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Personalkörper als Ganzes denken

Sabrina Kunz ist Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Rheinland-Pfalz. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel stellt sie Forderungen an den Landesinnenminister und geht auf ihre Agenda ein. Die Fragen stellte Behörden Spiegel-Redakteur Marco Feldmann.

Behörden Spiegel: Frau Kunz, welche Erwartungen und Forderungen haben Sie an den neuen rheinland-pfälzischen Innenminister Michael Ebling (SPD)?

Sabrina Kunz: Wir haben eine sehr hohe Erwartungshaltung an ihn. Denn wir wünschen uns, dass wir es schaffen, mit ihm ein gemeinsames Problemverständnis zu schaffen. Dafür muss er sich uns als GdP gegenüber öffnen. Denn nur so kommen wir gemeinsam zu bestmöglichen Lösungen. Wichtig ist uns auch, mit ihm einmal ganz offen darüber zu reden, wie viel Personal die rheinland-pfälzische Polizei tatsächlich braucht. Denn hier gehen die Meinungen zwischen GdP und Ministerium noch weit auseinander.

Behörden Spiegel: Wie viele zusätzliche Polizistinnen und Polizisten sowie Tarifbeschäftigte und Verwaltungsbeamtinnen und Verwaltungsbeamte bräuchte die Landespolizei denn aus Ihrer Sicht?

Kunz: Auch wir als Gewerkschaft müssen noch stärker lernen, den Personalkörper als Ganzes zu denken und nicht immer nur auf die Zahl der Vollzugskräfte zu schauen. Ich denke, da sind wir in Rheinland-Pfalz schon auf einem guten Weg. Derzeit haben wir rund 14.000 Polizeibeschäftigte, darunter etwa 9.600 Vollzugskräfte. Aus unserer Sicht brauchen wir mindestens 10.000 Vollzugsbeamtinnen und Vollzugsbeamte, die in Vollzeit arbeiten, um die polizeiliche Arbeit flächendeckend gewährleisten zu können. Zudem benötigen wir mindestens 400 weitere Spezialistinnen und Spezialisten, die als zusätzliche Tarifbeschäftigte und Verwaltungsbeamtinnen un Verwaltungsbeamte-innen bei der Landespolizei arbeiten.

Behörden Spiegel: Wie ist die Personal- und Bewerbungslage bei der Landespolizei im Allgemeinen?

Kunz: Auch in Rheinland-Pfalz findet ein Kampf um die besten Köpfe statt. Wir laufen bei der Landespolizei auf einen Fachkräftemangel zu. An der Hochschule der Polizei ist die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber deutlich zurückgegangen. Das gilt insbesondere für die höhere Berufsfachschule. Dieses Angebot richtet sich speziell an Personen, die über einen Mittleren Schulabschluss verfügen und zur Polizei kommen wollen.

Behörden Spiegel: Braucht es aus Ihrer Sicht eine spezialisiertere Ausbildung, u. a. für die Kriminalpolizei?

Kunz: Von einer Y-Ausbildung für die Kriminalpolizei halte ich nichts. Das ist mir zu pauschal formuliert. Wir müssen vielmehr lernen, bestimmte Fachkräfte noch stärker für die Polizei zu gewinnen. Hierfür sollte auch das Beamten- und Dienstrecht flexibilisiert werden, um Spezialistinnen und Spezialisten, wie etwa IT-Kräften, dann eine polizeiliche Zusatzqualifikation zuteilwerden zu lassen oder sie mit ihrer Qualifikation dort zum Einsatz zu bringen, wo sie gebraucht werden. Es braucht insgesamt modernere Instrumente, um Fachkräfte für die Polizei zu gewinnen.

Behörden Spiegel: Wären Speziallaufbahnen für IT-Expertinnen und IT-Experten sinnvoll?

Kunz: Ja, definitiv. In Rheinland-Pfalz existiert so etwas bereits. Ich wünsche mir aber, dass das auf weitere Spezialistinnen und Spezialisten ausgeweitet wird, etwa im Bereich der Wirtschaftskriminalität. Denn so lassen sich diese Personen gut für die Polizeiorganisation gewinnen.

Behörden Spiegel: Welche Veränderungen und Verbesserungen braucht es im Bereich des Dienstunfallrechts?

Kunz: Von Dienstunfällen betroffene Beamtinnen und Beamte müssen alle Kausalitäten nachweisen, damit der Dienstunfall anerkannt wird. Das ist sehr bürokratisch und schwierig und führt oft zu Ablehnungen der Anerkennung als Dienstunfall. Denn Kausalitäten lassen sich nie mit vollständiger Gewissheit beweisen. Hier würden wir uns gewisse Lockerungen wünschen, damit die Anerkennung von Dienstunfällen öfter bejaht und vereinfacht wird.

Behörden Spiegel: Was braucht es noch?

Kunz: Außerdem sollten Beamtinnen und Beamte auf Widerruf, also Anwärterinnen und Anwärter bei der Polizei, dienstunfallrechtlich den Beamtinnen und Beamten auf Probe gleichgestellt werden. Das ist bislang leider noch nicht der Fall. Und schließlich muss die psychotherapeutische Behandlung von Polizistinnen und Polizisten nach belastenden Ereignissen dringend verbessert werden.

Behörden Spiegel: Was wollen Sie als Landesvorsitzende der GdP Rheinland-Pfalz gewerkschaftlich auf Landesebene erreichen?

