Ziel der Landesgleichstellungsgesetze ist die Verwirklichung des Grundrechts der Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Sie dürfen wegen ihres Geschlechts nicht diskriminiert werden. Hierfür ist in Dienststellen ab einer gewissen Größe eine sog. Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen. Die Reichweite der Beteiligungsrechte stellt Dienststellen seit jeher vor Probleme.
Anlässlich einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 12. Juni 2024 (7 AZR 203/23) zur Frage der Beteiligung bei befristeten Arbeitsverhältnissen soll die Rolle der Gleichstellungsbeauftragten in NRW näher beleuchtet werden.
Allgemeine Grundsätze
Die Aufgaben und Rechte der Gleichstellungsbeauftragten in NRW ergeben sich im Ausgangspunkt aus den §§ 17, 18 LGG NW.
§ 17 Abs. 1 S. 1 LGG NW
„Die Gleichstellungsbeauftragte unterstützt und berät die Dienststelle und wirkt bei der Ausführung des Gesetzes sowie aller Vorschriften und Maßnahmen, die Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frau und Mann haben oder haben können.“
Der Wortlaut „aller (…) Maßnahmen, die Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frau und Mann haben oder haben können“ spricht zunächst für ein weites Begriffsverständnis (vgl. OVG NRW v. 19. Juni 2015 – 6 A 589/12, hier noch zur alten Fassung). In § 17 Abs. 1 S. 2 LGG NW werden sodann einige Maßnahmen aufgezählt, auf die sich die Mitwirkung insbesondere bezieht. Bereits aus dem Wortlaut „insbesondere“ ergibt sich, dass das Gesetz an dieser Stelle keine abschließende Aufzählung vornimmt. § 18 LGG NW gestaltet die Rechte der Gleichstellungsbeauftragten aus, ohne den Begriff der Maßnahme näher zu konkretisieren. Die genaue Reichweite der Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte der Gleichstellungsbeauftragten ist bedauerlicherweise nicht eindeutig im Gesetz geregelt.
Mitwirkungspflichtige Maßnahme
Einzelne Maßnahmen waren bereits Gegenstand gerichtlicher Verfahren in NRW: Die Gleichstellungsbeauftragte ist beispielsweise zu beteiligen bei der Ablehnung der Einstellung beziehungsweise Übernahme in ein Beamtenverhältnis (vgl. OVG NRW v. 23. Oktober 2017 – 6 A 766/16) oder vor der Erhebung einer Disziplinarklage (vgl. OVG NRW v. 20. Januar 2016 – 3d A 584/12.O). Offen gelassen wurde jüngst vom BAG, ob sogar der Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens eine beteiligungspflichtige Maßnahme i.S.d. § 17 LGG NW darstellt (BAG v. 19. September 2024 – 8 AZR 368/22).
In der Begründung des Gesetzesentwurfs zur alten Fassung des § 17 LGG NW wird zudem ausgeführt, dass mitwirkungspflichtige Maßnahmen unter anderem Versetzungen, Umsetzungen, Fortbildungen, Kündigungen, Arbeitszeitregelungen sowie die Erstellung von Beurteilungsrichtlinien seien (vgl. LT-Drs. 12/3959, S. 60).
Das streitgegenständliche Verfahren
Dem streitgegenständlichen Verfahren liegen mehrere befristete Arbeitsverträge zwischen dem Kläger, Lehrkraft an einer Gesamtschule, und dem beklagten Land zugrunde. Im Anschluss an die letzte Befristung erhob der Kläger eine Befristungskontrollklage und begehrte hiermit die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der vereinbarten Befristung beendet worden war. Die Unwirksamkeit der Befristung begründete er insbesondere mit der unterbliebenen Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten. Klärungsbedürftig war mithin, ob die Befristung des Arbeitsvertrags eine der Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten unterliegende Maßnahme nach dem Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern für das Land Nordrhein-Westfalen (LGG NW) ist. Sowohl die Klage vor dem ArbG Duisburg als auch die Berufung vor dem LAG Düsseldorf blieben ohne Erfolg. Der Kläger verfolgte sein Antragsziel mit der Revision weiter, die nunmehr als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Im streitgegenständlichen Verfahren hat das BAG nun das Erfordernis der Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten bei der Befristung eines Arbeitsvertrages abgelehnt. Es handele sich nicht um eine personelle Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LGG NW. Dies ergebe sich aus einer Auslegung der einschlägigen Vorschriften.
