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StartSicherheitFähigkeiten verschlechtert

Fähigkeiten verschlechtert

Jedes Jahr ertrinken mehrere hundert Menschen in deutschen Gewässern. Eine Verbesserung der Lage ist kurzfristig nicht zu erwarten. Im Interview erklärt die Präsidentin der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), Ute Vogt, was angesichts der mangelhaften Bäderlandschaft helfen kann. Die Fragen stellte Bennet Biskup-Klawon

Behörden Spiegel: Wie ist es um die Schwimmfähigkeit der Bundesrepublik bestellt?

Ute Vogt: Die Situation verschlechtert sich zunehmend. Vor Corona, im Jahr 2017, haben wir gemeinsam mit Forsa eine Erhebung zur Schwimmfähigkeit durchgeführt. Damals verließen noch rund zehn Prozent der Grundschulkinder die Schule, ohne schwimmen zu können. Nach der Umfrage, die wir 2022 durchgeführt haben, lag dieser Anteil bereits bei 20 Prozent.

Das bedeutet: Schon bei den Kindern ist eine deutliche Verschlechterung festzustellen. Auch bei Erwachsenen, denen wir beispielsweise bei der Wasserrettung zu Hilfe kommen, stellen wir häufig fest, dass es sich um sehr unsichere oder sogar um Nichtschwimmer handelt.

Behörden Spiegel: Die DLRG hat kürzlich eine Zwischenbilanz für das laufende Jahr 2025 veröffentlicht. Die Zahlen schwanken von Jahr zu Jahr zwar leicht — mal zehn bis fünfzehn mehr oder weniger —, aber im Durchschnitt der letzten Jahre bewegen wir uns bei etwa 500 Ertrinkungstoten jährlich. Müssen wir uns also damit abfinden, dass diese Zahl langfristig so hoch bleibt?

Vogt: Nein, damit dürfen wir uns nicht abfinden. Genau deshalb leisten wir unsere Arbeit. Es geht vor allem darum, die Menschen über die Gefahren am Wasser aufzuklären, ihnen Respekt vor dem Wasser zu vermitteln und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass möglichst viele Menschen schwimmen lernen. Das ist die beste Lebensversicherung.

Behörden Spiegel: Wie kann die Schwimmfähigkeit verbessert werden?

Vogt: Die vernünftigste und beste Lösung ist, dass an den Grundschulen wieder – wie es in meinem Jahrgang der Fall war – regulärer Schwimmunterricht erteilt wird. Im Lehrplan ist dieser für die dritte und vierte Klasse vorgesehen, oft auch noch für die fünfte und sechste Klasse. In der Regel hat man also vier Jahrgänge, in denen Schwimmunterricht vorgesehen ist. Dieser muss aber auch tatsächlich stattfinden, denn ehrenamtlich können wir nicht auffangen, was in den Schulen nicht mehr geleistet wird.

Ein Hauptproblem ist, dass es zu wenige Schwimmbäder gibt. Wir brauchen so viele Hallenbäder, dass jede Schule in erreichbarer Nähe über ein Bad verfügt. Das ist die Grundvoraussetzung. Bund, Länder und Gemeinden müssen sich zusammensetzen und überlegen, wie man hier strukturiert vorgeht – und nicht nur mit einzelnen Förderprogrammen arbeitet, von denen am Ende nur die profitieren, die gerade zufällig in der Planungsphase sind oder über Eigenmittel verfügen. Vor allem im ländlichen Raum haben wir ein massives Problem. Dort müssen manche Ortsgruppen eine Stunde fahren, um überhaupt Schwimmausbildung anbieten zu können.

Der Bund hat mit Förderung der Initiative „Bäderleben“ bereits begonnen, eine Übersicht zu erstellen – unter Beteiligung der Hochschule Koblenz. Dort kann man sehen, wo Bäder vorhanden sind. Aber es gibt bislang keine einheitliche, offizielle Datenbasis, weil Bund, Länder und Kommunen jeweils unterschiedliche Zuständigkeiten haben.

Wir brauchen daher einen strukturierten Plan: Wo sind die Grundschulen? Wo sind die Bäder? Wo gibt es große Lücken? Nur so kann sichergestellt werden, dass an jeder Grundschule Schwimmunterricht angeboten wird – und jedes Kind sicher schwimmen lernt.

Behörden Spiegel: Wie ist die DLRG bei der Wasserrettung aufgestellt? Finden sich noch genug ehrenamtliche Kräfte?

Vogt: Wir haben rund 55.000 Rettungsschwimmerinnen und Rettungsschwimmer – eine beachtliche Zahl. Allein an der Küste sind jedes Jahr im Sommer etwa 5.500 bis 6.000 von ihnen im Einsatz.

Zwar verfügen wir heute über mehr Kräfte als früher, doch der Bedarf ist ebenfalls gestiegen. Ein Grund dafür ist, dass viele Ehrenamtliche weniger Zeit zur Verfügung haben: Früher konnten sie oft zwei oder sogar drei Wochen am Stück helfen, heute schaffen viele höchstens eine Woche. Das bedeutet, wir benötigen insgesamt mehr Einsatzkräfte, um die gleichen Zeiträume abzudecken.

