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BeschA-Präsident: It’s all about logistics

Ohne sein Amt würde den Behörden in Deutschland etwas fehlen. Und dies ist wortwörtlich zu verstehen. Neben der Versorgung von staatlichen Akteuren mit wichtigen Gütern, sieht Dr. Alexander Eisvogel, Präsident des Beschaffungsamtes des BMI (BeschA) seine Haus auch als Treiber der Digitalisierung. Im Interview erklärt er, wie sich sein Amt weiterentwickeln soll und was er vom Transformationsprozess des Vergaberechts erwartet. Die Fragen stellte Bennet Biskup-Klawon.

Behörden Spiegel: Sie sind seit Jahresanfang Präsident des Beschaffungsamtes des BMI (BeschA). Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?

Dr. Alexander Eisvogel: Im Handbuch der amerikanischen Armee findet sich der Satz: It’s all about logistics. Diesen Satz habe ich gleich in den ersten Wochen in meiner neuen Funktion im Beschaffungsamt gehört und er bestätigt sich jeden Tag. Nicht nur für die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft, sondern auch für die des gesamten öffentlichen Dienstes ist die logistische Versorgung von entscheidender Bedeutung. Und das Beschaffungsamt des BMI kann Logistik!

Es ist längst ein herausragender Akteur für die logistische Versorgung in diesem Land. Anders ausgedrückt: Ohne uns kommt die Polizei nicht zum Einsatz und die Katastrophenschützer müssten mit bloßen Händen arbeiten. Dabei dürfen wir seit Jahren eine sehr große Kundenzufriedenheit verzeichnen und sind zu Recht stolz auf eine extrem hohe Vergaberechtssicherheit. Das BeschA ist zugleich aber auch ein entscheidender Treiber bei der Digitalisierung und im Bereich Nachhaltigkeit. Dennoch haben wir den Anspruch, da nicht stehen zu bleiben. Wir wollen uns als strategischer Beschaffer konsequent weiterentwickeln und den öffentlichen Einkauf gemeinsam mit unseren Kunden auf eine neue Ebene heben. Dabei setze ich auf die Unterstützung aus dem BMI bei der effizienten Gestaltung des Vergaberechts und aller sonst relevanten Rahmenbedingungen.

Am wichtigsten aber ist und bleibt für mich das unverändert hohe Engagement meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bonn und Erfurt. Da bin ich wirklich stolz drauf und dafür möchte ich mich auch an dieser Stelle ganz herzlich bedanken. Dieses Engagement möchte ich unterstützen und fördern. Dies gilt ganz besonders für unsere Arbeit in Krisensituationen. Das BeschA hat sich während der Corona-Pandemie, dem Krieg in der Ukraine, oder ganz aktuell in der Erdbebenhilfe für die Türkei und Syrien als perfekter Krisenmanager gezeigt: Auf uns kann man sich verlassen – und das ist gut so!

Behörden Spiegel: Wie soll sich das BeschA weiterentwickeln?

Dr. Eisvogel: Wie in einem Diamanten sehen Sie im BeschA viele überaus interessante Facetten. Sie finden in unserem Haus den Motor für die Digitalisierung der Bundesverwaltung, eine Schaltzentrale für Krisenbeschaffung oder engagierte Impulsgeber für moderne Organisationsentwicklung. Das alles versuche ich gerade für mich in seiner ganzen Fülle zu erfassen, um daraus gemeinsam mit allen Mitarbeitenden in einer zielgerichteten konzertierten Aktion eine moderne Beschaffungsbehörde neuen Typs zu formen.

Ein großes Anliegen ist mir dabei insbesondere eine Förderung der Nachhaltigkeit auch im eigenen Verwaltungshandeln. Wir haben gerade für den Standort an der Brühler Straße in Bonn die Zertifizierung nach dem europäischen Umweltmanagementsystem EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) erhalten und leisten damit anerkanntermaßen bereits jetzt einen wirksamen Beitrag zum Umweltschutz, sparen Kosten ein und zeigen gesellschaftliche Verantwortung. Damit sind wir die Ersten im Geschäftsbereich des BMI und das verdanken wir den vielfältigen Aktivitäten engagierter Kolleginnen und Kollegen im ganzen Haus. Das BeschA hat sich voller Überzeugung als Pilotbehörde an der Einführung von EMAS beteiligt und diese Maßnahme als erste Behörde im Geschäftsbereich des BMI umgesetzt.

