Industriekapazitäten und die Bedarfe in der Verteidigung klaffen auseinander. Die Bundesregierung will dem strategisch entgegenwirken. Ein erster Entwurf liegt dem Behörden Spiegel vor.
Mit der Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie stellt die Bundesregierung ihre strategischen Ziele für die deutsche Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (SVI) vor. Sie ersetzt das Strategiepapier zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie aus dem Jahr 2020.
Die Bundesregierung fordert die SVI auf, dynamisch, responsiv, wettbewerbsfähig und innovativ zu sein. Damit dies gelingen kann, identifiziert das Papier sieben Handlungsfelder.
Die Autorinnen und Autoren definieren zunächst Schlüsseltechnologien als elementare Kernfähigkeiten, die es national vorzuhalten gilt. Bei diesen Technologien sei die Abhängigkeit von ausländischen Anbietern zu vermeiden. Dabei gibt das Strategiepapier konkrete Anweisungen, welche Technologiefelder den Schlüsseltechnologien zuzurechnen sind. Benannt werden:
- Militärische und sicherheitsrelevante IT- und Kommunikationstechnologien
- Künstliche Intelligenz
- Marineschiffbau
- Behördenschiffbau
- Geschützte/gepanzerte Fahrzeuge
- Sensorik
- Schutz und elektromagnetischer Kampf
Neben diesen Kernthemen fordert das Papier, nationale Verfügbarkeit in den Bereichen Quantentechnologien, Flugkörper und Flugkörperabwehr, Raumfahrttechnologien, Munition und unbemannte Systeme sicherzustellen.
Die Industrie in Deutschland wird angehalten, in die benannten Technologiefelder zu investieren.
In seiner Rolle als Beschaffer fordert das Papier den Staat auf, den Aufbau resilienter Lieferketten anzuregen und Beschaffungen schneller und transparenter mit der Industrie zu kommunizieren.
Aufhorchen lässt die Idee, Vorausbestellungen mit einer Dekade Vorlauf zu ermöglichen sowie der Industrie Kapazitätsprämien auszuschütten.
Im Bereich der Regulierung und gesetzlichen Rahmenbedingungen sticht besonders eine mögliche Novellierung im Kriegswaffenrecht, um Wettbewerbsnachteile der deutschen SVI zu minimieren, ins Auge. Gleiches gilt für die Vorschläge, Government-to-Government-Geschäfte zu erlauben und ein eigenständiges Investitionsprüfungsgesetz zu verabschieden.
Ein wiederkehrendes Thema des Kapitels ist die Forderung, bürokratische Hürden abzubauen.
Unmittelbare staatliche Beteiligung
Besonderes Augenmerk richten die Autorinnen und Autoren auf die finanziellen Rahmenbedingungen der SVI. So stellt das Papier Vorauszahlungen, die Befähigung des deutschen Förderbankensystems zur Finanzierung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie sowie die Aufstockung des Zukunftsfonds für rüstungsgüterproduzierende Start-ups in Aussicht. Auch die Ausweitung der Instrumente der Wirtschaftsförderung auf Unternehmen der SVI ist Gegenstand der Strategie. Um vergleichbare Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, prüft die Bundesregierung die Nutzung von Exportkreditgarantien über maritime Güter hinaus.
Darüber hinaus geht die Bundesregierung auf eine häufig von der Industrie formulierte Kritik ein. Laut den Autorinnen und Autoren der Strategie „sind SVI-Aktivitäten aus Sicht der Bundesregierung grundsätzlich kompatibel mit ESG-Kriterien“.
Die in der Strategie auf Seite zehn abgedruckte Formulierung: „Die Bundesregierung prüft, sich ausnahmsweise in besonderen strategischen Fällen unter den Voraussetzungen des § 65 BHO an Unternehmen der SVI zu beteiligen“, hat bereits für einige mediale Resonanz gesorgt. In einem Fernsehinterview äußerte sich Rheinmetall-CEO Armin Papperger positiv über den Vorschlag. Eine derartige Maßnahme könne den Aktienkurs des Unternehmens stabilisieren.
Des Weiteren entwickelt die Bundesregierung im Papier Maßnahmen, die personelle Ausstattung der SVI zu gewährleisten. Dies soll insbesondere bei der Aus- und Weiterbildung, der Nutzung von Arbeitspotenzialen, der Arbeitskultur sowie der Einwanderungspolitik erfolgen. Konkret will die Bundesregierung dafür sorgen, dass weitere Verzögerungen bei der Sicherheitsüberprüfung von Personal in Unternehmen der SVI vermieden werden. Das Verfahren an sich will man bedarfsgerecht anpassen.
Abstimmung noch nicht in Aussicht
Des Weiteren stellen die Autorinnen und Autoren eine Studie in Aussicht, die Effekte der Strategie im Rahmen einer Studie auszuwerten. Diese Ergebnisse sollen auch in die Anpassung einzelner Aktivitäten in den aufgezeigten Handlungsfeldern einfließen.
Auf Nachfrage erklärte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), dass sich das Papier zurzeit in der Bearbeitungsphase befinde. Zu einem Termin für eine Kabinettsbefassung sind noch keine Informationen bekannt