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Steigende Zahl maroder Sportstätten

Viele Kommunen stecken tief in den roten Zahlen, die Finanzmisere strahlt auch auf den Breitensport aus: Jedem siebten Schwimmbad droht ohne Sanierung demnächst die Schließung, andernorts werden Sportangebote drastisch eingekürzt.

„Schwimmen zu können ist so wichtig wie Laufen.“ Mit diesem Satz unterstreicht Jan Pommer die Notwendigkeit, ins Handeln zu kommen – und das schnell. Er ist Vorstandsvorsitzender des Deutschen Schwimmverbands (DSV) und bezeichnet die Einsparungen beim Betrieb von öffentlichen Bädern als „einen völlig falschen Schritt“. Dennoch sehen sich derzeit viele Städte und Gemeinden dazu gezwungen.   

Eine Mitte Januar veröffentlichte Studie, die das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) im Auftrag der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) durchgeführt hat, kommt dementsprechend zu dem Schluss: 40 Prozent der Kommunen mussten bereits einzelne Sportangebote wegen des baulichen Zustands ihrer Sportanlagen streichen – 36 Prozent befürchten, dass sie ihre Angebote aufgrund von bröckelnden Turnhallen und maroder Sportbäder in den kommenden Jahren reduzieren müssen. „Teile des Sportangebots in den Kommunen sind in Gefahr. Es gibt einen großen Investitionsstau“, erklärt dazu Dr. Stefanie Brilon, Kommunalexpertin bei der KfW.

Dies untermauert die Difu-Analyse mit folgenden Zahlen: Sofern keine umfassenden Sanierungen vorgenommen werden, wird in den kommenden drei Jahren jedes siebte Schwimmbad schließen müssen. Konkret bedeutet das: 800 Bäder gingen verloren.

Für die Erhebung zur Situation der kommunalen Sportanlagen wurden insgesamt 307 Städte, Gemeinden und Landkreise im Oktober vergangenen Jahres befragt. 59 Prozent bezeichneten dabei den Investitionsrückstand der eigenen Sportanlagen als „gravierend“ oder „nennenswert“, in Bezug auf den Zustand der Hallenbäder sagten das 62 Prozent.

Verzicht auf kleinteilige Förderprogramme

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) spricht von einer „dramatischen Entwicklung“. DStGB-Hauptgeschäftsführer André Berghegger betont: Das sei ein „fatales Signal“ an den Breitensport und den Schwimmunterricht. Er sieht den Bund und die Länder in der Pflicht, Neubauten und Sanierungen in Zukunft finanziell besser zu unterstützen. Auch sei eine groß angelegte Investitionsoffensivein die Sportinfrastruktur unausweichlich. Es solle auf kleinteilige Förderprogramme verzichtet werden, stattdessen müssten Budgets für die Kommunen aufgesetzt werden, so seine Forderung.

Der Deutsche Schwimmverband (DSV) äußert sich ebenfalls besorgt. Mit der jetzigen Infrastruktur werde nicht mehr gewährleistet, dass alle Kinder und Erwachsenen schwimmen lernen, teilt er mit und weist auf eine Analyse des Schwimmverbandes Nordrhein-Westfalen hin, laut der in dem bevölkerungsreichsten Bundesland mehr als 100 öffentliche Bäder aus Kostengründen nicht mehr von den Kommunen selbst getragen werden. Stattdessen hätten dies Schwimmvereine sowie Bürgerinnen und Bürger übernommen.   

Steuerprivilegien für Schwimmbäder erhalten

Der DSV schlägt deshalb ein „umfassendes Investitionsprogramm“ vor und schließt sich damit dem Appell des DStGB an. Hierfür müssten Bund und Länder die Fördergrundlagen schaffen. „Das Bundesprogramm sollte langfristig angelegt und bürokratiearm ausgestaltet werden und die flexible Verwendung der Fördermittel ermöglichen“, erklärt Jan Pommer. Eine weitere Forderung des DSV: Der Betrieb von Schwimmbädern solle per Gesetz zur kommunalen Pflichtaufgabe werden. Die Steuerprivilegien und Regelungen zum steuerlichen Querverbund gelte es zu erhalten und zu erweitern. Um die Finanzmisere zu lösen, schlägt der Verband zudem vor, Bäderstandorte gemeinsamen zu betreiben sowie mehrere Bäder als Service-GmbH zu organisieren und so Kommunen zu entlasten.  

Indes verweist der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) auf eine Kurzexpertise aus dem Jahr 2018, die den Sanierungsstau bei den Sportstätten auf 31 Milliarden Euro bezifferte. Durch die seitdem erfolgten Preissteigerungen und notwendigen energetischen Standards sei mittlerweile von einem „deutlich höheren Sanierungsstau“ auszugehen, so der DOSB weiter.

Um der drohenden Schließung von kommunalen Sportstätten mit Alternativen zu begegnen, initiierte der DOSB für Sportvereine ein zwei Jahre dauerndes Projekt, innerhalb dessen mehr Sportangebote ins Freie verlagert werden sollen. Eine Universallösung für den Sanierungsstau sei das aber nicht, erklärt Pressesprecher Björn Jensen: „Ein Ausweichen ins Freie ist nicht bei allen Sportarten und allen Altersklassen möglich.“ So seien gerade für den Wettkampfsport genormte Sportstätten nötig, es brauche ein breites Spektrum von klassischen Sportstätten bis hin zu Bewegungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum.  

Eine Verlagerung des Sportangebots hält auch Helmut Dedy, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags (DST), nicht für das Allheilmittel. „Der öffentliche Raum kann klassische Sportanlagen nie komplett ersetzen“, betont er. „Bund und Länder müssen die Finanzsituation der Städte grundlegend verbessern.“

Der Appell drängt. Das zeigt auch folgendes Ergebnis der Difu-Analyse: Bereits jede fünfte Kommune nahm bereits einzelne Sportstätten aus dem Betrieb. Die Lösungsvorschläge aus den Reihen der Städte und Gemeinden selbst beziehen sich derweil vor allem auf eine bessere finanzielle Grundausstattung – 76 Prozent der befragten Kommunen fordern das. 55 Prozent halten eine Entbürokratisierung von Förderprogrammen für sinnvoll. Für einen geringeren Eigenmittelanteil stimmen 31 Prozent und eine Aufstockung von Förderprogrammen trifft in knapp einer von drei Kommunen auf Zustimmung (29 Prozent).

Ein Viertel der Kommunen errichtete neue Sportanlagen

Trotz der finanziellen Widrigkeiten halten Kommunen aber grundsätzlich am Betrieb ihrer Sportstätten fest. Immerhin 94 Prozent von ihnen waren 2024 im Besitz einer Sporthalle, 92 Prozent verfügten über einen Sportplatz. Etwas mehr als die Hälfte hatte ein Freibad, 46 Prozent betrieben Hallenbäder. Zwei Dritteln der Befragten gaben zudem an, die Anzahl der Sporthallen und Sportplätze in den vergangenen zehn Jahren konstant gehalten zu haben und ein Viertel der Kommunen errichtete neue Sportanlagen.  

„Schwimmbäder bieten nicht nur Menschen aller Altersgruppen und sozialen Schichten ein Angebot zur Bewegung. Sie sind auch soziale Ankerpunkte und unverzichtbare Stätten der Gemeinschaft sowie ein Ort der gelebten Integration“, sagt Jan Pommer. Damit das so bleibt, müssen Bund und Länder in Zukunft stärker an den finanziellen Verteilungsschrauben drehen.

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