Der größte zivile Beschaffer des Bundes mit einem Vergabevolumen von mehreren Milliarden Euro pro Jahr ist also nicht nur ein Treiber bei der Nachhaltigkeit im öffentlichen Einkauf, sondern wir kehren auch vor der eigenen Tür. So wollen wir weitermachen.

Behörden Spiegel: Welche Rolle soll der Datenservice Öffentlicher Einkauf einnehmen?

Dr. Eisvogel: Wir alle wissen, dass die Digitalisierung ein rasend schneller Megatrend ist und nicht auf die öffentliche Hand wartet. Mit dem „Datenservice Öffentlicher Einkauf“ schaffen wir einen wichtigen Meilenstein.

Rein technisch ermöglicht er eine zentrale Bündelung aller Bekanntmachungsdaten in einer multifunktionalen Serviceplattform. Gesellschaftspolitisch steht er für das anhaltende Engagement des BeschA in der Weiterentwicklung der elektronischen Beschaffung. Wir haben gemeinsam mit dem BMI und dem Land Bremen diesen zentralen Datenservice für Vergabeverfahren von Bund, Ländern und Kommunen entwickelt. Kurz gefasst werden auf der Serviceplattform Bekanntmachungsdaten aus öffentlichen Ausschreibungen zentral zusammengeführt und fortlaufend aktualisiert. Damit erhöhen wir die Transparenz in öffentlichen Vergabeverfahren und erleichtern Unternehmen, Verwaltung und Zivilgesellschaft den Informationszugang. Nutzer können leichter Daten individuell auswerten, die Verwaltung kann vorausschauender und damit effizienter handeln, Bietende haben bessere Möglichkeiten zur Teilnahme an den Vergabeverfahren – eine klassische Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Auch dafür steht das BeschA.

Behörden Spiegel: Was erwarten Sie vom angestoßenen Transformationsprozess des Vergaberechts? Wie soll sich das Vergaberecht weiterentwickeln?

Dr. Eisvogel: Meine Fachleute haben mir erklärt, dass eigentlich mit fast jeder Novellierung des Vergaberechts eine notwendige Vereinfachung einhergehen sollte. Leider ist das in der Realität oft nicht gelungen und daran müssen wir arbeiten.

Neue Anforderungen z. B. im Bereich der Nachhaltigkeit sollten daher beispielsweise nicht nur so konkret wie möglich ausgestaltet werden, sondern müssen vor allem immer noch die Flexibilität bieten, für unterschiedliche Märkte oder Produktsortimente auch praxisnahe Vorgehensweisen zu ermöglichen. Sonst erweisen wir der guten Sache einen Bärendienst. Die Komplexität von Vergabeverfahren darf durch Novellierungen des Vergaberechts nicht unnötig steigen und der Aufwand für Unternehmen sollte diese nicht von einer Teilnahme abschrecken, sondern sollte möglichst sinken. Nachhaltigkeit, die vollständige Digitalisierung des Vergabeprozesses, die Standardisierung von Prozessen und Nachweisen, sowie die freie Verfügbarkeit von Informationen sind von besonderer Bedeutung bei der Weiterentwicklung des Vergaberechts und in der Vergabepraxis. Nur wenn es uns gelingt, hier klare, praxisnahe und effiziente rechtliche Regelungen zu entwickeln, kann der öffentliche Einkauf tatsächlich auch als Hebel zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen, zur Förderung von Innovationen oder zur Teilhabe von KMUs und Start-ups wirken. Und das wollen wir doch alle, nicht wahr?

Die öffentliche Hand hat aber in fast allen Produktbereichen mit rückläufigen Angebotszahlen zu kämpfen. Wir wollen, dass der Wettbewerb um öffentliche Aufträge wieder attraktiver wird – zum Wohle aller.

Behörden Spiegel: Wie wird das BeschA in den Prozess miteingebunden?

Dr. Eisvogel: Natürlich schaut man in besonderem Maße auf unsere Meinung! Das BeschA hat in einem abteilungsübergreifenden Prozess eine Position erarbeitet, die in die Stellungnahme des BMI an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz eingeflossen ist.

Darüber hinaus erwarte ich einen intensiven und breiten, ressortübergreifen Austausch, da etwa bei der Digitalisierung des öffentlichen Einkaufs oder durch den gemeinsamen Vorsitz des BMI im Interministeriellen Ausschuss für nachhaltige öffentliche Beschaffung bereits eine sehr enge Zusammenarbeit mit dem BMWK besteht.

