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StartSicherheitZu wenige Bereitschaftsärzte in Berlin

Zu wenige Bereitschaftsärzte in Berlin

Bereitschaftsärztinnen und Bereitschaftsärzte sind für die Polizeien von großer Bedeutung. Denn nur sie dürfen z. B. Blutabnahmen vornehmen, wenn eine Person alkoholisiert Auto gefahren ist. Gleiches gilt für die Frage nach der Gewahrsamsfähigkeit eines Menschen. Nur die Medizinerinnen und Mediziner legen fest, ob jemand eine Nacht in der Ausnüchterungszelle verbringen kann oder nicht. Wenn es bei dieser medizinischer Ressource zu Engpässen kommt, sind die Probleme groß.

So etwa in Berlin. Nach Informationen des Behörden Spiegel müssen Funkwagenbesatzungen hier teilweise sehr lange vor den Gefangenensammelstellen auf Blutentnahmen oder Untersuchungen warten. Wenn diese überhaupt alle geöffnet sind bzw. ein Arzt oder eine Ärztin vor Ort ist. In der Bundeshauptstadt existieren derzeit fünf Gefangenensammelstellen. Hinzu kommt die Abschiebehafteinrichtung für Gefährderinnen und Gefährder, die laut Polizei ebenfalls zum Referat Gefangenenwesen gehört und von dessen Personal besetzt wird. Auf Anfrage räumt die Polizei Berlin aber ein, dass aus personellen Gründen derzeit nur zwei Schwerpunktgewahrsame sowie die Abschiebehafteinrichtung für Gefährderinnen und Gefährder betrieben werden könnten. Durch personelle Unterstützung aus anderen Gliederungseinheiten solle zeitnah wieder ein weiteres Gewahrsam geöffnet werden. Offen bleibt, woher das erforderliche Personal kommen soll.

Idealerweise sollte in jeder der Gewahrsame zu jeder Tages- und Nachtzeit und an jedem Wochentag ein Mediziner oder eine Medizinerin vor Ort oder schnell abrufbereit sein, in der Regel in Zwölf-Stunden-Schichten. Dies ist laut Gewerkschaften aber keineswegs der Fall. Ein Grund für den Personalmangel, der zudem in den Leitungspositionen der Gefangenensammelstellen besteht, ist nach Gewerkschaftsangaben die nicht lukrative Bezahlung der Medizinerinnen und Mediziner. Diese führt dazu, dass sich kaum noch Ärztinnen und Ärzte zu derartigen Diensten bereiterklären.

Laut Polizei Berlin bestehen momentan mit insgesamt 36 Ärztinnen und Ärzte vertragliche Vereinbarungen über die medizinische Versorgung in den Gewahrsamen. Dabei handelt es sich um Honorarverträge. Die Ärztinnen und Ärzte in den Gewahrsamen sind für die Polizei Berlin als freie Mitarbeitende tätig und werden nach Maßgabe der geschlossenen Honorarverträge vergütet. Die zugewiesenen Ärztinnen und Ärzte würden ihre Tagesdienste im Rahmen einer Rufbereitschaft versehen, heißt es. In den Nachtdiensten versähen sie in den zugewiesenen Gewahrsamen Präsenzdienste. Die Finanzierung der entsprechenden Ausgaben erfolge aus dem Haushalt der Polizei Berlin.

1 Kommentar

  1. Aus Sicht eines früher regelmäßig und nun noch sporadisch an derartigen Aktivitäten (Blutentnahme und ehemals Gewahsamsfähigkeit, letzteres auf keinen Fall mehr!) beteiligten Arztes kann ich das ein wenig relativieren und einige Hintergründe aufzeigen:
    Hier im Norden (Schleswig-Holstein) ist es ein ziemlich selbst gemachtes Problem. In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts gab es zumindest im Kreis SL/FL einen straff durchorganisierten Bereitschaftsdienst (24×7 durchgehend), der nach GOÄ abrechnete, BE und GF machte und eine Vorhaltezeit von max. 30min hatte. Ich weiß es, denn ich war „Gründungsmitglied“ damals. Es entwickelte sich dann eine gewisse „Sparsamkeit“ der Landespolizei, die einen „Rahmenvertrag mit Pauschalen“ mit der Kammer aushandelte, der durch die Pauschalierung deutlich unter dem gesetzlichen Rahmen der GOÄ lag, was 1.) ungesetzlich ist und 2.) bei den weiten Fahrstrecken im Flächenkreis durchschnittlich zu einer Einkommensreduzierung von 30% führte. Sodann kam man auch auf die geniale Idee, dass bei einer negativen Gewahrsamsfähigkeit der Betreffende ja gar nicht in Polizeiobhut genommen sei und man sich die Kosten von diesem Menschen (einem zumeist sehr zahlungsunwilligen Klientel angehörend) selber eintreiben solle… Und als letzter Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, wurde hier im Lande unter Kollegen berichtet, dass im Hamburger Großraum ein ärztlicher Kollege nach dem Tode eines Gewahrsamsfalles verurteilt wurde, weil er eine verklebte Verletzung des behaarten Kopfes übersehen hatte, was bei den Untersuchungsbedingungen in der Zelle (Schummerlicht, Patient am Boden liegend, oftmals „twerig“) jederzeit passieren kann und verständlich ist. Die Haftpflichtbeiträge für eine solche nur gelgentliche Tätigkeit kann und will dann niemand aufbringen. Es gab damals eine gewisse Initiative der Innenminister, sich des Themas Gewahrsams- und Untersuchngsbedingungen und Haftpflicht anzunehmen, die aber sang und klanglos im Sande verreckte…
    Zudem habe ich mindestens ein halbes bis ganzes Dutzend anderer Nachtdienste im Monat, die mit solchen Ansinnen auf BE dann leider kollidieren, sonst würde ich unserer gestressten Polizei hier im Kreis gerne wieder intensiver helfen. Ich kann deren Not zutiefst verstehen und stehe zumindest für BE ja noch auf der Liste der Leitstelle.
    Solange sich aber an den Randbedingungen nichts ändert, wird das Problem als solches bestehen bleiben.

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