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StartVerteidigungEs kommt Bewegung ins MGCS

Es kommt Bewegung ins MGCS

Zum Jubiläum des Élysée-Vertrags besuchte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) seinen Amtskollegen Sébastien Lecornu. Aus Paris bringt Pistorius neben warmen Worten Konkretes zum Main Ground Combat System (MGCS) mit.

Das Wiedersehen nach neun Monaten fiel herzlich aus. Einen mutigen, verlässlichen und aufrichtigen Verbündeten und sogar einen Freund habe Frankreich mit dem deutschen Verteidigungsminister gefunden, betonte der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu in Paris. Um dies zu unterstreichen, ernannte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron Boris Pistorius (SPD) zum Kommandeur der Ehrenlegion.
Pistorius‘ Besuch in der französischen Hauptstadt diente allerdings nicht nur der Pflege der deutsch-französischen Freundschaft. Die Verteidigungsminister beider Länder einigten sich auf eine Absichtserklärung zur Einmeldung der Deutsch-Französischen Brigade in das NATO Force Model. Darüber hinaus bauen Pistorius und Lecornu die Kooperation im Bereich Lufttransport aus. Details zur Zusammenarbeit der deutsch-französischen Lufttransport-Staffel in Évreux sind fortan in einer technischen Vereinbarung festgehalten. Sie regelt unter anderem die Gestaltung der Infrastruktur und Finanzen.

Wiedersehen nach fast einem Jahr

Zusätzlich bewiesen die Verteidigungsminister beider Länder, dass sie ein Versprechen, das sie bei ihrem letzten Paris-Treffen im April vergangenen Jahres gaben, halten wollen. Damals unterschrieben Lecornu und Pistorius eine Absichtserklärung (MoU) zum Main Ground Combat System (MGCS). Das landbasierte Waffensystem kombiniert einen bemannten Hauptpanzer, ein bemanntes Kettenfahrzeug mit Raketensystem sowie ein unbemanntes Fahrzeug mit Panzerabwehrraketen. Hinzu kommen Drohnen und eine eigene Cloud-Plattform. Um einen konsistenten Einsatz aller Plattformen im System zu ermöglichen, soll zeitgemäße Sensorik und Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz kommen.
Im April 2024 einigten sich beide Länder darauf, wie die Verteilung der industriellen Verantwortlichkeiten zwischen Frankreich und Deutschland festgelegt werden soll. Die Vertragspartner fanden über die Regelung, dass beide Länder als gleichberechtigte Partner an der Rüstungskooperation mit jeweils 50 Prozent an den Kosten zu beteiligen sind und die jeweilige nationale Industrie mit entsprechenden Arbeitsanteilen berücksichtigt wird, zueinander. Die Führungsrolle solle dabei allerdings dem deutschen Anteil zukommen. Darüber hinaus kündigte Pistorius die Gründung einer Projektgesellschaft an. Als Konglomerat aus KNDS Deutschland, KNDS France, Rheinmetall Landsysteme und Thales SIX soll sie unter anderem die vier Plattformanteile des Gesamtsystems (Kanonenplattform, die Flugkörperplattform, die Kampfunterstützungsplattform und das Einsatzsystem) entwickeln. Konkret sah die Projektgesellschaft eine Aufteilung in acht sogenannte Pillar vor:

  • Pillar 1 – MGCS-Plattform mit Fahrgestell und automatisierter Navigation unter deutscher Führung.
  • Pillar 2 – Kanone, Turm und Munition unter deutsch-französischer Führung. In einem ersten Schritt sollen jeweils national unterschiedliche Kanonensysteme entwickelt und nach einer Vergleichserprobung ein System ausgewählt werden.
  • Pillar 3 – Sekundärbewaffnung mit zum Beispiel Lenkflugkörpern unter französischer Führung.
  • Pillar 4 – Kommunikations-, Führungs- und Einsatzsystem als „digitales Nervensystem“ unter deutsch-französischer Führung.
  • Pillar 5 – Simulationsumgebung unter deutsch-französischer Führung.
  • Pillar 6 – Sensorik unter französischer Führung.
  • Pillar 7 – Schutz und Drohnenabwehr unter deutscher Führung.
  • Pillar 8 – Unterstützung, Logistik und Infrastruktur unter deutsch-französischer Führung.

