Der Digital Services Act (DSA) soll das Internet für seine Nutzerinnen und Nutzer sicherer machen. Seit rund einem Jahr kümmert sich der Digital Services Coordinator (DSC) in der Bundesnetzagentur (BNetzA) um die Umsetzung der EU-Verordnung in Deutschland. Sein erster Tätigkeitsbericht beschreibt den langsamen Start von Beschwerden und Verfahren. Doch um richtig effektiv zu werden, braucht es Beobachtern zufolge mehr Personal in der Koordinierungsstelle.
„Sie können uns helfen, gegen Plattformen vorzugehen, die in der Beschwerdefunktion nicht auf Ihre Hinweise reagieren“, sagt BNetzA-Präsident Klaus Müller in einem Video auf der Webseite des DSC. Zu dem Zeitpunkt der Aufnahme war er noch der kommissarische Leiter der Stelle, die 2024 eingerichtet wurde und seitdem Schritt für Schritt aufgebaut wird. Im vergangenen Juli übernahm Johannes Heidelberger dann die Leitung. Wer online also auf einen illegalen Inhalt stößt, etwa die Darstellung von Krieg oder das Angebot von Fake-Produkten, sollte ihn erst bei der Plattform selbst melden. Wenn diese nicht handelt, können Nutzende den Weg über die BNetzA gehen. Das gilt ebenso für andere Probleme mit Online-Werbung oder der manipulativen Aufmachung eines Dienstes.
Die Beschwerden können auf der Seite des DSC über ein dafür entwickeltes Formular eingereicht werden. Anschließend werden sie durch den DSC sowie gegebenenfalls andere Behörden geprüft. Falls ein Verstoß festgestellt wird, können die Behörden ein Verwaltungsverfahren oder ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einleiten und die Zahlung von Strafgeldern verhängen: je nach Verfahren bis zu fünf Prozent des durchschnittlichen weltweiten Tagesumsatzes oder bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes bei einem besonders schweren Tatbestand. Bei einem Konzern wie Meta entspräche dies aktuell einem maximalen Strafbetrag von 9,8 Milliarden US-Dollar.
Im August veröffentlichte der DSC seinen ersten Tätigkeitsbericht. Demnach gingen 2024 über das Portal 884 Beschwerden zu möglichen Verstößen ein, davon hatten 824 tatsächlich Bezug zum DSA. Parallel dazu gingen 336 weitere Beschwerden per Fax, E-Mail oder Brief ein. Dabei handelte es sich aber „nur teilweise“ um DSA-Beschwerden und die Behörde verwies auf das Online-Portal.
Fehlende Schnittstelle
Von den eingegangenen Beschwerden wurden 87 an die DSCs anderer EU-Staaten weitergeleitet, weil diese für die betroffenen Anbieter zuständig sind. Nach Irland, wo die meisten großen Technologieunternehmen ihren europäischen Sitz haben, ging mit 83 der Großteil der Beschwerden. Umgekehrt erhielt der deutsche DSC sieben Beschwerden aus dem europäischen Ausland. Die Übermittlung von Beschwerden läuft über das Austauschsystem AGORA der EU-Kommission. Hier können die Beschwerden jedoch derzeit nur manuell eingepflegt werden, „da keine technische Schnittstelle existiert“, wie aus dem Jahresbericht des DSC hervorgeht. Zudem müssen die Beschwerden ins Englische übersetzt werden. Gegenwärtig würden die IT-Prozesse „weiter vervollständigt und verbessert“.
Als Reaktion auf festgestellte Verstöße leitete der DSC im Jahr 2024 vier Verwaltungsverfahren ein. Eines davon wurde eingestellt, nachdem der betroffene Anbieter seinen Dienst DSA-konform ausgestaltete. Die Ermittlungen behandelten die richtige Funktionsweise des Melde- und Abhilfeverfahrens, die Begründung von Maßnahmen gegenüber Nutzenden (z. B. Löschen von Beiträgen) und die Einrichtung eines internen Beschwerdemanagements. Um welchen Anbieter es ging, kann die BNetzA nicht offenlegen. Auch in den anderen drei Verfahren, die noch laufen, werden diese Pflichten thematisiert. Hinzu kommt in einem Fall die fehlende Benennung eines gesetzlichen Vertreters innerhalb der Europäischen Union. 2024 wurden noch keine Zwangsgelder verhängt oder Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet. Daneben übermittelte der DSC Erfahrungen und Erkenntnisse aus Deutschland zur Unterstützung der sieben Verfahren, die die EU-Kommission 2024 eröffnete, da diese für die sehr großen Online-Plattformen zuständig ist: drei zu TikTok, zwei zu Meta (Facebook/Instagram) und je eins zu AliExpress und Temu.