Ich bin sicher, dass die fachliche Expertise des BeschA im weiteren Prozess der Novellierung des Vergaberechts ausreichend Gehör findet. Niemand will sich schließlich am Ende den Vorwurf gefallen lassen, nicht auf die Experten gehört zu haben.

Behörden Spiegel: Der Transformationsprozess sieht einerseits eine Beschleunigung und Vereinfachung der Vergabe vor. Anderseits soll die Vergabe wirtschaftlich, sozial, ökologisch und innovativ ausgerichtet sowie die Verbindlichkeit des Vergaberechts soll gestärkt werden. Einige Experten sehen hier Zielkonflikte. Wie schätzen Sie dies ein?

Dr. Eisvogel: Ein Zielkonflikt entsteht doch dann, wenn komplexe Themen einseitig betrachtet oder spezifische Interessen durchgedrückt werden sollen. Wir müssen diese Fragen aber ganzheitlich sehen. Wie ich eben schon ausführte, kann das Vergaberecht durch klare und verbindliche Regelungen zur Nachhaltigkeit gestärkt werden und gleichzeitig damit eine Vereinfachung und Beschleunigung verbunden sein. Daher kommt es insbesondere darauf an, bereits im Vorfeld die Auswirkungen auf Vergabestellen, Wirtschaft und Beschaffungsmärkte zu prüfen und diese Akteure an der Front mit ihrer breiten Erfahrung bei der Neuregelung zu berücksichtigen. Alles ist mit allem verbunden. Dieser Komplexität müssen wir gerecht werden.

Behörden Spiegel: Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien im Bund heißt es, dass die Vergaben sozial und ökologisch ausgerichtet werden sollen. Welchen Stellenwert nimmt das Thema Nachhaltigkeit jetzt beim BeschA ein?

Dr. Eisvogel: Spätestens nach der Flutkatastrophe im Sommer 2021 muss uns doch allen klargeworden sein, wie wichtig Klimaschutz und damit das Thema Nachhaltigkeit sind. Bundesregierung, BMI und BeschA haben das für den Bereich des öffentlichen Einkaufs zum Glück schon sehr früh in konkrete Aktivitäten umgesetzt. Bereits 2010 hat der Staatssekretärsausschuss mit seinem Maßnahmenprogramm verdeutlicht, dass das Leitprinzip einer nachhaltigen Entwicklung auch in der Verwaltung handlungsweisend sein soll. Aus diesem Grund wurde auch beim BeschA die Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung (KNB) als zentrale Ansprechstelle für alle öffentlichen Auftraggeber eingerichtet. Gemeinsam mit unseren Kundenbehörden und im Einklang mit den Möglichkeiten der jeweiligen Märkte gelingt es uns so, ökologische und soziale Aspekte im Vergabeprozess zu platzieren und nachhaltige Produkte und Dienstleistungen zu beschaffen.

Das BeschA engagiert sich aber auch über den eigenen Beschaffungsbereich hinaus. So haben wir z.B. zusammen mit dem Digitalverband Bitkom e.V. 2019 in einer gemeinsamen Initiative die Mustereinkaufsbedingungen für die Berücksichtigung sozialer Aspekte in der Beschaffung von ITK-Produkten und ITK-Dienstleistungen aktualisiert. Die gemeinsam geschlossene Verpflichtungserklärung ist ein Muster für alle öffentlichen Auftraggeber in Deutschland und wird natürlich auch in BeschA-Ausschreibungen integriert.

Wir sind uns sehr bewusst, dass Nicht-Tun der größtmögliche Fehler ist, und deshalb wird das Thema im BeschA unter meiner Führung im öffentlichen Einkauf weiter an Bedeutung gewinnen.

Behörden Spiegel: Wie soll die Nachhaltigkeitsstrategie weiterentwickelt werden?

Dr. Eisvogel: Wir wollen Vorreiter im Bereich der nachhaltigen Beschaffung und Vorzeigeinstitution für strategischen, nachhaltigen und innovativen öffentlichen Einkauf bleiben. Dabei setzen wir das Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit konsequent um.

