Deutschland steht bei der Verwaltungsdigitalisierung im europäischen Vergleich hintenan. Ein wichtiger Schritt, um aktuellen Herausforderungen standzuhalten, ist die Rückgewinnung von Handlungsfähigkeit in den Behörden. Erprobte Beratungsansätze helfen dabei, Organisationen auf einen zukunftsweisenden Kurs zu lenken. Im Folgenden wird der Weg zur handlungsfähigen Verwaltung anhand eines Fallbeispiels dargestellt.
Change in Behörden: Wie erkennt eine Organisation, dass sich etwas ändern muss?
Die Abteilungsleiterin Frau Ros arbeitet seit Jahren voller Engagement in der Finanzverwaltung ihrer Stadt. Seit einigen Monaten aber schwindet diese Energie merklich. Sie stellt fest, dass sie trotz der guten Arbeitsbeziehung zu ihrer Abteilung wenig Feedback und Zuarbeit von ihren direkten Kolleginnen und Kollegen erhält. Das führt dazu, dass Frau Ros selbst immer häufiger Überstunden macht und trotz der Mehrarbeit ihre To-Do-Liste nicht kürzer wird. Auf Rückfrage meldet auch ihr Team keine Kapazitäten, um sie zu unterstützen. So muss Frau Ros mit einem vollen Schreibtisch und einem mulmigen Gefühl in den Urlaub aufbrechen. Nach einer Woche Bildungsurlaub in Estland und vielen neuen Eindrücken über die Verwaltung vor Ort kehrt Frau Ros zurück in ihre Finanzverwaltung. Sie hat eine Beratung beauftragt, mit ihr gemeinsam den „Laden wieder zum Laufen zu kriegen“.
Warum ist ein Blick von außen zielführend? Handlungsfähige Verwaltung durch Beratung
Ein Blick von außen ist hilfreich, um Veränderungen anzugehen und zu reflektieren. Die beauftragte Beratung kennt die Probleme, die die Abteilungsleiterin schildert, bereits aus ähnlichen Projekten. Meist sind etablierte Strukturen und Prozesse nicht mehr auf aktuelle Arbeitsherausforderungen und Aufgaben abgestimmt. Mitarbeitende merken schnell, dass es knirscht, ohne die Notwendigkeit zu verspüren, dies direkt bei der Abteilungsleitung anzusprechen. Es steht fest, dass die Beratung die Abteilung wieder in eine Handlungsfähigkeit zurückbringen muss. So soll sichergestellt werden, dass die Mitarbeitenden ihre Aufgaben vollumfänglich erfüllen können, miteinander gut abgestimmt sind und Freiräume für Absprachen mit anderen Abteilungen oder Recherche bleiben.
Wie findet eine Organisation heraus, welche Schmerzpunkte es gibt?
In einem interaktiven Workshop mit allen Beteiligten versucht die Beratung, mithilfe von innovativen Methoden die Gründe für die Überlastung und das fehlende Gefühl von Teamzusammenhalt zu erkennen. Im Workshop kommt ans Licht, dass die Abteilung von vielen Veränderungsprozessen überrollt wurde, die „von oben“ delegiert wurden und die Mitarbeitenden stark einspannt. Dadurch fehlt die Zeit für Austausch und Abstimmung darüber, wer welche Aufgaben gegebenenfalls schneller erledigen könnte. Aufbauend auf den Ergebnissen entscheiden sich die Teams, sich auf zwei Aspekte zu konzentrieren: die Steuerung der Projekte und den Aufbau von prozessorientierten Teams im Sinne einer agilen Verwaltung.
Aufgaben in der handlungsfähigen Verwaltung: Wie können Projekte besser gesteuert werden?
Damit die Abteilung von Frau Ros bei der Projektsteuerung wieder handlungsfähig arbeiten kann, hat das Team gemeinsam in einem Workshop einen Workflow für Projekte entwickelt. Dieser bricht mit der Einteilung in feste Aufgabengebiete der einzelnen Unterteams. Im Fokus stehen ab sofort die jeweiligen Aufgaben und Prozesse, die sich aus den fachlichen Gebieten heraus ergeben. Aufgaben müssen neu organisiert und zugeordnet werden, um agiles Arbeiten in der Verwaltung zu ermöglichen. Für den Auszubildenden Herrn Özdemir bedeutet dies beispielsweise ab sofort eine engere Einbindung in den Arbeitsalltag seiner Kolleginnen und Kollegen, da er den Internetauftritt verschiedener fachlicher Themen in Abstimmung mit der Pressestelle sowie der fachlich Zuständigen übernimmt.