Unterbesetzt
Zum Stichtag 31. Dezember 2024 waren 20 Personen beim DSC beschäftigt. Aktuell sind es 24 und sechs weitere Personen können kurzfristig eingestellt bzw. umgesetzt werden, teilt die BNetzA auf Anfrage mit. Der Entwurf des Haushalts 2025 sieht knapp 48 Planstellen für die Aufgaben des DSC vor. Für zehn davon besteht derzeit jedoch keine Finanzierung. Eine Ausstattung dieser Stellen sei erst für den Haushalt 2026 vorgesehen, so der Bericht. Damit bleiben erst einmal 38 Stellen. Ursprünglich war der Bedarf sehr viel höher geschätzt worden: So rechnete das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG), welches den DSA national umsetzt, mit rund 91 Stellen: 70,6 für Fachaufgaben und 21 für Querschnittsbereiche wie Personal oder IT. Der Beirat des DSC, bestehend aus 16 Mitgliedern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, kritisiert in seinem im Sommer veröffentlichten Jahresbericht, dass die personelle Ausstattung der Koordinierungsstelle hinter den gesetzlichen Vorgaben zurückbleibe und der DSC aus diesem Grund „limitiert“ sei.
Auch der eco Verband forderte jüngst, die Bundesregierung müsse die Bundesnetzagentur personell so ausstatten, „dass sie ihre Aufgaben im Rahmen des DSA wirksam erfüllen kann“. Die schleppende Besetzung erklärt sich der Verband mit den haushaltsrechtlichen Restriktionen sowie mit den Schwierigkeiten der öffentlichen Hand, hochspezialisiertes Personal in einem stark nachgefragten Digitalbereich zu gewinnen. Alexandra Koch-Skiba, Leiterin der eco Beschwerdestelle, merkt darüber hinaus an, dass ab Ende 2025 durch das Gesetz über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung (PWG) weitere Aufgaben auf den DSC zukommen sollen, für welche zusätzliche 17,6 Planstellen vorgesehen seien. „Vor diesem Hintergrund halten wir eine Personalausstattung in der Größenordnung von rund 90 Stellen und mehr für erforderlich“, sagt Koch-Skiba.
Etwas mehr Geld
Die jährlichen Sachkosten des DSC betragen laut DDG 1,7 Millionen Euro. 2024 wurden sie über den Haushalt der BNetzA bereitgestellt. Noch wurden die Mittel laut dem Bericht aber „nur teilweise“ in Anspruch genommen. Erst als das DDG im Mai 2024 in Kraft trat, konnten „verschiedene Beschaffungsverfahren“ eingeleitet werden, „sodass die tatsächliche Inanspruchnahme der Finanzmittel zeitverzögert erfolgen wird“. Der Haushaltsentwurf 2026 plant aber immerhin mit knapp 1,9 Millionen Euro für die BNetzA zur Erfüllung der DDG-Aufgaben.
Neben der BNetzA setzen drei weitere Behörden Teile des DSA um: Die Bundesdatenschutzbeauftragte (BfDI), die Landesmedienanstalten sowie die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzkJ). Bei Letzterer wurde zur Wahrnehmung der neuen Aufgaben ein unabhängiger Teilbereich eingerichtet: In der Stelle zur Durchsetzung von Kinderrechten in digitalen Diensten (KidD) sind derzeit acht Person beschäftigt. Für 2025 und 2026 sind im Haushalt je 100.000 Euro für die KidD festgesetzt. Die BfDI sollte eigentlich laut DDG fünf zusätzliche Stellen erhalten – tatsächlich wurden diese aber nicht eingerichtet, da der Haushalt die Stellen noch nicht abbilde, so die Behörde selbst. Stattdessen wurde die Aufgabe mit den „bestehenden Personalressourcen“ wahrgenommen. Bisher gingen jedoch ohnehin keine Beschwerden bei der BfDI zu ihrem Bereich – den Werbeverboten – ein. Dementsprechend stellte die Behörde bisher noch keine Verstöße fest. Das gleiche gilt für die Landesmedienanstalten, die ebenfalls keine neuen Ressourcen erhielten. Die KidD hingegen stellte im vergangenen Jahr 22 Verstöße fest, leitete aber keine Verfahren ein.
Vier Trusted Flagger
Als weitere Aufgabe zertifizierte der DSC 2024 die erste außergerichtliche Streitbeilegungsstelle und den ersten Trusted Flagger. Im Juni 2025 erhielten drei weitere Organisationen den Status als „vertrauenswürdiger Hinweisgeber“. Deren Meldungen zu möglichen DSA-Verstößen werden priorisiert bearbeitet. Es gelte jedoch keine Richtigkeitsvermutung oder Verpflichtung zur Löschung, stellt der DSC klar. Nur die Plattformen selbst könnten die Entfernung von rechtswidrigen Inhalten anordnen. Was dabei als rechtswidrig gilt, entscheidet nicht der DSC, sondern – wie es der Name schon andeutet – das geltende Recht.





