Die Justizvollzugsanstalten in Deutschland sind voll – einige sind streckenweise sogar überbelegt. Das betrifft aktuell etwa die JVA Bremen, kurz vor Weihnachten berichtete die Tageszeitung taz über Kapazitätsprobleme in Berlin-Moabit. Die Folge sind nicht nur die zusätzliche Belastung für die Justizvollzugsbeamten. Auch für das Klima unter den Häftlingen ist die Überbelegung schlecht. Bei Reibereien zwischen einzelnen Personen z.B. können keine Verlegungen in einen anderen Teil der Anstalt mehr vorgenommen werden. Und ist die Stimmung unter den Einsitzenden schlecht, wird die Arbeit der Beamten schwieriger und auch gefährlicher.
Wie kann diese Situation zeitnah bewältigt werden? Zusätzliche Kapazitäten schaffen – das ist ein relativ langwieriger Prozess. Dabei gibt es eine viel naheliegendere Möglichkeit. Schließlich gibt es in den Haftanstalten bundesweit auch genügend Insassen, die ursprünglich gar nicht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden waren – sondern zu einer Geldstrafe, die sich aus einer bestimmten Anzahl an Tagessätzen zusammensetzt. Die sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe wurde erst vor wenigen Monaten reformiert. Seitdem muss für einen nicht bezahlten Tagessatz nur noch ein halber Tag Haft abgesessen werden. Ein Gewinn, betont Bundesjustizminister Marco Buschmann in Interviews und Pressemitteilungen. Dem Justizsystem würde dabei viel Geld gespart.
Außerdem soll nun verstärkt auf die Möglichkeiten zur Stundung, Ratenzahlung und Umwandlung der Geldstrafe in gemeinnützige Arbeit hingewiesen werden. Letztere ist für die Verurteilten und die Gesellschaft auf dem Papier ein großer Gewinn. Statt dem Stigma und den Kosten einer Haftstrafe, stehen Kommunen und Vereinen so Arbeitskräfte zur Verfügung, die ohnehin händeringend gesucht werden. Für Langzeitarbeitslose oder Obdachlose, die aufgrund ihrer fehlenden finanziellen Mittel Geldstrafen oft nicht bezahlen können, ist diese Arbeit zudem ein Berührungspunkt mit einem strukturierten Alltag und regelmäßiger Arbeit, was ihnen den Weg in ein geregelteres Leben einfacher machen könnte. Doch die Umwandlung der Strafe muss beantragt werden. Umso wichtiger, dass diese Information aktiv an die Betroffenen herangetragen wird.
In der aktuellen Situation – mit vollen Haftanstalten und leeren Haushaltskassen – sollte das Potenzial der gemeinnützigen Arbeit nicht ungenutzt bleiben. Immerhin gibt es bei einer Ersatzfreiheitsstrafe keinen Grund, weshalb die Verurteilten hinter Gittern sitzen sollten. Hätten sie genug Geld, müssten Sie es ja auch nicht. Wie verschoben das Verhältnis von Tat zu Strafe ist, wird an einem einfachen Beispiel deutlich: Die Initiative Freiheitsfonds kauft Menschen frei, die wegen Fahrens ohne Fahrschein in Bus und Bahn eine Ersatzfreiheitsstrafe ableisten. Nach eigenen Angaben haben sie dem Staat damit bisher Kosten von 15,2 Millionen Euro erspart.
Wem hilft es, wenn Schwarzfahrer hinter Gittern sitzen? Der Justiz entstehen zusätzliche Kosten, die Gesellschaft muss diese Kosten decken und die verurteilte Person verliert ihre Freiheitsrechte, weil sie kein Geld hatte, die Fahrkarte, das erhöhte Beförderungsentgelt oder spätestens die Geldstrafe zu bezahlen.
Wäre nicht allen Beteiligten mehr geholfen, wenn stattdessen in den abzuleistenden Arbeitsstunden neue Grünanlagen angelegt, Sozialdienste verstärkt oder Vereine unterstützt würden?