Konkret bedeutet dies, dass wir gerade die nötigen Vorgaben und Strukturen schaffen. So haben wir beispielsweise hausinterne Regelungen zur Beachtung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Beschaffung selbst erlassen. Im Zuge dessen werden in ausgewählten Beschaffungsreferaten Nachhaltigkeitsberatende etabliert, sodass für den Themenkomplex Nachhaltigkeit eine organisatorisch klare Zuständigkeit im Sinne einer festen und verantwortlichen Ansprechstelle und Informationsquelle für Beschaffende verfügbar ist. Darüber hinaus richten wir gemeinsam mit den anderen Zentralen Beschaffungsstellen das Kaufhaus des Bundes auf ein nachhaltiges Produktportfolio aus. Und natürlich achten wir darauf, dass Nachhaltigkeitsaspekte im Rahmen unseres eigenen behördlichen Handelns berücksichtigt werden. So wollen wir den ökologischen Fußabdruck unserer täglichen Arbeit so klein wie möglich halten. Unsere EMAS-Zertifizierung und die dazugehörige Umwelterklärung sind da ein guter Anfang!

Behörden Spiegel: Wie stark hat sich der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Lieferengpässe auf die Vergabeverfahren im BeschA ausgewirkt?

Massiv. Die Auswirkungen sind beträchtlich und stellen unsere Mitarbeitenden täglich vor extreme Herausforderungen. Ich habe großen Respekt davor, wie engagiert und effizient meine Kolleginnen und Kollegen diese Herausforderung schultern. Wir haben verstanden, dass wir die Krisen nicht nur meistern, sondern in immer schnellerem Tempo aus jeder Krise lernen müssen! Uns stellen sich dabei besondere Herausforderungen:
So beobachten wir in diesem Kontext sowohl klassische Lieferprobleme aufgrund der gestörten Lieferketten, aber auch schlichtweg ein Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage. Der Markt im Bereich der Katastrophenschutzgüter (z.B. Stromgeneratoren) beispielsweise ist wie leergefegt, da es hier viele Nachfragen auf dem nationalen und internationalen Markt gibt. Aber auch andere mit dem Krieg verbundene Phänomene wirken sich auf Vergabeverfahren aus. So können heute Unternehmen keine verlässlichen Preisaussagen für Zeitspannen über zwölf Monate treffen. Das hat u.a. mit volatilen Energie- und Ressourcenpreisen zu tun. Diese Realität muss in Neuverträgen gewürdigt werden, um Ausschreibungen für Unternehmen auch weiterhin attraktiv zu machen. Aber auch laufende Verträge müssen dementsprechend aufwändig angepasst und geändert werden. Meine Mitarbeitenden sind hier extrem gefordert, mit ihren Ausschreibungen den Anforderungen des Marktes gerecht zu werden und gleichzeitig den Wünschen unserer Bedarfsträger zu entsprechen. Diese Probleme hatten wir in dieser Form noch vor wenigen Jahren nicht!

Wie gut wir trotzdem Beschaffungen auch und gerade in Krisenzeiten managen, können Sie übrigens in einem gerade fertiggestellten YouTube-Video anschaulich verfolgen. (Link)

Behörden Spiegel: Welche Lehren konnte das BeschA aus der aktuellen Krise für zukünftige Ausnahmesituationen ziehen?

Ich befürchte, die Ausnahmesituation könnte unsere neue Normalität werden. Aber wir werden auch diese Herausforderung annehmen und unsere Fähigkeiten als Krisenbeschaffer ausbauen. Mit jeder Erfahrung werden wir besser!

Bereits während der Corona-Pandemie waren wir gezwungen, uns neuen Realitäten zu stellen und diese Herausforderungen zu meistern, was uns sehr gut gelungen ist. Nach der Corona-Krise folgten der Ukrainekrieg und die Inflation. Schon jetzt zeichnen sich weitere Krisen in Südostasien oder unter dem Stichwort Deglobalisierung ab, und auch die Klimakrise wird anhalten. Jede davon hat auch das Potenzial, Wettbewerb zu behindern, Lieferketten zu beeinträchtigen oder Märkte zu zerstören. Daher gilt es, den öffentlichen Einkauf, und damit die Bedarfsdeckung für die öffentliche Hand robuster, flexibler und kreativer zu machen, kurzum krisenresilient zu gestalten. In unserer 2022 eigens geschaffenen „Task Force Ukraine“ im BeschA wurden hier erfolgversprechende Erfahrungen gesammelt, die schon bei der Erdbebenhilfe für die Türkei und Syrien äußerst erfolgreich Anwendung fanden. Diese werden wiederum sukzessive in den Regelprozess überführt, um trotz der derzeitigen Situationen den öffentlichen Einkauf wirtschaftlich, planbar und krisenfest zu gestalten. Auch das BeschA steht am Anfang einer Zeitenwende. Gemeinsam werden wir unser Haus zu einem Leuchtturm des modernen öffentlichen Einkaufs machen: It’s all about logistics!

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