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StartSicherheitKonzeptionell viel voran gebracht

Konzeptionell viel voran gebracht

Dr. Tamara Zieschang (CDU) ist Innenministerin von Sachsen-Anhalt. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel zieht sie Bilanz und blickt nach vorn. Die Fragen stellte Marco Feldmann.

Behörden Spiegel: Frau Ministerin, Sie sind jetzt seit September 2021 im Amt. Was haben Sie schon erreicht?

Dr. Tamara Zieschang: In den ersten Wochen und Monaten meiner Amtszeit waren wir noch sehr durch die Corona-Pandemie gefordert. Damals galt es etwa, das Demonstrationsgeschehen zu bewältigen und die bundesweiten Verlegungen von Covid-Intensivpatienten im Rahmen der sogenannten Kleeblattstruktur zu organisieren. Nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine waren wir als Innenministerium stark gefordert, gemeinsam mit den Kommunen die Unterbringung von Flüchtlingen aus dem Kriegsgebiet sicherzustellen. Neben dieser vielfach tagesaktuellen Arbeit konnten wir außerdem zahlreiche konzeptionell bedeutsame Themen vorantreiben.

Behörden Spiegel: Welche waren das?

Zieschang: Wir haben einiges in Angriff genommen, um die interkulturelle Kompetenz der Bediensteten unserer Landespolizei weiter zu stärken. Seit Sommer 2022 gibt es bei uns im Land zum Beispiel einen Polizeirabbiner. Sachsen-Anhalt ist neben Baden-Württemberg das zweite Bundesland, das einen Polizeirabbiner in die Aus- und Fortbildung an der Fachhochschule der Polizei aktiv einbindet. Er kann authentisch über jüdisches Leben berichten und damit auch den Blick für das konsequente Vorgehen gegen Antisemitismus nochmals schärfen.

Behörden Spiegel: Um was ging es noch?

Zieschang: Auch im Bereich des Brand- und Katastrophenschutzes haben wir einiges umgesetzt, etwa mit Blick auf die begonnene Beschaffung von 130 neuen Feuerwehrfahrzeugen Ende des letzten und Anfang diesen Jahres. Des Weiteren haben wir die Arbeitgebermarke „Mittendrin“ entwickelt, mit der die Landesverwaltung als größter Arbeitgeber im Land erstmals ressortübergreifend und gemeinsam um Nachwuchskräfte wirbt.

Behörden Spiegel: Was wurde im Polizeibereich noch erreicht?

Zieschang: Zudem bin ich sehr froh, dass die vierte Einsatzhundertschaft der Bereitschaftspolizei in Halle an der Saale eine neue Liegenschaft beziehen konnte. Dadurch haben wir nun in Magdeburg und Halle an der Saale Standorte der Landesbereitschaftspolizei. Des Weiteren wurde im letzten Jahr die Standortentscheidung für einen Neubau des Landeskriminalamtes getroffen. Auch wenn die Umsetzung noch einige Jahre dauern wird, war dies ein wichtiger Startschuss für das Neubauprojekt.

Behörden Spiegel: Wann wird der Neubau in Betrieb genommen werden?

Zieschang: Ich hoffe auf einen Umzug in das neue Objekt im Jahr 2027. Demnächst soll die Ausschreibung von Architektur- und Planungsleistungen erfolgen.

Behörden Spiegel: Was steht noch unerfüllt auf Ihrer Agenda?

Zieschang: Die Verbesserung des Bevölkerungsschutzes steht bei mir ganz oben auf der Agenda. Das Thema beschäftigt alle Innenministerien – und sollte auch alle anderen Ressorts beschäftigen, die sich ihrer Verantwortung für die Krisenvorsorge nicht immer ausreichend bewusst sind. Die Starkregenereignisse im Ahrtal haben uns einmal mehr vor Augen geführt, dass wir uns auf Extremwetterereignisse einstellen müssen. Und wir müssen damit rechnen, dass sie deutlich häufiger auftreten, als wir das aus den vergangenen Jahrzehnten kennen.

