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StartDigitalesDatenschutz auf dem Prüfstand

Datenschutz auf dem Prüfstand

(BS) Die Wahrung des individuellen und kollektiven Datenschutzes wird in kaum einem anderen Land derart hoch bewertet, wie in Deutschland. Die Fragen um den adäquaten Schutz sensibler Daten stellt sich mit einer komplexeren Sicherheitslage in Deutschland neu: Ist der Datenschutz in seiner jetzigen Form ein Bremsklotz für die effektive Polizeiarbeit?

Über diese Frage diskutierte heute ein hochkarätiges Panel auf dem 28. Europäischen Polizeikongress in Berlin. So debattieren Andreas Stenger, der Präsident des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg mit Anke Domscheid-Berg, ehemalige Bundestagsabgeordnete (Die Linke) und Expertin für Digitalpolitik. Außerdem beteiligen sich Peter Beuth, Managing Director bei PwC Stretegy& und Innenminister in Hessen a.D. (CDU) und Gerald Eder, Technical Programm Manager P20.

Freiheit vs. Sicherheit

Amokläufe, Anschläge und wachsende Cyberkriminalität lassen die Bevölkerung zu Recht eine effektive Antwort der Sicherheitsbehörden erwarten. Tatsächlich setze der rechtliche wie technische Rahmen der Ermittlungsarbeit in Deutschland aber nicht wenige Grenzen, so Stenger. Das nehme seinen Anfang bereits bei der äußerst heterogenen Ausstattung mit IT-Systemen inklusive damit verbundener Inkompatibilitäten. Zwar lobte er die Erfolge der Saarbrücker Erklärung von 2020, die neben einer Stärkung der digitalen Souveränität auch dieses Problem lösen will. Zu den neueren Technologien wie Künstlicher Intelligenz (KI) fehlten aber nach wie vor klare, auch verfassungsrechtliche Standards bezüglich möglicher Verwendung durch die Polizei.

Auch Gerald Eder weist auf die Notwendigkeit politischer und juristischer Anpassungen hin. Er ist der fachliche Programmleiter von P20 und verantwortet die inhaltliche und technische Ausgestaltung des Programms. Das Programm Polizei 2020 (P20) ist eine umfassende Digitalisierungsinitiative des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) zur Modernisierung der IT-Infrastruktur der deutschen Polizeibehörden. Ziel ist es, die 16 Landespolizeien und vier Bundesbehörden – darunter das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei, das Zollkriminalamt und die Polizei beim Deutschen Bundestag – in einem einheitlichen digitalen Verbundsystem zu vernetzen. Neben einer Zentralisierung der ermittlungsrelevanten Daten sei auch eine Vereinfachung der Datenerfassung in den Dienststellen unerlässlich.

Anke Domscheid-Berg plädiert für Maß und Mitte bei Datenschutzfragen. Vorgeschlagene Maßnahmen wie Gesichtserkennung oder Chat-Kontrollen müssten stets dreierlei Fragen positiv beantworten, bevor sie eingesetzt werden könnten: Ist die Maßnahme geeignet, den Täter zu fassen oder die Gefahr präventiv abzuwenden? Gibt es alternative, weniger grundrechtseingreifende Maßnahmen? Und letztlich: Ist die Maßnahme dem Sachverhalt tatsächlich angemessen? Insbesondere bei den Pilotprojekten zur Chatkontrolle zeige sich eine enorm hohe Fehlerquote. Demnach würde ein großer Teil der Chatprotokolle zu Unrecht erhoben. Zudem dauere die Auswertung stellenweise bis zu drei Jahren. Predictive Policing lehnt sie mit Verweis auf ein bereits rechtskräftiges Verbot innerhalb der Europäischen Union entschieden ab.

Peter Beuth widerspricht und weist darauf hin, dass sich die Skepsis über die Verwertung sensibler Daten bereits bei der Einführung der DNA-Analyse Bahn brach. Dies sei heute völlig normal und trage auch zur Aufklärung alter Fälle bei. Weiterhin sei sowohl die bessere Auswertung bestehender, als auch der Ausbau der verfügbaren Daten für eine effektive Ermittlungsarbeit unerlässlich. Die Datentöpfe der 16 Länder müssten endlich zusammengelegt werden.

Digitalisierung braucht Vertrauen – und klare Regeln

Die Diskussion machte deutlich, dass der scheinbare Widerspruch zwischen Sicherheit und Datenschutz differenziert betrachtet werden muss. Während Vertreterinnen und Vertreter aus Sicherheitsbehörden und Politik die Notwendigkeit effizienter digitaler Ermittlungsinstrumente betonen, fordern Datenschutzexpertinnen klare rechtliche Leitplanken und eine stärkere Orientierung an grundrechtlichen Maßstäben. Einigkeit bestand darin, dass die bestehenden Strukturen an die sicherheitspolitischen Herausforderungen der Gegenwart angepasst werden müssen – rechtlich, technisch und organisatorisch. Programme wie P20 zeigen, dass Fortschritt möglich ist – wenn politischer Wille, fachliche Kompetenz und gesellschaftlicher Diskurs Hand in Hand gehen.

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