Versprechen gehalten

Etwas weniger als ein Jahr nach den MGCS-Gesprächen in Paris stellten Pistorius und Lecornu unter Beweis, dass ihre Ankündigungen keine leeren Worte waren. Unter Anwesenheit beider Verteidigungsminister unterzeichneten Vertreterinnen und Vertreter von KNDS Deutschland, KNDS France, Rheinmetall Landsysteme und Thales den Gesellschaftervertrag für die „MGCS Project Company GmbH“. Damit ist ein Meilenstein zur Gründung der MGCS-Projektgesellschaft genommen. Die Project Company wird in Zukunft als industrieller Hauptauftragnehmer die Verantwortung für die Umsetzung der nächsten Phase des MGCS-Programms tragen. Wie angekündigt, halten alle vier beteiligten Unternehmen je ein Viertel der Anteile. Sitz des Unternehmens wird die Stadt Köln. Bis es so weit ist, steht jedoch noch die Vertragsaushandlung mit dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) bevor.

Holpriger Beginn

Pläne zum Bau eines deutsch-französischen Panzers gibt es bereits seit mehr als zehn Jahren. Erste Konzepte wurden im Jahr 2012 entwickelt. Sechs Jahre später machten die damaligen Verteidigungsminister Ursula von der Leyen (CDU) und Florence Parly diese Pläne mit der Unterzeichnung einer Absichtserklärung offiziell. 2020 folgte ein Rahmenabkommen. Es bestimmte, dass sich beide Länder die Finanzierung zu je 50 Prozent aufteilen. Darüber hinaus sah der Vertrag „ausreichende Rechte am geistigen Eigentum“ für beide Parteien vor. Welche Anforderungen das neue Kampfpanzersystem erfüllen muss, sollte im Rahmen einer zweijährigen Studie geklärt werden. Der Plan sah vor, dass das MGCS ab 2035 bei den deutschen und französischen Streitkräften in den Einsatz gehen sollte. Doch es kam anders. Längst ist die geplante Indienststellung auf das Jahr 2040 verschoben. Die beteiligten Unternehmen stritten jahrelang erbittert um ihr geistiges Eigentum und welches Unternehmen welche Aufgabe übernimmt.

Darüber hinaus nahmen beide Staaten die Dringlichkeit des Entwicklungsprojektes unterschiedlich wahr. Im Jahr 2008 lief der letzte französische Leclerc-Panzer vom Band. Seitdem werden keine neuen Kampfpanzer mehr produziert. In Frankreich beschränkt man sich darauf, ältere Modelle auf die neueste Kampfwertsteigerung XLR zu modernisieren. Das erfolgt seit Anfang 2023. Bis zum Jahr 2035 ist vorgesehen, 200 Einheiten auszuliefern. Anders sieht es in der Bundesrepublik aus. Der Kampfpanzer Leopard 2 ist weiterhin in Produktion. Die derzeit noch in Entwicklung befindliche, kampfstärkste Version A8 füllt den Auftragsbestand des Herstellers KNDS. So stimmte der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages am 3. Juni vergangenen Jahres der Beschaffung von insgesamt 105 Kampfpanzern dieses Typs zu – Kostenpunkt: 2,9 Milliarden Euro. Die ersten Panzer sollen bereits in zwei Jahren bei der Truppe ankommen. Darüber hinaus haben unter anderem Schweden, Litauen und Tschechien den Kampfpanzer für ihre Streitkräfte beauftragt.

Harte Arbeit

Dass trotz des schweren Starts seit vergangenem Jahr Bewegung in das MGCS-Programm kam, war Pistorius‘ Agendasetzung zu verdanken. Bevor er sich in Paris den Journalistinnen und Journalisten stellte, dankte ihm eine Sprecherin des französischen Verteidigungsministeriums für sein Engagement. Seit seinem Amtsantritt habe sich Pistorius persönlich monatlich nach Paris durchstellen lassen, um sich über die gemeinsame Arbeit auszutauschen. Dass Frankreich und Deutschland Fortschritte bei vielen Projekten erzielen konnten, die zuvor brachlagen, sei sein Verdienst.
Das MGCS-Programm sieht prinzipiell ähnlich wie das Future Combat Air System (FCAS) die Möglichkeit vor, dass sich noch weitere Länder an der Entwicklung beteiligen. Einen Tag vor seiner Reise nach Paris traf der deutsche Verteidigungsminister seinen Amtskollegen Władysław Kosiniak-Kamysz in Polen. Beim Treffen des Weimarer Dreiecks (Polen, Frankreich, Deutschland) im vergangenen Sommer zeigte dieser sich offen für eine polnische Beteiligung an MGCS oder FCAS. Vielleicht klingelt auch im polnischen Verteidigungsministerium in Zukunft einmal im Monat das Telefon.

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