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StartRechtRückzahlungsvereinbarung mit unangemessener Bindungsdauer

Rückzahlungsvereinbarung mit unangemessener Bindungsdauer

Erneut befasste sich ein Landesarbeitsgericht mit der Frage der Wirksamkeit von Rückzahlungsvereinbarungen im Zusammenhang mit arbeitgeberfinazierten Fortbildungsmaßnahmen. Im Mittelpunkt stand dieses Mal die Angemessenheit einer vertraglich festgelegten Bindungsdauer, die eine Arbeitnehmerin im Gegenzug zur Finanzierung ihres Masterstudiums über einen Zeitraum von fünf Jahren an ihren Arbeitgeber binden sollte.

Sachverhalt

Das klagende Land begehrte als Arbeitgeberin die Rückzahlung von Fortbildungskosten, die es für die beklagte Arbeitnehmerin übernommen hatte. Die Beklagte stand in einem Arbeitsverhältnis mit einer Universität, dessen Träger das klagende Land ist, und absolvierte währenddessen einen berufsbegleitenden Master-Studiengang mit einer Regelstudienzeit von vier Semestern.

Im Jahr 2018 schlossen die Parteien ergänzend zum Arbeitsvertrag einen Fortbildungsvertrag, in dem das klagende Land sich verpflichtete, die anfallenden Studienbeiträge in Höhe von insgesamt EUR 14.280,00 zu übernehmen und die Beklagte für die Teilnahme an Studienveranstaltungen von der Arbeit freizustellen. Der Vertrag enthielt eine Rückzahlungsklausel, welche die Beklagte zu der Rückzahlung der übernommenen Studiengebühren verpflichtete, sollte sie aus von ihr zu vertretenden Gründen innerhalb von fünf Jahren nach Abschluss des Studiums aus dem Dienst der Universität ausscheiden. Die Höhe der Rückzahlung war gestaffelt; im Fall eines Ausscheidens innerhalb des ersten Jahres nach Studienabschluss sollte die Rückzahlung 100 % der Kosten betragen. Zum Zwecke der Fortbildung wurde die Beklagte in der darauffolgenden Zeit insgesamt 50 Tage von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung bezahlt freigestellt.

Die Beklagte kündigte innerhalb des ersten Jahres nach Abschluss des Studiums ihr Arbeitsverhältnis. Das Land erhob daraufhin Klage auf Rückzahlung der Studiengebühren.

Die Entscheidung des LAG Niedersachsen

Auf die Berufung der Beklagten wies das LAG Niedersachsen (Urteil vom 5. Juni 2024 – 8 Sa 562/23) die Klage des Landes ab. Das Gericht der zweiten Instanz entschied, dass der Klägerin kein Anspruch auf Rückzahlung der finanzierten Studienbeiträge zustehe. Anders als das Arbeitsgericht Hannover, kam das LAG zu dem Ergebnis, dass die in der Rückzahlungsvereinbarung vorgesehene Bindungsdauer von fünf Jahren eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB darstelle. Aufgrund des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion aus § 306 BGB sei daher die gesamte Klausel unzulässig.

Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Klausel befasste sich das LAG außerdem mit der Einordnung als Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB). Im Ergebnis sei der zwischen den Parteien geschlossene Fortbildungsvertrag als AGB im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB zu qualifizieren. Dem spreche das Vorliegen eines bloß übereinstimmenden Verständnisses über den Inhalt der Vertragsbedingungen nicht entgegen. Ein solches reiche nicht aus, um anzunehmen, dass es sich um individuell ausgehandelte Vertragsbedingungen handele, die einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB nicht unterlägen. Für die Annahme einer Individualvereinbarung sei vielmehr erforderlich, dass dem Vertragspartner eine tatsächliche Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Vertragsbedingungen eingeräumt wurde. Ohne eine solche Möglichkeit könne auch bei nur einmaliger Verwendung des Vertrags der Charakter als AGB nicht verneint werden. Im vorliegenden Fall lehnte das LAG eine solche Einflussmöglichkeit der Beklagten ab und ordnete den Fortbildungsvertrag als AGB ein. Im Rahmen der daraus resultierenden Inhaltskontrolle gelangte das Gericht zu dem Ergebnis, dass die gesamte Vereinbarung unwirksam sei.