Kunz: Ich möchte den Inhalt unserer Leitanträge umsetzen. Da geht es u. a. um die Einsetzung eines interdisziplinären Rats von Expertinnen und Experten, der für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kämpft. Hass, Hetze und Gewalt müssen in unserer Gesellschaft dringend bekämpft werden. Außerdem muss die Zahl der Neueinstellungen bei der Landespolizei konstant bei 500 Anwärterinnen und Anwärtern pro Jahr bleiben. Die Landesregierung plant hier eine Verringerung. Das können und wollen wir als GdP nicht mittragen.

Behörden Spiegel: Was fordern Sie noch?

Kunz: Des Weiteren kommt es auf weiterhin attraktive Arbeitsbedingungen bei der Landespolizei Rheinland-Pfalz an. Dazu gehören u. a. eine Absenkung der Wochenarbeitszeit der operativen Kräfte und möglichst flexible Arbeitszeitmodelle. Und wir müssen unsere Fähigkeiten in der Kriminalitätsbekämpfung verbessern, insbesondere im digitalen Raum.

Behörden Spiegel: Und was wollen Sie bei der GdP auf Bundesebene erreichen?

Kunz: Hier würde ich mir wünschen, dass die Bundes-GdP eine gemeinsame politische Vision findet, wie der Polizeiberuf der Zukunft aussieht. Hier bin ich zuversichtlich, dass uns das als Gewerkschaft gelingt. Ob wir aber auch alle politischen Partner, Gegner und Landesregierung überzeugen können, bleibt abzuwarten. Denn da sind noch dicke Bretter zu bohren.

Behörden Spiegel: Wo kann die rheinland-pfälzische Polizei aus Ihrer Sicht entlastet werden?

Kunz: Bei handwerklichen Entlastungen der Polizei mahne ich immer zur Vorsicht. Denn dadurch kommt es oftmals nur kurzzeitig zur Entlastung für die Polizei. In der Regel muss sich die Polizei am Ende aber doch wieder um die jeweilige Aufgabe kümmern, weil die eigentlich Zuständigen z. B. nicht rund um die Uhr erreichbar sind oder nicht über die notwendigen personellen Ressourcen verfügen.

Behörden Spiegel: Können Sie hier ein Beispiel nennen?

Kunz: Das gilt u. a. für das Vorgehen gegen ruhestörenden Lärm. Wenn es hier nicht starke Kommunale Vollzugsdienste gibt, muss sich doch wieder die Polizei darum kümmern. Aus meiner Sicht gibt es mehrere polizeiliche Kernaufgaben, die auch bei ihr bleiben müssen. Dazu zählen die Verkehrssicherheitsarbeit, die Gefahrenabwehr und die Strafverfolgung.

Behörden Spiegel: Wie ist es um die Krisen- und Katastrophenfestigkeit der rheinland-pfälzischen Polizei bestellt?

Kunz: Hier sind wir nach den Erfahrungen im Umgang mit der Naturkatastrophe auf einem guten Weg. Probleme gibt es aber noch mit Blick auf mobile Dienststellen, wenn die stationären Dienststellen aufgrund von Naturkatastrophen oder Großschadenslagen sehr schnell nicht mehr zur Verfügung stehen. Deshalb fordern wir als GdP in Rheinland-Pfalz die Beschaffung mobiler Dienststellen, die sich ad-hoc und zügig aufbauen lassen. Das kann z. B. eine Container-Lösung sein. Außerdem benötigen wir innerhalb der Polizei ein sensibleres Gefahren- und Risikobewusstsein und zu guter Letzt müssen wir als Teil der Kritischen Infrastruktur in allen Fällen rund um die Uhr und immer voll funktions- und einsatzfähig sein; auch im Kontext einer Ressourcenmangellage.

Behörden Spiegel: Wie stehen Sie zum Einsatz von Bodycams?

Kunz: Die Ausstattung der rheinland-pfälzischen Polizei ist quantitativ sehr gut. Das gilt auch im bundesweiten Vergleich. Qualitativ sieht es anders aus. So haben wir etwa bei den Körperkameras derzeit eine hohe Ausfallquote. Das ärgert uns genauso wie die Tatsache, dass die Bodycams in Rheinland-Pfalz noch nicht in Wohnungen eingesetzt werden dürfen. Das ist bei uns rechtlich noch nicht statthaft, sollte aber erlaubt werden. Denn bei Einsätzen wegen häuslicher Gewalt kommt es überproportional häufig zu Angriffen auf Polizeivollzugskräfte.

Behörden Spiegel: Und wie bewerten Sie Distanzelektroimpulsgeräte?

Kunz: Neben der verbalen Kommunikation ist die Personalgröße die wichtigste „Waffe“ der Polizei. Die persönliche Schutzausstattung ist eigentlich nur eine Rückfallebene und das Mittel zum persönlichen Schutz. Wir stellen mit Blick auf die Distanzelektroimpulsgeräte fest, dass die Kolleginnen und Kollegen eher diese nutzen, als mit den Bürgerinnen und Bürgern in eine unmittelbare körperliche Auseinandersetzung zu gehen. Hier müssen wir aufpassen, dass sich diese Entwicklung nicht verstetigt beziehungsweise sich Kolleginnen und Kollegen dann nicht mehr trauen, im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht mehr in die körperliche Auseinandersetzung zu gehen.

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