Behörden Spiegel: Was haben Sie vor?

Zieschang: Hinzu kommt, dass die Themen Zivilschutz- und Bevölkerungsschutz durch den russischen Angriff auf die Ukraine nochmals an Bedeutung gewonnen haben. Nicht zuletzt deshalb beabsichtige ich, in diesem Jahr hier im Ministerium eine neue Abteilung für Katastrophenschutz und Krisenmanagement aufzubauen.

Behörden Spiegel: Was sind die größten landesspezifischen Herausforderungen für Sachsen-Anhalt im Bereich der Inneren Sicherheit?

Zieschang: Wir haben unverändert ein landesweites Demonstrationsgeschehen, das die Kräfte der Landespolizei bindet. Außerdem fordert uns die zunehmende Cyber-Kriminalität heraus. Kriminalität verlagert sich zunehmend von der realen in die virtuelle Welt. Dadurch muss ein Vielfaches an Daten ausgewertet werden. Und die Datenmengen werden weiter wachsen. Das können Menschen ohne Unterstützung durch Künstliche Intelligenz nicht mehr lange bewältigen, weil die Datenmengen schlicht zu groß werden.

Behörden Spiegel: Welchen Themen wollen Sie sich noch widmen?

Zieschang: Zudem nehmen wir auch die Verkehrssicherheit in den Blick. Nach einem Rückgang der Verkehrsunfälle in den Jahren 2020 und 2021, in denen die Menschen Pandemie-bedingt weniger unterwegs waren, zeichnet sich ab, dass sich die Zahl der Verkehrstoten in Sachsen-Anhalt im letzten Jahr leider wieder erhöht hat. Wir geben die Idee der „Vision Zero“ aber nicht auf. Des Weiteren arbeiten wird daran, den operativen Opferschutz, insbesondere im Bereich der häuslichen Gewalt, weiter zu verbessern.

Behörden Spiegel: Sie haben ein Programm „Polizei 2030“ angekündigt. Was verbirgt sich dahinter?

Zieschang: Beim Programm „Polizei 2030“ handelt es sich um eine große, auf mehrere Jahre angelegte Digitalisierungsoffensive in der Landespolizei. Es adressiert alle Bereiche der polizeilichen Arbeit und ist in mehrere Phasen unterteilt. Die erste Phase, in der die Landespolizei u. a. flächendeckend mit rund 5.600 Smartphones mit polizei-fachlichen Apps ausgestattet wird, soll Mitte des kommenden Jahres abgeschlossen sein. Das Smartphone gehört heutzutage zu einer modernen Polizeiausstattung. Parallel dazu führen wir ein neues Vorgangsbearbeitungssystem ein, das auch als App-Anwendung auf dem Smartphone funktionieren wird. Das ist ein deutlicher Schritt nach vorne, aber auch mit einem hohen internen Schulungsaufwand verbunden.

Behörden Spiegel: Wie verhält sich dieses Programm zum Programm P20? Dazu gibt es bei Ihnen ja auch noch ein Landesprogramm.

Zieschang: Beim Programm P20 handelt es sich um ein Bund-Länder-Programm. Bei unserem Programm handelt es sich ausschließlich um ein Landesprogramm. Inhaltlich sind beide Programme eng miteinander abgestimmt und bauen sogar unmittelbar aufeinander auf. Es findet ein ständiger Abgleich zwischen beiden Programmen statt. So ist unser neues Vorgangsbearbeitungssystem @rtus auch Teil von P20. Sachsen-Anhalt ist damit das erste Bundesland, das auf eines der Interimsvorgangsbearbeitungssysteme umstellt, die im Programm P20 vorgesehen sind.

Behörden Spiegel: Frau Ministerin, wie ist die Personal- und Bewerberlage bei Ihrer Landespolizei?