Aufgrund der offenen Formulierung des Wortlauts des § 17 Abs. 1 LGG NW sei zwar grundsätzlich ein weites Verständnis der „Maßnahmen“ möglich. Allerdings sprächen gesetzessystematische Erwägungen dagegen, die Vereinbarung einer Befristung zu erfassen. Die in § 18 Abs. 3 LGG NW normierten Rechtsfolgen bei unzureichender Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten zeigten, dass die Beteiligung nicht auf Individualvereinbarungen, sondern auf (Verwaltungs-)Entscheidungen, Regelungen und Handlungen abziele. Zudem sei die Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten ausgehend von § 1 Abs. 1 LGG NW darauf gerichtet, die Gleichberechtigung und Gleichstellung in den Dienststellen zu fördern. Für die konkrete individualvertragliche Befristungsabrede sei indes kein spezifisches gleichstellungsrechtliches Beteiligungsbedürfnis ersichtlich.
Offen gelassen wurde, ob die unzureichende Mitwirkung eine Rechtsunwirksamkeit der Einzelvereinbarung zur Folge haben kann. Dagegen spreche jedenfalls, dass der Gesetzgeber in §18 Abs. 3 S. 1 LGG NW bewusst die Rechtswidrigkeit als Rechtsfolge gewählt habe. Dem liefe es zuwider, wenn man im Rahmen von privatrechtlichen Vereinbarungen die weitergehende Rechtsfolge der Unwirksamkeit annähme.
Dem konkreten Fall lag zudem eine Vereinbarung zugrunde, nach der die Gleichstellungsbeauftragten ihre allgemeine, widerrufliche Zustimmung für bestimmte Fälle erteilten. Das BAG wies darauf hin, dass Vereinbarungen über die Form und das Verfahren der Beteiligung zwar möglich seien (§ 18 Abs. 6 S. 1 LGG NW). Allerdings sei eine landesgleichstellungsgesetzkonforme Auslegung geboten, sodass keinesfalls die Unterrichtung und Anhörung fingiert werden könne, wenn das LGG NW die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten vorsehe. Da die Beteiligung hier nicht erforderlich war, kam es darauf im konkreten Fall aber nicht an.
Bewertung und praktische Auswirkungen
Die Entscheidung des BAG zeigt, dass der Begriff der beteiligungspflichtigen Maßnahmen stets am Einzelfall und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung zu prüfen ist. Vielmehr sind nur solche Maßnahmen erfasst, die Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen und Männern haben können. Das bedeutet vor allem, dass die Gesetzesziele nach § 1 LGG NW sowie die Funktion der Gleichstellungsbeauftragten eine wesentliche Rolle für die Konkretisierung ihrer Beteiligungsrechte spielen. Insoweit sind auch die Unterschiede zum Personalrat zu berücksichtigen, sodass nicht ohne Weiteres von § 72 LPVG NW auf Beteiligungsrechte der Gleichstellungsbeauftragten geschlossen werden kann. Das BAG stellt sich erkennbar gegen ein zu weitgehendes Begriffsverständnis und hat auch – für die Praxis sehr relevant – Zweifel an der Rechtsfolge der Unwirksamkeit von Einzelvereinbarungen anklingen lassen. Bei einem möglichen Verstoß sollte in Zukunft nicht zu voreilig die Rechtsunwirksamkeit angenommen werden. Die Position der Gleichstellungsbeauftragten wird durch das streitgegenständliche Urteil aber keinesfalls erheblich geschwächt, sondern vielmehr in den wesentlichen Kontext gerückt.
Bestrebungen zur Änderung der Gleichstellungsgesetze, die bisher ausschließlich auf die Gleichberechtigung von Frau und Mann abzielen, dürften spätestens seit dem Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes zum 1. November 2024 an Fahrt aufnehmen.
Der Autor des Gastbeitrags ist Dr. Michel Hoffmann, LL.B. von der Küttner Rechtsanwälte Partnergesellschaft.