Die Einschätzung des Gerichts stützte sich auf den Vergleich zwischen der Dauer der Fortbildung und der Bindungsfrist. Das LAG nahm hierbei Bezug auf die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung des BAG zu der Dauer von Bindungsklauseln. Demnach sei bei einer Fortbildungsdauer von bis zu zwei Monaten eine einjährige Bindung angemessen (BAG, Urteil vom 15. Dezember 1993 – 5 AZR 279/92). Zwar könnte von diesem Grundsatz im Einzelfall abgewichen und bei kürzerer Dauer der Fortbildung eine längere Bindung gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber erhebliche Mittel aufwende und die Fortbildung dem Arbeitnehmer besondere Vorteile erbringe. Im vorliegenden Fall sei jedoch, selbst unter Berücksichtigung der konkreten Umstände – insbesondere der Höhe der vom klagenden Land getragenen Kosten und der Vorteile für die Beklagte –, die vereinbarte Bindungsfrist im Verhältnis zur tatsächlichen Fortbildungsdauer von insgesamt 50 Tagen, während derer die Beklagte freigestellt wurde, deutlich überzogen. Das Gericht erachtete eine Bindungsdauer von lediglich zwei Jahren als angemessen. Es ließ dabei offen, ob alternativ auch eine Bindungsdauer von drei Jahren, unter Berücksichtigung der Werthaltigkeit der von der Beklagten erworbenen Masterqualifikation, als vertretbar hätte angesehen werden können. Eine Bindungsdauer von fünf Jahren bewertete das Gericht jedoch in diesem Zusammenhang als eindeutig überzogen.

Praxishinweise

Wieder einmal entschied ein LAG über die Unangemessenheit einer Rückzahlungsvereinbarung. Das Ergebnis macht deutlich, dass Arbeitgeber gut beraten sind, sich vor der Vereinbarung solcher Klauseln sorgfältig mit deren Formulierung und den zugrunde liegenden Bedingungen auseinanderzusetzen. Andernfalls laufen sie Gefahr, im Falle der Unwirksamkeit der Klausel bei einem vorzeitigen Ausscheiden des Arbeitnehmers nicht nur eine qualifizierte Arbeitskraft zu verlieren, sondern auch die getätigten Investitionen nicht zurückzuerhalten.

Als Grundsatz für die Bemessung der angemessenen Bindungsdauer orientieren sich die Landesarbeitsgerichte vornehmlich an der bisherigen Rechtsprechung des BAG. Dazu gilt im Einzelnen:

  • Beträgt die Dauer der freigestellten Fortbildungszeiten bis zu einem Monat, so könne höchstens eine sechsmonatige Bindung angemessen sein (BAG, 5. Dezember 2002 – 6 AZR 539/01);
  • bei der Freistellung von bis zu zwei Monaten eine einjährige Bindung (BAG, 14. Dezember 1993 – 5 AZR 279/93);
  • bei der Freistellung von drei bis vier Monaten eine zweijährige Bindungsfrist (BAG, 6. Setember 1995 – 5 AZR 241/94)
  • und bei der freigestellten Fortbildungszeit von einem Jahr sei im Regelfall keine längere Bindung als drei Jahre angemessen (BAG, 1. April 1984 – 5 AZR 430/82).

Darüber hinaus ist neben der Dauer von Bindungsklauseln auch die Formulierung der Rückzahlungsbedingungen zu beachten. Die Rückzahlungspflicht darf nicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung geknüpft sein. Es muss innerhalb der Klausel differenziert werden: Die Rückzahlung soll nur dann gefordert werden können, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund von Umständen endet, die in den alleinigen Risiko- und Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers fallen. Hierunter fällt zum Beispiel nicht die unverschuldeter dauerhafter Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers (so auch das BAG, Urteil vom 1. März 2022 – 9 AZR 260/21).

Dementsprechend verdeutlicht das Urteil des LAG erneut, wie entscheidend eine sorgfältige und präzise Formulierung von Rückzahlungsvereinbarungen ist. Arbeitgeber sollten lediglich in klar begründeten Einzelfällen von den genannten Grundsätzen zur Bindungsdauer des BAG abweichen und sicherstellen, dass etwaige Abweichungen vor Gericht nachvollziehbar dargelegt werden können, um das Risiko einer Unwirksamkeit der Klausel und finanzieller Verluste zu vermeiden.

Der Autor des Gastbeitrags ist Dr. Björn Braun von der Küttner Rechtsanwälte Partnergesellschaft.

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