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ELSTER, yeah – digitale Identität, buuh

Drei von vier Deutschen machen ihre Einkommenssteuererklärung online, doch nur jede Zehnte nutzt die digitale Identität (eID). Diese Zahlen stammen aus dem eGovernment Monitor 2022, in dem der Fortschritt der Verwaltungsdigitalisierung gemessen wird. Die Frage, was diese Zahlen bedeuten, scheidet die Geister.

Die Probandinnen und Probanden der Studie wurden befragt, wie sie E-Government-Dienste nutzen, welche sie kennen und wie zufrieden sie mit diesen sind. Heraus kam, dass gerade die Steuererklärung und Terminvereinbarung mit Behörden digital erledigt werden. Dahingegen haben zwar 40 Prozent der Bürgerinnen und Bürger einen Personalausweis mit eID-Funktion, aber nur jede Zehnte nutzt diese auch. Schon in den Vorworten sind sich die Initiatoren der Studie und die Schirmherrin uneins, was diese Zahlen bedeuten.

Der eGovernment Monitor wird einmal im Jahr erhoben. Auftraggeberin ist die Initiative D21 e.V sowie die Technische Universität München. Der gemeinnützige Verein Initiative D21 ist eine Partnerschaft aus Wirtschaft und Politik. Er will die Digitalisierung in Deutschland befördern. Schirmherrin des Monitor 2022 ist das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) und dessen Ministerin Nancy Faeser (SPD). Befragt wurden über 8.000 Privatpersonen in Deutschland, sowie jeweils über 1.000 Bürgerinnen und Bürger Österreichs und der Schweiz.

Streit im Vorwort

Die Bundesinnenministerin freut sich in ihrem Grußwort, dass die meisten ihre Einkommenssteuererklärung bei ELSTER – also digital – abgeben. „Das lässt erkennen: gut konzipierte Lösungen kommen in der Bevölkerung an und werden intensiv genutzt – selbst wenn es dabei um komplexe Vorgänge und sensible Daten geht“, folgert Faeser.

Dagegen schreiben Prof. Dr. Helmut Krcmar von der TU München und Hannes Schwaderer, der Präsident der Initiative D21 e.V. im Studienvorwort: „Ein Produkt anzubieten, welches niemand nutzt, ist kein Erfolg.“ Manche Verwaltungsleistungen würden nie digital abgerufen – entweder, weil die Bürgerinnen sie nicht kennen oder weil sie nicht wollen. Die Studie führt dafür den Begriff der „digitalen Nutzungslücke“ ein.

Werbung oder Zwang?

„Ich war sehr überrascht, wie viele Bürgerinnen und Bürger das Elster-Verfahren irgendwie dufte finden.“ Dr. Jens Zimmermann (SPD) lächelt. Der digitalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion betont die Erfolge der Verwaltungsdigitalisierung. Um die Lücken zu schließen, sieht er die Kommunen in der Pflicht: „Ich bin dafür die Kommunen per Gesetz zu zwingen: es muss eine Identifikation über eID geben.“

Aus der Opposition kommt Zustimmung. Gerade für kleine Kommunen gebe es wenig Gründe, ihre Verwaltung zu digitalisieren, sagt Anke Domscheit-Berg. Solange es keinen gesetzlichen Zwang und Sanktionen gebe, würde sich dort wenig bewegen. Für die eID habe die Bundesregierung dagegen viel zu wenig Werbung gemacht. Die meisten Bürger wüssten nicht einmal, welche Funktionen sie mit dem elektronischen Ausweis wahrnehmen könnten.

Registermodernisierung

Die Verwaltung selbst sieht noch andere Probleme. Gesellschaft, Politik und Verwaltung bräuchten ein anderes Verständnis von Daten, erklärt Dr. Markus Richter. „Bei uns habe ich manchmal das Gefühl wir sind ein bißchen ängstlich“, sagt der CIO des Bundes und parlamentarische Staatssekretär im BMI über die deutsche Datenschutzmentalität. Er wirbt für die Registermodernisierung. „Die Daten sollen da bleiben, wo sie sind. Sie sollen nur miteinander sprechen dürfen.“ Diese Registermodernisierung sei notwendig für eine erfolgreiche Digitalisierung.

Harte Worte

Aus der operativen Ebene kommen harte Worte. „Die Wahrheit ist, dass die wenigsten realisierten Online-Angebote wirtschaftlich sind“, stellt Dr. Martin Hagen fest. Der Staatsrat im Bremischen Finanzressort weiß, wovon er spricht. Sein Leuchtturmprojekt „Einfach Leistungen für Eltern“ (ELFE) gibt Eltern die Möglichkeit mit einem einzigen Antrag die Geburt ihres Kindes beim Standesamt zu melden und zugleich Elterngeld zu beantragen. ELFE wurde achtmal abgefragt. „Über 315 Verwaltungsleistungen sind digitalisiert“, fasst Hagen zusammen. „Über 100 davon nutzt niemand.“

„Die nutzerfreundlichsten Verfahren sind die, die es gar nicht mehr gibt“, stimmt Ernst Bürger, Abteilungsleiter im BMI, zu. Halb im Scherz, halb ernst. „Brauchen wir wirklich einen Leichenpass und müssen wir den auch noch digitalisieren?“ Bürger setzt sich für mehr Plattformen und vollautomatisierte Verfahren ein. Aber dann sagt er noch: „Am Ende des Tages werden wir in Deutschland über Geschäftsmodelle reden müssen.“

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