Wie kann Veränderung für eine Verwaltung der Zukunft langfristig gelebt werden?
Nach einigen Wochen flachte die anfängliche Euphorie etwas ab und einige der Teams kommunizierten Aufgaben nicht mehr allumfassend. Daraufhin hat die Beratung vor Ort viele Gespräche mit den Beteiligten geführt, um einzufangen, was die Abteilung von Frau Ros nachhaltig weiterbringen kann. Obwohl der vereinbarte Workflow innerhalb der Abteilung ausreichend kommuniziert wurde, fehlte vielen Mitarbeitenden eine strukturierte Übersicht. Daraufhin wurde in der Abteilung übergreifend ein Kanban-Board als Tool eingeführt, auf dem deutlich wird, welche To Dos anstehen, in welchem Bearbeitungsprozess sie sich befinden und wer daran arbeitet. Um die Nutzung des Kanban-Boards im Arbeitsalltag sicherzustellen, wurde die Anpassung und Aktualisierung des Boards Teil der Regeltermine der Teams. Frau Ros berichtet, dass sich dadurch bei vielen Kolleginnen und Kollegen eine höhere Verpflichtung gegenüber dem neuen Workflow eingestellt hat. Zudem konnten weitere Schnittstellen innerhalb der Abteilung aufgedeckt und koordiniert werden, sodass beispielsweise die Sachbearbeiterin Frau Nguyen weit über ihr Team hinaus für Prozessdokumentationen zuständig ist und so Wissen und Ressourcen bündelt.
Wie thematisiert und entwickelt eine Organisation Zusammenarbeit in Teams und Abteilungen?
Trotz der positiven Veränderungen durch die Anpassung der Aufgabenteilung hat die Beratung Frau Ros’ Rückmeldung sehr ernst genommen, dass ihr in herausfordernden Zeiten das Feedback ihrer Kolleginnen und Kollegen gefehlt hat. Im Kontext der Nutzung des Kanban-Boards wurde daher ein Workshop durchgeführt, in dem ein prozessorientiertes Modell zur gemeinsamen Zusammenarbeit entwickelt wurde. Festgelegt wurde unter anderem, dass auf Veränderungen immer eingegangen wird, Fehler von Teams und nicht von Einzelnen gemacht werden und die Zusammenarbeit mit Bürgerinnen und Bürgern und Partnern in den Vordergrund rückt. Diese agilen Werte hat die Abteilung im Nachgang in ihr internes Zielbild eingefügt. Sie sind jetzt für alle Kolleginnen und Kollegen im Intranet sowie im Aufenthaltsraum der Abteilung präsent.
Wie können gleichberechtigte und regelmäßige Feedbackprozesse etabliert werden?
Die Führungskräfte der Abteilung von Frau Ros und die Beratung haben zudem gemeinsam ein Konzept für ein gleichberechtigtes Feedback entwickelt. Diesem Konzept wurde von den Mitarbeitenden demokratisch zugestimmt. In Kürze bezieht es sich darauf, dass Mitarbeitende nicht nur Feedback erhalten, sondern auch selbst aktiv geben. Neben den Mitarbeitendengesprächen zweimal im Jahr wurde angeregt, sich auch außerhalb von Hierarchieebenen einmal im Quartal bewusst Zeit einzuräumen, direkten Kolleginnen und Kollegen Feedback anhand von ausgearbeiteten Leitfragen zu geben. Dies soll positive Aspekte verstärken und dazu anregen, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.
Warum sind individuelle Lösungen für Handlungsfähigkeit wichtig?
Am Beispiel der Abteilung von Frau Ros wurde deutlich, dass neben einer ausführlichen Analyse der jeweiligen Situation, in den Teams spezifische und passgenaue Lösungen gefunden werden müssen, um eine handlungsfähige Verwaltung zu entwickeln. Diese muss auch in Zukunft für weitere Veränderungen gewappnet sein, zum Beispiel durch neue Kompetenzen zur Aufgabenteilung, Auseinandersetzung mit der gemeinsamen Zusammenarbeit, Agilität sowie regelmäßiges Feedback von allen Seiten. An anderer Stelle sehen die Maßnahmen hin zu einer handlungsfähigen Verwaltung anders aus. Das Ziel bleibt identisch: Eine Verwaltung, die sich selbst zum Handeln befähigt und auch in Zukunft die Bedürfnisse ihrer Bürger:innen erfüllen kann.
Dieser Bietrag ist eine Anzeige von Bonpago. Die Autoren sind Helena Klöhr und Felix Wolfes.