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Digitalpolitisches Scheitern befürchtet

Die Digitalisierung hat verloren. So sehen es die Kritiker. Beim Bundeshaushalt hat die Regierung die Etats zusammengestrichen. Bei der Umsetzung laufender Digitalvorhaben aus dem Koalitionsvertrag und der Digitalstrategie hapert es. Die Digitalverbände Bitkom und eco üben scharfe Kritik. Und eine Gruppe weiterer Interessenverbände hat einen offenen Brief an die Regierung geschrieben. Die Kritiker eint eines: Sie sehen die Digitalisierungsvorhaben der Ampelkoalition vom Scheitern bedroht.

Der Branchenverband Bitkom hat nachgezählt und ist auf 334 gekommen: So viele Digitalisierungsprojekte habe sich die Ampelkoalition im Koalitionsvertrag und in der Digitalstrategie insgesamt aufgegeben. Die meisten davon seien bisher nicht umgesetzt, beklagt der Bitkom. Er hat das alles in einem neuen Monitor Digitalpolitik zusammengefasst. „Wir sehen eine extreme Spannbreite von Vorhaben unterschiedlichster Relevanz und Komplexität“, erläutert Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. „Manches ist kaum der Erwähnung wert, andere Projekte sind richtig dicke Bretter, brauchen viele Ressourcen und erfordern umfassende Abstimmungen mit den Bundesländern oder der EU.“

Er fordert mehr Nachdruck von der Bundesregierung. Wenn sie ihre digitalpolitischen Ziele nicht vorantreibe, werde sie sie verfehlen. Dabei seien fast alle Ressorts gefragt. Doch die Hauptlast liege bei nur vier, sagt Wintergerst: „Die vier Ministerien für Inneres, Forschung, Wirtschaft und Digitales haben zusammen mehr als 220 Digitalprojekte zu stemmen und tragen damit den Großteil der Verantwortung für das digitale Deutschland.“ Von den Vieren wiederum trägt das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) die meisten Projekte (80 Stück), das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) ironischerweise die wenigsten (45 Projekte).

In beiden Häusern wurde bei der Digitalisierung der Rotstift angesetzt. Plante das BMI in diesem Jahr noch mit rund 1,5 Milliarden Euro im Bereich „IT und Netzpolitik, Digitalfunk und Moderne Verwaltung“, sind es im Jahr 2024 nur noch etwa 1 Milliarde Euro. Gespart wird vor allem bei „Sächlichen Verwaltungsaufgaben“, also bei externen Dienstleistern und neuen Geräten. Dafür erhöht das Innenministerium die Budgets von Organisationen wie der Cyberagentur etwas. Am deutlichsten hat sie die Gelder für die Föderale IT-Kooperation aufgestockt, von 9,6 Millionen auf fast 37 Millionen Euro.

Im Digitalministerium sind die Einsparungen noch deutlicher. Schiene, Autobahn und Verkehr kriegen mehr Geld. Beim Digitalen spart das Haus rund ein Viertel der Ausgaben ein. 2023 standen noch 1,2 Milliarden Euro für Digitalprojekte zur Verfügung. Im kommenden Jahr sollen es nur noch etwa 900 Millionen Euro sein. Beim Breitbandausbau wird ordentlich gespart. Das Budget sinkt von etwa 732 Millionen Euro auf 490 Millionen, bleibt damit aber der Ausgabenschwerpunkt. Weniger Geld gibt es darüber hinaus für innovative Anwendungen von KI. Nur ein Fördertopf des Digital- und Verkehrsministers erhält mehr Budget: autonomes Fahren. Erst letzten Monat hatte der Digitalminister Volker Wissing (FDP) ein Forschungsprojekt für autonom fahrende Shuttles in ländlichen Regionen gestartet.

Verband fürchtet „digitalen Kahlschlag“

Scharfe Kritik an den Kürzungen kommt aus dem Verband der Internetwirtschaft eco. „Die Bundesregierung darf nicht den Rotstift bei der Digitalisierung der Verwaltung anlegen, es darf beim Digitalpakt Schule 2.0. keine weiteren Verzögerungen geben und es braucht endlich ein eigenes Digitalbudget wie es auch im Koalitionsvertrag vorgesehen ist“, fordert eco-Geschäftsführer Alexander Rabe. Er wünscht sich für den finalen Haushalt ein Vorfahrtssignal für die Digitalisierung. „Mit Knausern und Kürzungen wird es Deutschland definitiv nicht gelingen, den Rückstand bei der Digitalisierung aufzuholen“, mahnt Rabe. Er befürchtet einen „digitalen Kahlschlag“.

In das gleiche Horn stößt auch ein offener Brief der Open Source Business Alliance (OSB), den u. a. auch die Gesellschaft für Informatik (GI) und der Verband der Kommunalen IT-Dienstleister Vitako unterzeichnet haben. Die Überschrift lautet: „Danke für die schönen Worte, lasst endlich Taten sprechen!“ Die Bundesregierung habe Lippenbekenntnisse zu Open Source und digitaler Souveränität abgegeben. Jetzt kürze sie bei Open Source-Projekten, beschaffe aber weiterhin teure proprietäre Lizenzen. „Wenn der Haushaltsplan so bleibt, wie er derzeit vorliegt, bedeutet das die Beerdigung der im Koalitionsvertrag angekündigten Open Source-Vorhaben“, heißt es in dem Brief. Lediglich 48 Millionen Euro wolle die Regierung für freie Software ausgeben. Die Unterzeichnenden des Briefes befürchten ein „digitalpolitisches Scheitern“, wenn die Bundesregierung nicht nachbessere.

Eine Forderung eint die Kritiker der Bundesregierung. Sie solle endlich eine einzige Digitalzuständigkeit schaffen. „Mangelhafte Koordination und eine Verantwortungsdiffusion in der Bundesregierung sind ursächlich für die schleppende Digitalisierung in Deutschland“, analysiert eco-Geschäftsführer Rabe. Und Wintergerst vom Bitkom ergänzt: „Ob diese breite Streuung von Zuständigkeiten wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, sollte man nochmals überdenken und gegebenenfalls korrigieren.“

Immerhin eines hat geklappt. Auf ihrer Kabinettsklausur im Schloss Meseberg haben BMWK, BMDV und BMI gemeinsam eine Nationale Datenstrategie beschlossen.

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