Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Dennoch rücken seit einigen Jahren zunehmend extremistische und rassistische Verhaltensweisen von Staatsdienern in den Fokus der Öffentlichkeit. Den Herausforderungen durch Verfassungsfeinde muss sich das Beamtenrecht daher in besonderem Maße stellen.
Die Verfassungstreuepflicht der Beamten zählt zu den sog. hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz (GG). Sie stellt eine verfassungsrechtlich fundierte Grundpflicht eines jeden Beamten dar. Deren Verletzung kann sogar zur Entlassung aus dem Beamtenverhältnis führen. Und in der Tat ist es unmittelbar einleuchtend, dass niemand für einen Staat handeln darf, den er offen bekämpft oder zumindest innerlich ablehnt.
Verfassungsfeind: ab wann?
Darüber, dass sich die Bundesrepublik Deutschland als wehrhafte Demokratie gegen ihre Feinde behaupten muss, besteht deshalb im Grundsatz Konsens. Die Frage lautet nur: Wann genau ist ein Beamter oder ein Bewerber um eine Stelle im Öffentlichen Dienst als Verfassungsfeind anzusehen?
Die Antwort fällt umso schwerer, als die von den Verwaltungsgerichten in den vergangenen Jahren entschiedenen Einzelfälle äußerst vielfältig waren: das Stechen von Tätowierungen mit verfassungsfeindlichen Symbolen, die Mitgliedschaft in Parteien, die von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes oder der Länder zum Teilals gesichert rechtsextremistisch eingestuft werden, rassistische Posts von Polizisten in Messenger-Diensten oder auf Social-Media-Plattformen. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen.
Kritiker oder Feind
Die öffentliche Diskussion darüber lässt gelegentlich eine Erkenntnis vermissen: In einer Demokratie dürfen und sollen sich auch Beamtinnen und Beamte öffentlich äußern oder politisch betätigen. Keinesfalls verzichten Beamte mit ihrer Ernennung auf ihre Grundrechte, wie etwa die Meinungs- oder Versammlungsfreiheit. Nicht jeder Verfassungskritiker darf daher pauschal zum Verfassungsfeind abgestempelt werden.
Was nottut, ist vielmehr eine Besinnung auf die Umstände eines jeden Einzelfalls. Sowohl im Ernennungs- als auch im Disziplinarverfahren steht der Beamte als Individuum auf dem beamtenrechtlichen Prüfstand. Ob ein Staatsdiener charakterlich geeignet ist, weiterhin sein Amt auszuüben, ob ein Beamtenbewerber die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes einzutreten, ist eine ausnahmslos individuell zu beurteilende Frage. Kollektive Zurechnungen hingegen verbieten sich.
Problematische Mitgliedschaften
Die Mitgliedschaft von Beamten in einer verfassungsfeindlichen Partei verdeutlicht diesen Maßstab: Eindeutig mit dem Beamtenstatus unvereinbar ist die Mitgliedschaft in Parteien, die vom Bundesverfassungsgericht nach Art. 21 Abs. 2 und 4 GG verboten worden sind, weil sie „nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden“.
Ebenfalls mit dem Beamtenverhältnis nicht vereinbar ist die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen, aber nicht verbotenen Partei, die nach Art. 21 Abs. 3 und 4 GG von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen ist. In Deutschland ist dies derzeit nur die NPD (jetzt „Die Heimat“).
Komplexer abzuwägen ist jedoch die Mitgliedschaft in einer Partei, die (partiell) verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, über die das Bundesverfassungsgericht aber noch kein Urteil gefällt hat. Die Mitgliedschaft in einer solchen Partei allein rechtfertigt nicht, den Beamten ebenfalls mit dem Verdikt der Verfassungsfeindlichkeit zu belegen. Dies gilt sogar dann, wenn der Verfassungsschutz die Partei als „gesichert extremistisch“ eingestuft hat. Es bestehtkeine Akzessorietät zwischen Verfassungsschutzrecht und Beamtenrecht.
Umgekehrt ist der Dienstherr nicht gezwungen, die Verfassungstreue eines Beamten zu bejahen, weil eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit einer Partei aussteht. Aus dem grundgesetzlichen Parteienprivileg folgt kein Beamtenprivileg. Zwar kann sich die mangelnde Verfassungstreue des Beamten nicht in seiner Parteimitgliedschaft als solcher, sehr wohl aber in seinen Äußerungen und Verhaltensweisen sowie der Art seines Engagements in dieser Partei manifestieren.
Tückenhafte Details
Verfassungsfeinden im Öffentlichen Dienst muss ohne Wenn und Aber entgegengetreten werden. Die Tücke steckt freilich im Detail: Nicht jeder geschmacklose Witz, nicht jede geschmacklose Tätowierung ist gleich Ausdruck einer verfassungsfeindlichen Gesinnung. Denn die große Mehrheit der Beamten von Bund, Ländern und Gemeinden bekennt sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung.
Der Autor des Gastbeitrags ist Prof. Dr. Thomas Sauerland, Studiendekan des Masterstudiengangs „Master of Public Administration“ an der Hochschule des Bundes in Brühl.