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Auftragswertberechnung bei Planungsleistungen – Streichung des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV

Mit dem Bundesgesetzblatt vom 23. August 2023 sind einige Änderungen zur Anpassung des Vergaberechts in Kraft getreten. Neben der Einführung neuer elektronsicher Standardformulare (eForms) wurde auch eine Gesetzesänderung im Hinblick auf die Berechnung des Auftragswertes für Planungsaufträge in § 3 Abs. 7 VgV bzw. § 2 Abs. 7 SektVO vorgenommen. Der nachfolgende Beitrag erläutert die Änderung im Hinblick auf die Berechnung des Auftragswertes von Planungsaufträgen und die Auswirkungen der Änderung auf zukünftige Vergabeverfahren.

I. Bisherige Rechtslage

Der aktuelle § 3 Abs. 7 Satz 1 VgV (§ 2 Abs. 7 S. 1 SektVO) bestimmt: „Kann das beabsichtigte Bauvorhaben oder die vorgesehene Erbringung einer Dienstleistung zu einem Auftrag führen, der in mehreren Losen vergeben wird, ist der geschätzt Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen.“ Nach diesem Grundsatz bildet der addierte geschätzte Gesamtwert aller Lose den Auftragswert. Durch § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV (§ 2 Abs. 7 S. 2 SektVO) a.F. wurde bislang eine wichtige Ausnahme von diesem Grundsatz gebildet: „Bei Planungsleistungen gilt dies nur für Lose über gleichartige Leistungen“.

Für die Praxis bedeutete dies, dass für Planungsvergaben, die Auftragswerte in den Grenzen der Leistungsbilder der HOAI addiert wurden, jedoch nicht leistungsbildübergreifend. Die Folge war, dass auf ein und dasselbe Objekt bezogene Leistungen z.B. der Objekt-, Technischen Gebäudeausrüstung, Freianlagen- und Tragwerksplanung national vergeben werden konnten, solange der Auftragswert unter 215.000 Euro liegt.

Eine solche Einschränkung findet sich jedoch nicht in der zugrunde liegenden Richtlinienvorschrift des Art. 5 Abs. 8 RL 2014/24/EU. Daher wird von der Rechtsprechung und Literatur schon lange überwiegend bezweifelt, dass es sich bei § 3 Abs. 7 S. 2 VgV a.F. um eine wirksame und anwendbare Regelung handelt.

Der deutsche Gesetzgeber ist bislang mit der Regelung, dass gleichartige Planungslose bei der Auftragswertschätzung zusammenzurechnen seien, von den Vorgaben der RL 2014/24/EU abgewichen. Diese enthält die Beschränkung auf gleichartige Lose nicht für Planungsleistungen, sondern ausschließlich für Lieferleistungen. Jedenfalls dann, wenn die „Gleichartigkeit von Planungsleistungen“ in dem hier vertretenen Sinne ausgelegt wird, hat die Europäische Kommission in § 3 Abs. 7 S. 2 VgV einen Verstoß gegen Europäisches Vergaberecht angenommen und daher ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Auch wenn das Vertragsverletzungsverfahren bisher noch nicht entschieden ist, hat sich die Bundesregierung entschieden den § 3 Abs. 7 S. 2 VgV a.F. zu streichen. Mit der Ausgabe des Bundesgesetzblattes am 23. August 2023 ist diese Änderung am Tag nach Bekanntmachung nun in Kraft getreten.