Gerade in der Vor- und Nachsaison müssen wir erhebliche Anstrengungen unternehmen, um die von uns betreuten Badestellen zuverlässig zu bewachen. Das ist eine große Aufgabe. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass sich möglichst viele Menschen als Rettungsschwimmerinnen und Rettungsschwimmer ausbilden lassen.

Behörden Spiegel: Wie können die Rahmenbedingungen verbessert werden?

Vogt: In vielen Bundesländern gibt es bereits die Möglichkeit, Bildungsurlaub für Fortbildungen und Qualifizierungen zu nehmen. Wir würden uns wünschen, dass es eine ähnliche Regelung auch für den ehrenamtlichen Einsatz in der Wasserrettung gäbe.

Vorstellbar wäre beispielsweise, dass Bundesbehörden hier mit gutem Beispiel vorangehen und sagen: Wer in einer Bundesbehörde arbeitet, erhält fünf Tage Ehrenamtsfreistellung für die Wasserrettung. Das wäre für uns ein großer Schritt und hätte eine wichtige Vorbildfunktion.

Behörden Spiegel: Die DLRG ist mehr als nur Rettungsschwimmer. Die Katastrophenschutzeinheiten sind weniger bekannt. Über welche Fähigkeiten verfügt die Gesellschaft?

Vogt: Wir verfügen über rund 100 Wasserrettungszüge, die in der Regel von den Ländern oder Landkreisen unterstützt werden. Die dort eingesetzten Personen arbeiten ehrenamtlich und kommen zum Einsatz, wenn es beispielsweise zu einer Hochwasserkatastrophe kommt. Sie helfen bei Evakuierungen und Menschenrettungen.

Dazu kommen etwa 4.500 Strömungsretterinnen und Strömungsretter sowie rund 3.400 Einsatztaucherinnen und Einsatztaucher. Diese unterstützen unter anderem bei Arbeiten unter Wasser – etwa beim Absichern oder Anschließen von Ausrüstung – und werden leider auch gerufen, wenn Personen vermisst werden und eine Suche unter Wasser nötig ist.

Wir sind in diesem Bereich sehr gut aufgestellt und verstehen uns als Teil der Blaulichtfamilie. Die Zahl der Einsätze in Hochwasserlagen nimmt leider zu, da diese inzwischen deutlich schwerwiegender verlaufen als früher. Es handelt sich oft nicht mehr um das klassische, langsam steigende Wasser, sondern um regelrechte Flutereignisse. Hier braucht es speziell ausgebildete Strömungsretter.

Unser Wunsch ist der Aufbau eines Hochwasser-Ausbildungszentrums. Dort könnten wir nicht nur die Strömungsrettung trainieren, sondern auch gemeinsam mit anderen Kräften wie Feuerwehr und THW komplexe Lagen üben – etwa die Evakuierung aus überfluteten Häusern, die Rettung aus einem überschwemmten Fahrzeug oder das Abseilen von einer Brücke. Wir haben dazu bereits eine Studie erstellt und werben derzeit bei der Politik dafür, dass Bund und Länder gemeinsam eine solche Anlage aufbauen. Das würde sowohl die Zusammenarbeit stärken als auch wertvolle Übungsmöglichkeiten schaffen.

Behörden Spiegel: Welche Lehren haben sie aus den vergangenen Hochwasserlagen gezogen?

Vogt: Wir haben beispielsweise unser Bootsmaterial angepasst. Früher – und zum Teil auch heute noch – nutzten wir in Hochwasserlagen die klassischen Hochwasserboote: Metallboote mit einer Klappe, über die man Personen relativ einfach an Bord holen kann. Diese Boote haben jedoch einen glatten Boden, sind sehr einfach gebaut und nur schwach motorisiert.

Inzwischen setzen wir bei Hochwassereinsätzen fast ausschließlich auf sogenannte IRB`s (Inflatable Rescue Boats) – Schlauchboote mit Aluboden und starker Motorisierung. Der Grund: Die Vorgängerboote kippen in starken Fluten leicht um. Das haben wir in der Praxis mehrfach erlebt. Um gegen Strömung und Wellen anfahren zu können, braucht es eine deutlich höhere Motorleistung.

Eine weitere wichtige Konsequenz aus vergangenen Hochwasserereignissen ist die verstärkte Ausbildung in der Strömungsrettung. Diese hat bei uns deutlich zugenommen. Außerdem arbeiten wir heute noch enger mit anderen Hilfsorganisationen zusammen. Ich bin überzeugt, dass wir solche herausfordernden Lagen in Zukunft nur gemeinsam bewältigen können.

Die frühere Konkurrenz zwischen Feuerwehr, THW und DLRG nimmt spürbar ab – denn inzwischen ist klar: Der eine kann ohne den anderen große Lagen nicht bewältigen.

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