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StartVerteidigungKein „mare clausum“ für das russische Imperium

Kein „mare clausum“ für das russische Imperium

Russland schließt das Schwarze Meer und der Westen und die Vereinten Nationen lassen es geschehen. Damit wird auch der politische Zweck der westlichen Staaten beschädigt, für die territoriale Integrität der Ukraine einzutreten und sie wieder herzustellen.

Seit Jahren wird über die Gewährleistung der Freiheit der Meere gesprochen. Am Beispiel der Seestraßen von Malakka oder vor Taiwan wurden und werden immer wieder Feststellungen westlicher Staaten gemacht, die v.a. China davor abschrecken sollen, Einschränkungen der freien Schifffahrt vorzunehmen. Wie passt das zu der Leisetreterei jetzt, wo Russland im Schwarzen Meer seit Kriegsbeginn und nun massiv die zivile Schifffahrt bedroht?

Das Schwarze Meer ist ein internationales Binnenmeer und es steht keinem Anrainer-Staat zu, den Schiffsverkehr zu bedrohen oder anzugreifen. Auch die Ankündigung des Kreml, dass Russland ab 21.07. alle Schiffe mit Ziel Ukraine einseitig zum militärischen Ziel zu erklären, das zerstört werden kann, steht im Gegensatz zu Regeln der Seerechtsabkommen und des Kriegsvölkerrechts. Russlands Drohungen gegen die zivile Schifffahrt im Schwarzen Meer dürfen keinen Erfolg haben. Die VN äußern große Besorgnis wegen der Aufkündigung des Getreideabkommens im Schwarzen Meer. Die VN, EU, NATO und viele Staaten verurteilen Russlands Vorgehen. Das wird und darf nicht reichen gegen die gefährlichen Ankündigungen Russlands.

Die Organisationen und westlichen Staaten mit ihren Partnern hatten über ein Jahr Zeit, sich auf eine russische Weigerung vorzubereiten, dass „sogenannte Getreideabkommen“ fortzusetzen.

Warum gibt es keine vorbereitete Route für die Getreideschiffe durch die Hoheitsgewässer der Anrainerstaaten Rumänien, Bulgarien und Türkei bis zum Bosporus? Die friedliche Durchfahrt fremder Schiffe durch die Küstenmeere darf nicht behindert werden. Droht ein Drittstaat, diese friedliche Durchfahrt zu verhindern ist das eine feindliche Handlung nicht nur gegen das zivile Schiff, das die friedliche Durchfahrt wahrnimmt, sondern auch gegen den Anrainerstaat. Es kommt also darauf an, Russland die Konsequenzen deutlich zu machen. Über eine Woche nach den russischen Drohungen gibt es keine klare Ankündigung und Durchführung präventiver Maßnahmen der VN, EU und NATO, um Russland das eigenmächtige Aufbringen, Angreifen oder gar Zerstören ziviler Schiffe im Schwarzen Meer, aber zumindest in den Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten der EU und der NATO zu verwehren.

Es reicht nicht zu beklagen, dass Russland „Hunger in der Welt als Waffe einsetzt“. Es reicht nicht, andere Transportwege deutlich geringerer Kapazität einzurichten. Auch diese werden von Russland unter Feuer genommen, wie die Angriffe nahe der rumänischen Grenze a vor Augen führen.

Warum lässt sich die Welt Getreidelieferungen der Ukraine durch russische Drohungen verbieten und lässt es bei Klagen und Verurteilungen, wenn weitere Getreidelager und Abfertigungsanlagen zerstört werden? Warum lässt die Welt, die VN, EU und NATO mit Partnern sich vom Aggressor erpressen, um ein Getreideabkommen nach seinem Geschmack herbei zu bomben?

Als internationales Binnenmeer ist das Schwarze Meer ein „mare liberum“. Der Diktator und Imperialist Putin darf keinen Erfolg haben, dieses Meer zu einem russischen „mare clausum“ zu machen. Unter diesem Anspruch gewinnt die erste Sitzung des NATO-Ukraine-Rates auf Botschafterebene, die die Ukraine zur sicheren Fortführung der Getreidelieferungen durch das Schwarze Meer beantragt hat, eine richtungsweisende Bedeutung. Die danach angekündigte Verstärkung der Überwachung und Aufklärung lässt nichts erkennen, was das Risikokalkül Putins wirksam beeinflussen und von Maßnahmen gegen Getreide- oder andere zivile Schiffe abhalten wird. Es bedarf der klaren Ansage möglichst vieler Staaten und Organisationen, die Transporte von ukrainischem Getreide mit Schiffen verschiedener Staaten weiter zu unterstützen, ja zu sichern, nachdem Russland das Abkommen selbstsüchtig verlassen hat. Das ist nicht nur wichtig für die Versorgung, insbesondere des globalen Südens, sondern setzt Russland der Gefahr von wirksamen Gegenmaßnahmen aus falls es Gewalt gegen zivile Schiffe einsetzen wird. Außerdem hätte Putin bei seinem Russland-Afrika-Gipfel mit afrikanischen Regierungschefs in St. Petersburg in der letzten Woche, sein eigenes Getreide nicht als Spende oder Ersatz für ukrainisches Getreide anbieten können. Dass seine „Hilfestellung“ eine direkte Folge seiner kalkulierten Aufkündigung des Getreideabkommens und der ausdrücklichen angekündigten Bedrohung ziviler Schiffe ist, wird er sicher propagandistisch überspielen.

Bei einem solch klaren Verhalten einer größeren Zahl von Staaten wird Putin sein Risiko abwägen, dass jedes russische Aufbringen, Bedrohen und Zerstören von zivilen Schiffen – sei es in internationalen Gewässern oder auch im hoheitlichen Küstenmeer dreier NATO-Staaten – als feindseliger Akt verurteilt und Gegenreaktionen der betroffenen Staaten auslösen würde. Da Putin absehbar kein Interesse haben kann, seinen anhaltenden „Konflikt gegen den kollektiven Westen“ mit letalen militärischen Mitteln gegen einen oder mehrere NATO-Staaten oder Partner-Staaten zu eskalieren, kann die Ukraine mit dieser Unterstützung vieler Staaten den Getreidetransport wieder aufnehmen bzw. fortsetzen.

Es wird sich rasch zeigen, ob Mut und Entschlossenheit der Unterstützer der Ukraine stark genug sind, um sich durch Drohungen Putins nicht von ihrem gebotenen Handeln abhalten lassen, und eine Fortsetzung der ukrainischen Getreidetransporte auch über das Schwarze Meer gewährleisten können. Darin liegt auch die Chance, dass Putin zum Getreideabkommen zurückkehrt.

Generalleutnant a.D. Dr. Klaus Olshausen

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