II. Neue Rechtslage

Durch die Streichung des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV a.F. stellt sich die Frage, wie nun die Auftragswerte von Losen mit Planungsleistungen zu berechnen sind und wie sich dies auf zukünftige Vergabeverfahren auswirken kann.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) erklärt in seiner „Klarstellende Erläuterung zur Auftragswertberechnung“ vom 23. August 2023, dass weiterhin die Lose, die nach § 3 Abs. 7 S. 1 VgV zu einem Dienstleistungsauftrag angehören und zu einem einheitlichen Auftrag gehören zusammen zu zählen seien. Hierbei sei eine „funktionale Betrachtung“ heranzuziehen, welche der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil vom 05.10.2000, Kommission/Frankreich, C-16/98, für Bauaufträge entwickelt hat. Im Urteil vom 15.03.2012, Autalhalle, C-574/10, hat der EuGH diese funktionale Betrachtung auch auf Dienstleistungsaufträge angewandt. Ein einheitlicher Gesamtauftrag liegt demnach vor, sofern dessen Teilleistungen in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht eine innere Kohärenz und eine funktionelle Kontinuität aufweist. Die Europäische Kommission geht dabei davon aus, dass eine „andere Natur von Dienstleistungsaufträgen“ nicht als Begründung herangezogen werden kann, um von einer funktionalen Betrachtungsweise abzusehen. Ob Planungsleistungen, die in ihrer Art auf unterschiedliche Weise erbracht werden, in funktionalem Zusammenhang stehen und zusammenzurechnen sind, sei daher im Einzelfall von der jeweiligen Vergabestelle zu prüfen und zu dokumentieren. In Betracht komme diese Prüfung insbesondere z.B. bei Bodengutachten oder Machbarkeitsstudien in einer frühen Vorplanungsphase.

III. Auswirkungen

Da Planungskosten meist einen erheblichen Teil der Gesamtkosten einer Baumaßnahme aus machen, ist davon auszugehen, dass bei der Auftragswertberechnung regelmäßig die EU-Schwellenwerte erreicht werden. Dies wird voraussichtlich zu einem erhöhten Anteil an europaweit zu vergebenden Aufträgen und möglicherweis zu einer erheblichen Steigerung des Ausschreibungsaufwandes für Auftraggeber führen. Teilweise wird befürchtet, dass es durch die Streichung des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV nicht nur zu einem erhöhten Aufwand auf Bieterseite, sondern auch zum Ausbleiben von Angeboten kleinerer Architekten- und Ingenieurbüros kommen wird.

Letztendlich wird sich durch die Streichung von § 3 Abs. 7 S. 2 VgV – insbesondere im Hinblick auf die Europarechtskonformität – mehr Rechtsklarheit erhofft. Planungsleistungen werden damit allen anderen Dienstleistungen gleichgestellt.

Um der Problematik der vermehrten europaweiten Ausschreibungen von Planungsleistungen entgegenzutreten, hat unlängst der Bundesrat die Festsetzung eines höheren Schwellenwertes für Planungsaufträge in den EU-Vergaberichtlinien bzw. im Government Procurement Agreement (GPA) gefordert. Alternativ sollten solche Leistungen als soziale und andere besondere Dienstleistungen für öffentliche Auftraggeber gemäß Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU erfasst werden.

Im Februar hatte der Bundesrat einem bayerischen Entschließungsantrag zugestimmt, der unter anderem einen Sonderschwellenwert für Planungsleistungen vorsah. Daraufhin ging am 21. März 2023 eine Stellungnahme der Bundesregierung ein, in welcher die Bundesregierung einem Sonderschwellenwert für Planungsleistungen ebenso eine Absage erteilte wie der Erfassung der Planungsleistungen als soziale und andere besondere Dienstleistungen (vgl. Unterrichtung durch die Bundesregierung – Stellungnahme der Bundesregierung zu der Entschließung des Bundesrates – Dringender Handlungsbedarf bei der Anhebung der Schwellenwerte der Europäischen Union im Vergaberecht):

„Aus der Systematik der völkerrechtlichen Regeln ergibt sich zudem, dass spezielle Schwellenwerte für Planungsleistungen / freiberufliche Leistungen im GPA oder darauf aufbauend eine Kategorisierung als privilegierte soziale und andere besondere Dienstleistungen in den EU-Vergaberichtlinien kaum in Frage kommen.“

Im Übrigen sei von einer baldigen Anpassung der Schwellenwerte derzeit nicht auszugehen, denn diese könnten weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene einseitig geändert werden, ohne gegen das GPA zu verstoßen, wie der Staatssekretär erklärt.

Die Bundesregierung plädiere daher dafür, das Thema: „im gebotenen völkerrechtlichen Rahmen und innerhalb der handelspolitischen Zuständigkeit der Europäischen Union mit entsprechender Mandatierung der Europäischen Kommission zu adressieren“.

Wann dies geschehen soll, wird jedoch offen gelassen.

Die Autorin des Gastbeitrags ist Rechtsanwältin Anika Sanders.

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