Die Stadt Mannheim will ab 2030 klimaneutral sein – und ist auf dem besten Weg. Oberbürgermeister Christian Specht spricht über Fortschritte, Herausforderungen und warum der Local Green Deal nicht einfach irgendein Konzept, sondern Motor einer gesamtstädtischen Transformation ist.
Behörden Spiegel: Mannheim verfolgt mit dem Local Green Deal ein sehr ambitioniertes Ziel: Klimaneutralität ab 2030. Wie sieht Ihre Zwischenbilanz aus – welche Erfolge konnten Sie bereits erreichen?
Christian Specht: Unsere Zwischenbilanz zeigt: Mannheim meint es ernst mit dem Ziel der Klimaneutralität. Wir treiben die Energiewende, die Wärmewende und die Verkehrswende voran. Für die Energiewende setzen wir zum Beispiel auf den Ausbau der Photovoltaik und die Nutzung der Tiefengeothermie.
Für die Wärmewende haben wir als eine der ersten Städte eine kommunale Wärmeplanung entwickelt, die auf Fernwärme und Wärmepumpen mit regenerativem Strom setzt – fossile Energiequellen wie Öl und Gas werden absehbar keine Zukunft für die Heizung von Wohnungen haben. Das hat zunächst bundesweit Aufsehen erregt, aber nach und nach kommen immer mehr Städte und Gemeinden zu dem gleichen Ergebnis. Unser regionaler Energieversorger MVV unterstützt uns bei unseren Bemühungen und wird schon bis 2030 die Fernwärme in Mannheim komplett klimaneutral machen. Bereits jetzt heizen Mannheimer Haushalte mit Abwärme aus der thermischen Abfallbehandlung. Seit 2023 laufen in Mannheim eine der größten Flusswärmepumpen Europas, eine Phosphorrecyclinganlage, und ein Biomasseheizkraftwerk. Bald kommen weitere Flusswärmepumpen und Tiefengeothermie hinzu.
Für die Verkehrswende haben wir einen Masterplan Mobilität entwickelt – mit dem Ziel, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Wege noch mehr zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV zurücklegen oder nachhaltige Mobilitätsformen mit neuen Antriebstechnologien nutzen.
Behörden Spiegel: Die Umsetzung solch ehrgeiziger Vorhaben gelingt nicht ohne die breite Unterstützung von Unternehmen, Initiativen und Bürgerinnen und Bürgern. Wie schaffen Sie es, diese vielfältigen Akteure aktiv einzubinden?
Specht: Es ist ganz klar: Ohne die breite Beteiligung der gesamten Stadtgesellschaft – von Unternehmen über Vereine bis zu engagierten Einzelpersonen – können wir die Transformation nicht schaffen. Dabei ist entscheidend, dass wir das wirtschaftliche Potenzial des Standorts erhalten und gleichzeitig neue Wachstumsperspektiven aus den Anstrengungen für die Klimaneutralität schaffen.
Dafür suchen wir aktiv den Dialog mit allen Gruppen, hören zu und machen konkrete Unterstützungsangebote. Der persönliche Austausch, die individuelle Begleitung von Projektideen und die Verlässlichkeit in der Kommunikation sind zentrale Erfolgsfaktoren. Mit über 230 veröffentlichten Local Green Deals haben wir schon viele wichtige Projekte initiiert und sichtbar gemacht – gemeinsam mit Unternehmen, zivilgesellschaftlichen Akteuren und Bürgerinnen und Bürgern. Im Moment stehen wir mit über 80 Unternehmen, zahlreichen Netzwerken und Initiativen in engem Austausch, um weitere Deals schließen zu können. Über unseren Klimafonds und unsere Klimaschutzagentur fördern wir Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimafolgenanpassung mit jährlich über fünf Millionen Euro.
Behörden Spiegel: Mit Projekten wie dem Hitachi Columbus Campus oder der Photovoltaik-Offensive entstehen
konkrete Leuchttürme der Transformation. Wo sehen Sie künftig die größten Herausforderungen bei der weiteren
Umsetzung?
Specht: Solche Leuchtturmprojekte sind sehr wichtig – sie zeigen, dass Wandel möglich ist und inspirieren zur Nachahmung. Zugleich sehen wir, dass die Umsetzung der gesamtstädtischen Transformation mit komplexen Herausforderungen verbunden ist. Jedes unserer acht Aktionsfelder – von Mobilität bis Biodiversität – bringt spezifische Anforderungen mit sich. Die größten Herausforderungen sehe ich aktuell in der Koordination der unterschiedlichen Akteure, der Bewältigung von komplexen Planungs- und Genehmigungsprozessen sowie in der nachhaltigen Finanzierung der Projekte.
Die organisatorischen Aspekte können wir in der Kommune zum größten Teil erfüllen – indem wir zum Beispiel Genehmigungen im Rahmen der Möglichkeiten beschleunigen und Planungen wo immer möglich vereinfachen. Aber es fehlt an Unterstützung von EU, Bund und Land. Nur mit den notwendigen finanziellen Mitteln können wir das Ziel der Klimaneutralität zeitnah erreichen und anderen Städten und Gemeinden Wege dafür aufzeigen.
Behörden Spiegel: Ihr Leitbild „Mannheim 2030“ orientiert sich an den UN-Nachhaltigkeitszielen. Was möchten Sie bis zum Ende Ihrer Amtszeit erreichen, damit Mannheim künftig als Modellstadt für nachhaltige Entwicklung wahrgenommen wird?
Specht: Die Europäische Union hat Mannheim als erste deutsche Stadt mit dem Mission Label für klimaneutrale und intelligente Städte ausgezeichnet. Damit drückt die EU ihre Anerkennung für die erfolgreiche Entwicklung eines StadtKlimaVertrags (Climate City Contract, CCC) aus, der die Gesamtvision der Stadt Mannheim für Klimaneutralität umreißt und einen Aktionsplan dafür enthält. Leider sind mit der Auszeichnung keine Fördermittel von EU, Bund oder Land verbunden, um den Aktionsplan umsetzen zu können.
Dennoch will ich in meiner Amtszeit Mannheim auf dem Weg der Transformation in eine klimaneutrale Zukunft ein großes Stück voranbringen. Dazu erweitern wir das Leitbild des Local Green Deal um das Thema Green Industrial Deal. Denn die internationale Wettbewerbsfähigkeit für eine Wirtschaft in der Transformation ist zentral für die Frage der Vorbildfunktion unseres Wegs zur Klimaneutralität. Ohne ein ausgewogenes Verhältnis zwischen ökonomischer Prosperität, sozialer Verantwortung und ökologischer Wirkung wird es uns nicht gelingen, weltweit viele Nachahmer für unseren Klimakurs zu gewinnen.