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StartDigitalesDer Gebraucht-Software-Markt - Vorkehrungen gegen Kriminelle

Der Gebraucht-Software-Markt – Vorkehrungen gegen Kriminelle

Viele hunderte Millionen Euro im Jahr verdient ein einziger Software-Hersteller seit Jahrzehnten mit der Lieferung von Standard-Software-Lizenzen an deutsche Behörden. Der Markt für Microsoft-Lizenzen ist nicht zuletzt aufgrund von verschiedenen Herausforderungen wie Sorge um den Datenschutz, Wettbewerbsrecht, Digitale Souveränität und IT-Sicherheit Gegenstand einer stetigen Diskussion. Der diplomierte Volkswirt Andreas E. Thyen beriet bereits Ende der 90er-Jahre als Managementberater die öffentliche Hand und gilt als Mitbegründer des Software-Gebraucht-Handels. Thyen ist mit fast 140 Veröffentlichungen ein Sprachrohr der Branche und Vordenker pragmatischer Lösungen für die sichere Umsetzung gesetzlicher Regelungen. Im Interview erklärt er, was Behörden tun können, um spezifische Vorkehrungen gegenüber kriminellen Strukturen im Gebrauchtmarkt zu treffen.

Missbrauchen Akteure neuerdings den freien Gebrauchtmarkt mit Software?

Andreas E. Thyen: Ja, bedauerlicherweise nutzen einzelne Akteure seit einiger Zeit verstärkt den freien Markt für unseriöse Machenschaften aus – und das vor allem im behördlichen Sektor. Zum einen sind dies die unzähligen sogenannten Key-Reseller, die im Internet mit hanebüchenen Preisen und falschen Informationen werben. Zum anderen gibt es eine Reihe von Händlern, die dieses „Klein-Klein-Geschäftsmodell“ weitgehend hinter sich gelassen haben und im Grunde dasselbe falsche Spiel mit Behörden treiben, auch bei Ausschreibungen.

Welche Umstände nutzen Kriminelle in diesem Markt aus?

Thyen: Es existieren die von der Rechtsprechung aufgestellten zwingenden grundsätzlichen Erfordernisse für den Handel mit gebrauchten Software-Lizenzen. Im Rahmen dessen gibt es einen im Grundsatz freiheitlichen Markt und einen Gestaltungsspielraum für die Praxis. Bei immateriellen Rechtsgütern wie Software-Lizenzen sind deren Bestehen, Veräußerbarkeit und Berechtigung allerdings schwerer zu erkennen als bei üblichen Gegenständen.

Auch eine sog. Offenlegung der Rechtekette hilft nicht. Zwar könnte die jeweilige vermutliche Einkaufsquelle sowie deren etwaige Vorgänger-Partei verifiziert werden. Jedoch stünde auch dann nur fest, dass jeweils zwei Parteien eine entsprechende Vereinbarung geschlossen haben. Dass jede Partei dieselben Lizenzen mehrfach „verkauft“, der Vertrag rückabgewickelt wurde oder Dokumente verändert wurden, ist nicht ausgeschlossen.Somit helfen beliebig vervielfältigbare Dokumente in diesem Kontext nicht. Folglich gibt es keine einfache Lösung, Missbrauch zu verhindern.

Welche Anzeichen für unseriöse Händler können Sie ausmachen?

Thyen: Neben einigen „geschmückten Shops“ im Internet sind die unseriösen Anbieter z. B. auch kleine Systemhäuser für PC-Hardware. Sie werben weder mit gebrauchter Software noch haben sie ihren Geschäftszweck entsprechend formuliert. Wie diese Händler ohne echte Expertise im Enterprise-Umfeld an eine derartige Menge von Gebraucht-Software gekommen sein sollen, wirft Bedenken auf. Entweder handeln diese Unternehmen bewusst „heiße Luft“ oder sie sind beim Ankauf ignorant und operieren damit grob fahrlässig. Nicht selten geht es um ausgeschriebene Produkte der neuesten Generation und das gleichzeitig in hoher Stückzahl. Wenn dann auch noch allein der günstigste Preis ausschlaggebend ist – wie bei Ausschreibungen üblich – sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass echte Ware angeboten wird, erneut.

Warum?