Zieschang: Der personelle Aufwuchs unserer Landespolizei schreitet sehr gut voran. Unsere Polizeistrukturreform aus dem Jahr 2016 war darauf ausgerichtet, dass wir mindestens 7.000 Kräfte im Polizeivollzug haben. Hier konnten wir mit aktuell rund 6.400 Kolleginnen und Kollegen im Polizeivollzug eine wichtige Zwischenetappe erreichen. Jetzt steuern wir die Zielzahl von mindestens 7.000 Kräften an. Diese soll bis Ende 2026 erreicht sein.

Behörden Spiegel: Schaffen Sie dieses Ziel?

Zieschang: Ich bin guten Mutes, dass wir das auch schaffen werden. Denn im vergangenen Jahr hatten wir gegen den allgemeinen Trend an der Fachhochschule der Polizei mehr Bewerberinnen und Bewerber als noch 2021. Wir konnten sogar mehr Anwärterinnen und Anwärter einstellen als ursprünglich geplant.

Behörden Spiegel: Kürzlich hat der Magdeburger Landtag eine Reform des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG) verabschiedet. Wie erleichtert sind Sie und was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Neuerungen?

Zieschang:  Mit der Novelle, die gerade vom Landtag beschlossen wurde, sind vor allem drei Themen adressiert. Wir konnten die Befugnisnorm zum Einsatz der elektronischen Fußfessel zur Abwehr terroristischer Straftaten dauerhaft im Gesetz etablieren. Bislang war sie nur zeitlich befristet eingeführt worden. Außerdem gibt es nun die Möglichkeit, Bodycams bei der Polizei flächendeckend und unbefristet einzusetzen. Bisher war das nur zeitlich begrenzt im Rahmen eines Modellprojekts in den drei kreisfreien Städten des Landes erlaubt gewesen. Zudem haben wir nun eine Rechtsgrundlage für abschnittsbezogene Geschwindigkeitskontrollen, die sogenannte Section Control.

Behörden Spiegel: Weshalb entschied sich Sachsen-Anhalt bei der elektronischen Fußfessel zur Abwehr terroristischer Straftaten denn zunächst für einen Modellversuch und hat erst jetzt mit der SOG-Reform eine dauerhafte Rechtsgrundlage geschaffen?

Zieschang: Es hat ein nahtloser Übergang stattgefunden: Der Modellversuch endete zum Jahresende 2022 – und die SOG-Novelle ist Ende des Jahres 2022 in Kraft getreten. Mit dem Modellversuch konnten Erfahrungen mit neuen technischen Einsatzmöglichkeiten gesammelt werden, um anschließend über die dauerhafte Implementierung zu entscheiden. Dieses Vorgehen halte ich für ein probates Mittel.

Behörden Spiegel: Warum wurde so auch bei den Bodycams verfahren? Andere Bundesländer sind hier schon weiter.

Zieschang: Bei der Bodycam ist die Lage eine etwas andere, weil es hier keinen nahtlosen Übergang vom Modellversuch hin zur dauerhaften Befugnisnorm gab. Der Modellversuch mit den Körperkameras ist am 30. Juni 2020 ausgelaufen. Dass es jetzt eine unbefristete Befugnisnorm gibt, hat sicherlich auch damit zu tun, dass die Regierungskoalition jetzt eine andere ist als in der letzten Legislaturperiode. Aber auch hier hat es sich gelohnt, mit dem Modellversuch Erfahrungen zu sammeln, gerade mit Blick auf die technische Ausstattung der Bodycam. Diese Erkenntnisse können wir für die dauerhafte Umsetzung gut nutzen.

Behörden Spiegel: Was versprechen Sie sich von der Section Control?

Zieschang: Überhöhte Geschwindigkeit ist eine der wesentlichen Unfallursachen. Dieser Tatsache müssen wir angemessen begegnen. Das können wir zwar auch durch stationäre Geschwindigkeitskontrollen. Aber bei der Section Control, die an besonders unfallträchtigen Abschnitten erfolgen soll, können wir ein ordnungsgemäßes Fahrverhalten über die gesamte, kontrollierte Wegstrecke erreichen.

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