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StartSicherheitDer Schutzwall bröckelt

Der Schutzwall bröckelt

Drogen, Zigarettenschmuggel, Produktfälschungen – der Zoll steht vor großen Herausforderungen. Die Aufgaben nehmen zu, während Personal und Ausstattung weiter knapp bleiben. Ein Lichtblick ist die Strategie „Zoll 2030“ des Bundesfinanzministeriums, doch weitere Stellschrauben müssen folgen.

2024 zog die Behörde 32 Tonnen Betäubungsmittel – darunter 16 Tonnen Kokain – sowie fünf Millionen Fälschungen aus dem Verkehr. Die aktuelle Jahresbilanz der Generalzolldirektion zeigt: Der Kampf gegen grenzüberschreitende Kriminalität bleibt ein Kraftakt. Allein gegen den Drogenhandel wurden rund 10.000 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Auch der Schmuggel von Zigaretten nimmt spürbar zu: 205 Millionen Stück wurden im vergangenen Jahr beschlagnahmt, ein Anstieg von 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Trend zeigt: Die Aufgaben des Zolls werden nicht weniger, im Gegenteil – sie wachsen.

Ob Partner der Wirtschaft, Einnahmeverwaltung und Teil der deutschen Sicherheitsarchitektur – der Zoll sei all dieses, betonte Dr. Frank Müller, Direktionspräsident der Direktion III (Allgemeines Steuerrecht und Kontrollen) bei der Generalzolldirektion. Er äußerte sich bei einer Veranstaltung des Behörden Spiegel und der Philip Morris GmbH unter dem Titel „Herausforderungen des Zolls 2025+: Zoll stärken, Wirtschaft schützen“ zu den Aufgaben des Zolls. Das breite Aufgabenspektrum verschaffe dem Zoll ein besonderes Profil. Gleichzeitig bedeute es wachsende Anforderungen an Personal und Ausstattung.

Strukturreformen gegen den Aufgabenwust

Mit der Strategie „Zoll 2030“ sollen weitere strukturelle Optimierungen umgesetzt werden, um den bestehenden und künftigen Herausforderungen noch effizienter begegnen zu können. Noch während der vorherigen Regierung wurde diese unter dem damaligen Finanzminister Christian Lindner (FDP) angestoßen. Teil der Strategie ist eine Verschlankung der Generalzolldirektion. Sie soll als Bundesoberbehörde künftig maßgeblich auf die beiden Fachstränge „Wirtschaft und Einnahmen“ sowie „Sicherheit und Vollzug“ ausgerichtet werden. Außerdem plant das Finanzministerium (BMF), dass freie Dienstposten gezielt zur Stärkung der Ortsbehörden eingesetzt werden sollen.

Auch in der Ausbildung sind neue Akzente geplant. Mit einem eigenen Studiengang für den Vollzugsbereich soll die Qualifikation des Personals weiterentwickelt werden. Zusätzlich ist ein neues Lage- und Krisenzentrum vorgesehen, das direkt der Leitung der Generalzolldirektion unterstellt sein soll. Im Zuge der angestrebten Modernisierung des Abfertigungsgeschehens sollen Prozesse weiter automatisiert und örtliche Zollämter zusammengeführt werden. Dabei ist auch eine stärkere internationale Ausrichtung vorgesehen – inklusive eines Benchmarkings für alle zollrelevanten Bereiche mit Adressatenbezug. Die Strategie setzt damit auf Effizienzsteigerung, Bündelung von Zuständigkeiten und gezielte Personalstärkung. Laut BMF sind erste Ergebnisse noch für dieses Jahr vorgesehen. Zuvor muss jedoch die neue Hausleitung der Strategie zustimmen. Im kommenden Monat ist außerdem ein Lenkungsausschuss geplant.

Gemeinsam – national und international

Eine weitere mögliche Entlastung sieht Müller in der fortschreitenden Digitalisierung. Herausfordernd sei dabei die Digitalisierung laufender Prozesse, also „mitten im laufenden Galopp“. Die Digitalisierungsoffensive der Bundesregierung wird durch eine umfassende Digitalstrategie des Zolls unterstützt. Der Zoll sei hier auf gutem Wege. So konnte 2024 die Mehrheit der Anträge digital zur Verfügung gestellt werden – die Digitalkontaktquote stieg um 30 Prozent. Seit Oktober 2024 testet der Zoll zudem eine Künstliche Intelligenz (KI)-Plattform mit dem Namen Zoll GPT – „als digitaler Assistent für die Beschäftigten“. Diese soll Mitarbeitende im Arbeitsalltag unterstützen. Müller stellte jedoch klar: „KI wird nicht alles übernehmen können.“

Auch Ingo Vogel (SPD), Mitglied des Finanzausschusses im Bundestag und Polizist, dämpfte überhöhte Erwartungen an die Digitalisierung: „Digitalisierung allein spart nicht eine Stelle“ Vielmehr verlagerten sich die Aufgaben: Digitale Werkzeuge könnten zwar Verwaltungstätigkeiten erleichtern, den personellen Bedarf jedoch nicht ersetzen. Die Digitalisierung sei ein Baustein von vielen, um den Zoll zukunftsfest zu machen. Ein weiterer zentraler Punkt: Zusammenarbeit – sowohl national als auch international.

Für Sicherheitsbehördenübergreifende Kooperation benötigt es laut Vogel mehr Aufklärungsarbeit bei den anderen Sicherheitsbehörden. „Mit dem Blick aus dem Alltag einer Länderpolizei: Kontrolliert man eine Person, die ein Päckchen Zigaretten dabeihat, ohne Steuerbanderole, wird dies schmunzelnd als Beiwerk abgetan“, monierte Vogel. Hier gebe es keinen Austausch mit oder einen Hinweis an den Zoll. „Es geht nicht um das Päckchen an sich. Aber das sind keine Relikte, die im Verborgenen allein stattfinden. Die Millionen Zigaretten müssen schließlich irgendwo an den Mann oder die Frau kommen.“ Somit brauche es mehr Fokus auf dieses Thema. Es müsse ins Bewusstsein der Polizistinnen und Polizisten gerückt werden.

Sicherheitsmilliarde für den Zoll

Für eine stärkere Vernetzung international sprach sich Thomas Liebel, Bundesvorsitzender der Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ) aus. „Dazu zählt auch, dass wir stärker auf den Einsatz von Zollverbindungsbeamtinnen und -beamten setzen – nicht nur in der Tabaksteuerkriminalität, sondern insbesondere auf die explosionsartige Entwicklung im Bereich Kokainschmuggel“, so Liebel. Bei Kokain müsse inzwischen über industrielle Hochproduktion auch in Deutschland gesprochen werden. „Wir müssen uns stärker zwischen den Sicherheitsbehörden vernetzten“, unterstrich der BDZ-Bundesvorsitzende.

„Natürlich ist es auch eine personelle Herausforderung. Aber es wäre schon ein wichtiger Schritt getan, wenn der Zoll zusammen mit den anderen Sicherheitsbehörden an das große Datenhaus P20 mit angedockt werden könnte.“ So wäre es möglich gemeinsam entsprechende Bedrohungsanalysen zu erstellen. Neben diesem Wunsch wurde Liebel im Bereich der finanziellen Situation des Zolls noch deutlicher. Eine eigenen Sicherheitsmilliarde für den Zoll benötige es. Schließlich sei der Zoll – den Liebel als Schutzwall in der deutschen Sicherheitsarchitektur bezeichnete – in den letzten Jahren kaputtgespart worden. „Der Schutzwall bröckelt“, so Liebel.

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