der den Menschen einen Ansporn gibt, von selber auf klimafreundliche Heizungen wie solche mit Wärmepumpe umzusteigen und ihr Haus zu dämmen. So käme der Anreiz zu mehr Klimafreundlichkeit über den Markt und der Staat müsste gar nicht mehr kontrollieren. Wenn jemand sein Haus nicht dämmt, sondern stattdessen die hohen CO2-Preise bezahlt, dann ist das eben so und muss akzeptiert werden. Aber im Großen und Ganzen werden die Menschen diesen Anreizen folgen und werden sich klimafreundlicher verhalten.

Behörden Spiegel: Wie schätzen Sie den Erfolg der One-in-one-out-Regel oder gar einer One-in-two-out-Regel ein?

Schmidt: Der Beirat sieht diese Regeln kritisch. Auf der einen Seite ist es gut, dem Staat einen Anreiz zu geben, bestimmte Gesetze wieder abzuschaffen. Das wird durch die One-in-one-out-Regel beabsichtigt. Auf der anderen Seite wird aber die Illusion geweckt, dass durch die Einhaltung dieser Regel tatsächlich die Bürokratiekosten stabil gehalten werden, bzw dass diese in den letzten Jahren sogar gesenkt worden seien. Das ist nicht der Fall, denn die Art, wie diese Bürokratiekosten gemessen werden, führt dazu, dass sie systematisch unterschätzt werden. Der Vergleich von entstehenden Kosten durch neue Gesetze mit den Einsparungen durch geplante Entlastungen zeigt deutlich: Die On-ein-one-out-Regel gaukelt uns nur vor, dass im gleichen Maße Bürokratie abgeschafft wird, wie neue Bürokratie eingeführt wird.

Behörden Spiegel: Wie kommt die Verwaltung weg von Verfahrensorientierung hin zu Ergebnisorientierung?

Schmidt: Aktuell werden Behördenleitungen sehr stark von Juristen dominiert. Für diese ist vor allem entscheidend, dass ein Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt wird. Es geht nicht so sehr um das Ergebnis des Verwaltungshandelns. Ein Beispiel: Bei meiner Arbeit an der Universität muss ich jeden Euro, den ich ausgebe, gegenüber der Verwaltung begründen. Welches Ergebnis bei meiner Forschung oder Lehre am Ende herauskommt, also was ich tatsächlich mit dem Geld erreicht habe, danach fragt niemand. Das muss sich ändern. Bei der Ausbildung von Verwaltungspersonal muss daher weniger Gewicht auf rein juristische Inhalte und mehr Gewicht auf öffentliches Management gelegt werden. Mitarbeitende müssen sich auf das Ziel und die Zielerreichung fokussieren. Dafür müssen bestimmte Managementmethoden erlernt und ausgebildet werden. Neben einer veränderten Ausbildung ist es an dieser Stelle auch hilfreich, mehr Quereinsteiger aus der Wirtschaft, die über solche Kenntnisse verfügen und eine andere Perspektive mitbringen, in den Öffentlichen Dienst zu holen. Und schließlich sollten sich auch die Anreize für die Verwaltung ändern, in dem die Zielerreichung gemessen und verglichen wird. Es sollte einen gewissen Wettbewerb zwischen den Behörden geben – z. B. welches Landratsamt braucht wie lange, um eine bestimmte Genehmigung zu erteilen? Solch ein Vergleich kann erheblich zur Motivation der Verwaltungsmitarbeitenden beitragen.

Behörden Spiegel: Wie kann eine Messung der Erfolge aussehen?

Schmidt: Zunächst muss darauf geachtet werden, dass mit der Ermittlung von Kennzahlen keine zusätzliche Bürokratie geschaffen wird. Es geht auch nicht darum, im Detail jede Leistung eines jeden Verwaltungsmitarbeitenden zu messen. Viel mehr geht es darum, den Output in den wichtigsten Dimensionen zu erfassen. Das könnte beispielsweise die Verfahrensdauer bis zum Erhalt einer Baugenehmigung, einer Gewerbeanmeldung oder einer Aufenthaltsgenehmigung für einen ausländischen Beschäftigten sein. Solche Kennzahlen wären nicht schwer zu erheben und sie wären wichtig, um die Leistung der Behörde zu messen. Auch Kundenzufriedenheit kann durch Umfragen ermittelt werden. Natürlich ergibt sich daraus eine subjektive Bewertung, aber auch die gibt wichtige Informationen darüber, wie nutzerorientiert eine Behörde arbeitet. Allein die Tatsache, dass Kennzahlen erhoben und Zufriedenheit gemessen wird, signalisiert den Verwaltungsmitarbeitenden, dass diese Ergebnisse das Ziel ihres Handelns sein sollten. Im Moment ist das nicht der Fall, es scheint für Mitarbeitende nicht relevant, wie lange ein Vorgang dauert. Hier konkrete Erfolgswerte zu erheben, ist an erster Stelle ein Signal. Noch wichtiger ist es aber, dass so der schon erwähnte Wettbewerb zwischen Behörden ermöglicht wird. Die Ergebnisse könnten dann auch an die Entlohnung oder an leistungsbezogene Bonuszahlungen für die Mitarbeitenden gekoppelt werden, um so Leistungsanreize zu schaffen.

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