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StartFinanzenEs ist nicht immer nur Geld, das fehlt

Es ist nicht immer nur Geld, das fehlt

Personalmangel, Regelungsdichte, fehlende Angebote: Die Liste der Gründe ist lang, die dem Staat und insbesondere den Kommunen das Investieren erschweren. Obwohl die Probleme seit Langem bekannt sind, geht es mit notwendigen Reformen nur schleppend voran. Das Auseinanderbrechen der Bundesregierung macht dies nun nicht leichter.

Egal, ob man Daten aus der Forschung heranzieht oder die Koffer packt und einen Ausflug in eine finanzschwache Stadt macht: Der teilweise schlechte Zustand der kommunalen Infrastruktur ist mancherorts nur noch schwer zu übersehen. Die Befragung „KfW-Kommunalpanel“ des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) weist schon seit Jahren einen aus Sicht der Kämmereien in Teilen mangelhaften Zustand von gemeindlichen Straßen, Schulgebäuden oder Sporthallen auf. Die Zahl, die das auf einen Nenner bringt, ist der „wahrgenommene Investitionsrückstand“ der Kommunen. Er wird ebenfalls aus den Befragungsdaten berechnet. 2023 betrug er rund 186 Milliarden Euro und war damit so hoch wie nie zuvor.

Brandherd Verkehrsinfrastruktur

Einen besonders hohen Rückstand weist seit jeher die Verkehrsinfrastruktur auf. Der Teileinsturz der Carola-Brücke in Dresden oder die Sperrung der Rahmedelta-Brücke in Lüdenscheid haben erst kürzlich vor Augen geführt, welchen öffentlichen Aufschrei, aber auch welche wirtschaftlichen Konsequenzen ein Kollaps abgenutzter Infrastruktur nach sich ziehen kann. Selbst wenn die Rahmedelta-Brücke eine Autobahnbrücke und damit die Autobahn- GmbH des Bundes zuständig ist, sieht es bei kommunalen Brücken in der Fläche oft nicht besser aus: Ein Difu-Gutachten aus dem Jahr 2020 hat gezeigt, dass damals die Stand- und Verkehrssicherheit bei einer von drei kommunalen Brücken in Sachsen-Anhalt beeinträchtigt war. Betonkrebs, Risse oder Korrosionsschäden waren in diesen Fällen eher die Regel als die Ausnahme.

Stellt man dem 186-Milliarden- Euro-Investitionsrückstand die gemeindlichen Bruttobauinvestitionen 2023 aus der amtlichen Statistik gegenüber, so zeigt sich: Die Kommunen müssten ab heute bis zum Ende des Jahrzehnts all ihre Bautätigkeit ausschließlich in den Abbau des Rückstands stecken, um ihn einmal komplett abzutragen. Ein Gedankenexperiment, das zwar die Dramatik der Situation aufzeigt, aus verschiedenen Gründen aber unrealistisch ist. Denn selbst wenn die Kommunen das Geld hätten (und manche haben es ja auch), gibt es zahlreiche sogenannte „nicht-monetäre“ Hemmnisse, die ihnen das Investieren erschweren.

Grafik: BS/Deutsches Institut für Urbanistik

In verschiedenen Studien hat das Difu in den letzten Jahren aufgezeigt, wo es hapert. Zuletzt hat das KfW-Kommunalpanel danach gefragt, was vor Ort dazu führt, dass sich einzelne Investitionsprojekte um mindestens ein Jahr verschieben. Die Liste der relevantesten Ursachen wird selbst drei Jahre nach der Corona-Pandemie und dem Zusammenbrechen internationaler Lieferketten noch immer angeführt von Lieferengpässen in der Bauwirtschaft. Diese sorgen in zwei von drei Kommunen für erhebliche Verzögerungen. Es folgen Kapazitätsengpässe in der Bauwirtschaft, komplexe und zeitaufwendige Genehmigungs- und Vergabeverfahren, aber auch als zu komplex empfundene baurechtliche Vorgaben. Zudem werden in mehr als der Hälfte der Kommunen Investitionen von der oft langsamen Bearbeitung von Förderanträgen oder vom Personalmangel in der eigenen Verwaltung verzögert. Alles Punkte, die sich so bereits in früheren Studien gezeigt haben und auch den Leserinnen und Lesern des Behördenspiegel bekannt sein dürften – vielleicht sogar aus eigener Anschauung. Leider handelt es sich dabei aber eben auch um „Dauerthemen“ in der kommunalwissenschaftlichen und -politischen Debatte. Das zeigt: Trotz der Einsicht ist es bislang nicht umfänglich gelungen, bekannte Hemmnisse aufzulösen.

Keine Lösung in Sicht

So wird beispielsweise das Vergaberecht trotz großer Reformen in der Vergangenheit nach wie vor als zu kompliziert wahrgenommen. Die Ampel-Koalition hatte zwar eine erneute Reform mit dem Ziel der bürokratischen Entlastung angestoßen. So beinhaltete der Referentenentwurf in der Tat Vereinfachungen zur freieren Wahl der Vergabeverfahren, die den Kommunen deutliche Erleichterungen gebracht hätten. Zugleich sah der Entwurf aber auch Regelungen vor, die wohl zu mehr Bürokratie geführt hätten, etwa bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien. So oder so fällt die Reform nun aber den vorgezogenen Neuwahlen zum Opfer. Wie eine neue Bundesregierung im kommenden Jahr das Thema weiterverfolgen wird, ist offen.

Genauso sieht es mit der Novelle des Baugesetzbuches aus. Auch hier waren die Überlegungen bereits weit gediehen. Viele der geplanten Regelungen zur systematischen Vereinfachung zielten auch aus Sicht der deutschen Städte in die richtige Richtung. Aber auch hier steht das Thema nach dem Bruch der Koalition erst einmal auf dem Abstellgleis. Festgehalten werden kann, dass die Ampel-Koalition das Ziel zur rechtlichen Vereinfachung immerhin angehen wollte, auch wenn sie entsprechende Reformen aufgrund der internen Differenzen nicht mehr über die Ziellinie bringen konnte.

Eine nicht minder große Aufgabe besteht in der Beendigung der oft beklagten Personalknappheit in den Bauverwaltungen. Schon heute fehlen hunderttausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst und diese Lücke wird mit dem Ausscheiden der Babyboomer in den kommenden Jahren noch größer werden. Entsprechend härter wird der Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte. Obwohl Kommunen immerhin mit Arbeitsplatzsicherheit und einer gesellschaftlich relevanten Tätigkeit werben können, kann der Weg an mehr Digitalisierung, stärkerer interkommunaler Zusammenarbeit und auch an der externen Vergabe von Planungsleistungen nicht vorbeigehen – auch wenn damit in den meisten Fällen erst einmal höhere Ausgaben verbunden sind.

Autor des Gastbeitrags ist Dr. Christian Raffer, Volkswirt und wissenschaftlicher Projektleiter am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu).

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