Thyen: Seit Anbeginn des Marktes liegt im Ankauf die Kunst! Gerade kleine und unbekannte Anbieter dürften diese aktuellen Lizenzen kaum von den entsprechend großen Konzernen mit den regelmäßig umfangreichen Enterprise-Verträgen angeboten erhalten oder hier finanziell mitbieten können. Der Ankaufsprozess bei Konzernen ist zudem sehr aufwendig und mit hohem persönlichem Engagement verbunden. Außerdem wird vom Verkäufer auf die Reputation der potenziell ankaufende Händler genau geachtet. Dieser wird zudem zur Vertraulichkeit verpflichtet.

Während es in der Privat­wirtschaft ein unbekannter Akteur als Händler im Volumenlizenzumfeld üblicherweise sehr schwer hat, weil in Gesprächen eine entsprechend vorhandene oder fehlende Expertise erkennbar wird, stellt es sich im behördlichen Sektor schwieriger dar. Dort verhindert das formalisierte Vergaberecht regelmäßig solche Möglichkeiten.

Seit einiger Zeit gibt es in verschiedenen europäischen Ländern Händler, die wissentlich oder blauäugig in einem dubiosen Netzwerk agieren. Wer hier involviert ist und wer welche Rolle spielt, ist noch nicht ganz klar. Es liegt nahe, dass hinter den Akteuren dieselben Strippenzieher stecken. Von den seriösen Händlern werden stets die gleichen Namen geraunt.

Da werden aus alten Vorratsgesellschaften plötzlich „jahrelange Markt-Player“, die keiner kennt. Nicht selten finden sich oft wechselnde Geschäftsführungen, Tätigkeiten bei gleich mehreren Händlern sowie ähnliche Webauftritte. Hinzu kommen schlicht falsche oder irreführende Aussagen wie das Anbieten einer EU-Konformitätserklärung und vom Wettbewerb abgekupferte Informationen. Nicht zuletzt wurden Testkäufe durchgeführt, die tief blicken lassen.

Was können Behörden dagegen unternehmen?

Thyen: Die Behörden haben die Chance, das Juwel „Gebraucht-Software-Markt“ zu schützen und damit maßgeblich für europäische Grundfreiheiten einzustehen. Dafür gilt es, offen zu sein für Gespräche mit Experten des Marktes. Es fängt also damit an, sich noch intensiver dem Gebrauchtmarkt zu öffnen, haushalts- und vergaberechtskonform zu beschaffen und nicht in die x-te Verlängerung eines Abos zu investieren. Bis heute ist es teilweise üblich, vergaberechtlich aber mindestens bedenklich, mit Herstellern über geplante Ausschreibungen zu sprechen und diese danach auszurichten.

Der Gebraucht-Software-Markt ist dagegen Ausdruck des vergaberechtlich gewünschten freien Wettbewerbs und grundsätzlich unabhängig vom unmittelbaren Einfluss des Herstellers. Ein aktiver Austausch mit den seriösen Gebrauchthändlern könnte daher nicht nur deutlich mehr Sparpotenziale bei den Behörden heben, sondern dabei auch die Vor- und Nachteile verschiedener Beschaffungswege und -praktiken legaler Gebraucht-Software aufzeigen.

So sollten Behörden vor allem bei größeren Beschaffungen geforderte Mindest-Teilnahmebedingungen nicht nur verlangen, sondern auch überprüfen. Ich bin mir sicher, dass die wenigsten Betrüger z. B. in den Besitz eines Zertifikates zur Präqualifizierung gelangen können. Im Hinblick auf Garantie- und Freistellungserklärungen, die dem Händler in Bezug auf die Einhaltung der Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung mittlerweile obligatorisch abverlangt werden, kann seitens der Vergabestelle z. B. geprüft werden, wer beim Bieter überhaupt zeichnungsberechtigt ist und ob neben einer allgemeinen Haftpflicht auch etwa eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung abgeschlossen wurde. Die Frage der Auskömmlichkeit sollte ebenso ernst genommen werden, wenn nur ein oder zwei Anbieter einen großen Abstand zum weiteren Angebotsfeld belassen.

Zugleich lassen sich zusätzliche freiwillige Nachweise erfragen, die neben dem Preis in eine Bewertungsmatrix einfließen. Hierfür empfehlen wir in Übereinstimmung mit dem Agieren der großen Software-Hersteller die vorgangsbezogene Bestätigung eines Wirtschaftsprüfers. Dadurch kann das Treiben der Betrüger zumindest erschwert werden. Oft ist es die Summe der Indizien, die das Bild verdichtet.

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