Der Kommandeut des Kommandos Cyber- und Informationsraum (CIR), Admiral Dr. Thomas Daum, erklärte auf einem parlamentarischen Abend des Behörden Spiegel, warum die ukrainische Regierung Maßnahmen ergreift, die Smartphone-Wecker stören.
Dass in der Ukraine derzeit viele Menschen verschlafen, wenn sie sich auf die Wecker ihrer Smartphones verlassen, erläuterte der Kommandeur des Kommandos Cyber- und Informationsraum (CIR), Vizeadmiral Dr. Thomas Daum, auf dem parlamentarischen Abend des Behörden Spiegel zum Thema „Global Risk – IT-Industrie in der Verantwortung“ in Berlin. Denn wenn Menschen am Morgen gehetzt und verspätet zu Terminen erscheinen, sei dies das kleinere Übel. Die ukrainischen Streitkräfte nähmen es gerne in Kauf. Zurückzuführen ist das Versagen der Technik nämlich darauf, dass die ukrainische Armee bewusst das GPS manipuliert. Russischen Drohnen, die Ziele in der Ukraine anvisieren, wird dadurch die Orientierung erschwert. Allerdings sieht sich das Smartphone dadurch ebenfalls in eine andere Zeitzone versetzt und löst den Weckalarm verspätet oder verfrüht aus. Der Generalstab der Ukraine habe die Zivilbevölkerung aus diesem Grund aufgefordert, wieder auf analoge Wecker zurückzugreifen, erläuterte Daum.
Zwar sei man in der Bundesrepublik nicht gezwungen, Drohnenangriffe durch den elektromagnetischen Kampf abzuwehren, Bedrohungen aus dem Cyber-Raum sei man aber dennoch ausgesetzt. „Deutschland ist im Fokus“, mahnte Daum daher. Die Aktivitäten im hybriden Spektrum erreichten derzeit sogar ein neues Niveau, führte der Inspekteur CIR aus. Ausgangspunkt der meisten Angriffsvektoren sei dabei Russland. Dass Deutschland aus russischer Perspektive ein attraktives Angriffsziel darstellt, läge vor allem in der Unterstützung der Ukraine begründet. Darüber hinaus stünden deutsche Rüstungsprojekte im russischen Interesse. Davon zeugt die Vielzahl der Sabotageakte im letzten Jahr.
Wirkung ohne Krieg
So sei es russischen Hackern gelungen, das deutsche Rüstungsunternehmen Diehl durch gefälschte Stellenausschreibungen zu kompromittieren. Per Mail erhielten unbedarfte Mitarbeitende des Unternehmens angebliche Stellenausschreibungen. Das angeheftete Dokument eröffnete allerdings keine neuen Karrieremöglichkeiten, sondern verschaffte russischen Hackern Zugang zum IT-System des Rüstungsunternehmens. Ebenfalls im Visier Russlands steht der CEO von Cloudflare, Matthew Prince, wie Stefan Henke, Area Vice President bei Cloudflare erläuterte. Dass sein Unternehmen dazu beitrage, dass freie Internet für die russische Zivilbevölkerung aufrecht zu erhalten, sei dem Kreml ein Dorn im Auge. In Anbetracht der Umstände spricht Daum nicht länger vom Frieden. Competition beschreibt die Situation aus seiner Sicht treffender.
Der Zustandsbeschreibung schloss Daum eine weitere Frage an: Wenn es gelingt, mit hybriden Methoden eine Informationsgesellschaft durch Manipulation fremdzusteuern, braucht es dann wirklich noch einen Krieg? Denn Russland gelinge es bereits heute, mit hybriden Maßnahmen Irritationen auszulösen. Daum konkretisierte dies anhand einiger Beispiele. Die Liegenschaften der Bundeswehr verzeichneten im vergangenen Jahr eine große Zahl von Drohnenüberflügen. Insbesondere Kasernen, in denen die deutschen Streitkräfte ukrainische Truppen ausbilden, seien vermehrt betroffen. Darüber hinaus sei die Kritische Infrastruktur ein beliebtes Ziel für hybride Kampagnen. Das stifte bereits im Frieden Unruhe.
Im Kriegsfall könne man dann den Schalter umlegen. Auch im elektromagnetischen Spektrum müsse sich Deutschland Angriffen erwehren. Zu Störungen des GPS-Signals über der Ostsee komme es immer wieder. Darüber hinaus unternehme Russland Störmaßnahmen, die die Bundeswehr dem Elektronischen Kampf (ELOKA) zuordnet. So dauerte es nur 48 Stunden, bis bei der Übung Quadriga in Litauen im vergangenen Jahr der deutsche Funkverkehr zusammenbrach. Die russischen und belarussischen Streitkräfte hätten einmal ausprobiert, wie gut ihre Störmaßnahmen funktionierten, erläuterte Daum. Das Problem sei aber politisch erkannt. So gab es vor 14 Tagen eine Sitzung im Verteidigungsausschuss, der sich mit der Frage befasste, was im Ausland gegen Deutschland passiere.
Mit KI wächst das Problem exponentiell
Dass sich die Gefahr hybrider Bedrohungen auf absehbare Zeit abschwächt, schließt Daum aus. Vielmehr werde sich das Angriffsaufkommen durch den Einsatz von KI in Quantität und Qualität sogar noch steigern. Bereits seit fünf Jahren sei KI in der Lage, Bild- und Videomaterial zu erstellen, das durch das menschliche Auge nicht mehr als solches zu entlarven sei. „Dagegen brauchen wir Resilienz“, forderte Daum folgerichtig. Die geforderte Resilienz betreffe sowohl die technische als auch die gesellschaftliche Dimension. Unterdessen bilde China 2.000 Menschen quasi als staatliche Hacker aus. Dem müsse man sich aus Bundeswehrperspektive Tag für Tag erwehren.