Die Politik überabeitet das Baugesetzbuch, die Förderbank KfW subventioniert junge Familien: Um für mehr Wohnraum zu sorgen, wird derzeit an mehreren Ecken und Enden geschraubt. Doch halten die neuen Maßnahmen, was sie versprechen?
Die Klappcouch im Wohnzimmer wird als regelmäßige Schlafstätte genutzt, mehrere Geschwister teilen sich das Kinderzimmer und ein Rückzugsort für die Hausaufgaben oder die Verabredung mit Freunden fehlt: Vor allem im urbanen Raum sind beengte Wohnverhältnisse für viele Menschen Standard – und die Zahl der Familien, die notgedrungen auf engem Raum zusammenleben, steigt. So zeigen aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2023, dass eine beengte Wohnsituation mehr als 9,5 Millionen Menschen hierzulande betrifft und damit mehr als jeden Zehnten. Stadtbewohner leben mit 16 Prozent rund drei Mal so häufig auf engem Raum zusammen, wie es bei der Bevölkerung in ländlichen Regionen der Fall ist (fünf Prozent).
Entbürokratisierung von Bauprozessen
Inmitten der aktuellen Gemengelage von explodierenden Mieten, steigenden Immobilienpreisen und hohen Bauzinsen ist ein Umzug in ein großzügigeres Wohnquartier in den meisten Fällen nur schwer realisierbar. Die Politik doktert derweil an Gegenmaßnahmen, um der Wohnungsnot Herr zu werden und verfehlt dabei das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr immer wieder aufs Neue.
Nun versucht sich das Bundesbauministerium (BMWSB) an einer neuen Maßnahme, die für Entlastung auf dem angespannten Wohnungsmarkt sorgen soll, und überarbeitet das Baugesetzbuch. Die Novellierung soll zu „beschleunigtem, bedarfsgerechten und bezahlbaren“ Bauen und Wohnen führen, auch eine Entbürokratisierung von Bauprozessen sowie von Planungs- und Genehmigungsverfahren ist vorgesehen. Ende des Jahres wird die Baugesetzbuchnovelle voraussichtlich im Bundestag verabschiedet.
Die Novelle sei „ein kleines Konjunkturprogramm für die Baubranche“, erklärte Bundesbauministerin Clara Geywitz bei der Vorstellung des Gesetzesentwurfs und führte aus: „Wir vereinfachen die Anwendung des Städtebaurechts durch mehr Praxisorientierung.“ In Zukunft sollen Gemeinden bei Bedarf schneller Baurechte schaffen dürfen. Auch Baurechte zum Errichten von Anlagen für erneuerbare Energien oder zur Umnutzung leerstehender Gewerbeimmobilien sind damit künftig leichter zu erteilen.
Folgende Eckpunkte enthält die Überarbeitung des Gesetzes im Detail: In Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt ist die Erweiterung von Gebäuden möglich, ohne dass hierfür Bebauungspläne geändert werden müssen; bislang war dies nur in schwer zu begründenden Einzelfällen möglich. Auch Bebauungen in zweiter Reihe werden mit dem geänderten Gesetz erleichtert. Grundstückseigentümer, die bereits ein Haus gebaut haben, können schneller und leichter ein zweites Haus auf ihrem Grundstück errichten. Im Zuge einer sogenannten Baulandumlegung ist es Kommunen zudem erlaubt, auf mehr Flächen als bislang sozialen Wohnraum zu schaffen. Auch das kommunale Vorkaufsrecht wird durch die Novellierung gestärkt.
Mehr Handlungsspielräume für die Innenstadtentwicklung
Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, sieht die geplanten Änderungen positiv. Die Novelle gehe im Großen und Ganzen in die richtige Richtung, erklärte er gegenüber dem Behörden Spiegel. „Die Städte erhalten in einigen Fällen größere Handlungsspielräume für die Innenentwicklung und flächensparendes Bauen. Auch zur Beschleunigung und Digitalisierung der Verfahren ist einiges in der Novelle drin“, erklärte er.
Nichtsdestotrotz: Einige wichtige Maßnahmen, die für mehr kommunalen Wohnraum sorgen würden, gebe es in dem Entwurf nicht. Ein Beispiel: Das Vorkaufsrecht der Städte werde nur unzureichend gestärkt. Genau das sei aber nötig, um die „überhitzten Immobilienmärkte abzukühlen“, so Dedy. Vollkommen unverständlich sei es zudem, dass das Vorkaufsrecht in so genannten Milieuschutzgebieten nicht „angepackt“ wurde – umso mehr, da im Koalitionsvertrag eine ebensolche Überarbeitung angekündigt worden war.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) hält die geplanten Gesetzesänderungen ebenfalls für sinnvoll, gleichzeitig würden zahlreiche Vorschläge die kommunale Planungshoheit allerdings begrenzen. So gefährde der „Bau-Turbo“ ohne Bebauungsplan die „sorgfältige und geplante Abwägung“ in den Kommunen. Bernd Düsterdiek, Beigeordneter des DStGB, konkretisiert die Kritikpunkte weiter: „Auch die in der Novelle vorgesehene kurze Verfahrensfrist für Bauleitplanverfahren von zukünftig maximal zwölf Monaten ist zwar wünschenswert, aber angesichts der begrenzten Personalkapazitäten in den kommunalen Baubehörden sowie der häufig komplexen Planunterlagen regelmäßig nicht zu erreichen.“
Hinzu komme: Dadurch, dass künftig Klimabelange in der Bauleitplanung stärker berücksichtigt werden sollen, sei eine größere Fehleranfälligkeit innerhalb der Planungs- und Genehmigungsverfahren zu erwarten. „Der vorliegende Gesetzentwurf verspricht Licht und Schatten“, so Düsterdiek. Eine grundlegende Lösung, um schneller zu planen und zu bauen, biete er jedenfalls nicht.
Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) sieht darüber hinaus ein Manko darin, dass die ländlichen Regionen unzureichend erfasst würden. „Der Entwurf sollte um einen entsprechenden Vorschlag ergänzt werden“, sagte ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa.
Zinsverbilligte KfW-Kredite für Familien
Damit Familien sich trotz angespannter Wohnsituation den Traum von den eigenen vier Wänden erfüllen können, gibt es seit Anfang September zudem ein neues Förderprogramm der KfW. „Jung kauft Alt“ soll Familien mit minderjährigen Kindern und kleinen bis mittleren Einkommen beim Erwerb von sanierungsbedürftigen Bestandsgebäuden unter die Arme greifen.
Die Förderung erfolgt über zinsverbilligter KfW-Kredite; für 2024 stehen zu diesem Zweck insgesamt 350 Millionen Euro bereit. Voraussetzung für die Antragsgewährung ist, dass das maximale Haushaltseinkommen der Antragsberechtigten 90.000 Euro pro Jahr bei einem im Haushalt lebenden Kind, plus 10.000 Euro je weiterem Kind, nicht überschreiten darf. Bei Antragstellung muss für die gekaufte Bestandsimmobilie ein Energiebedarfs- oder Energieverbrauchsausweis der Energieeffizienzklasse F, G oder H vorliegen. Bei einem Verbrauchsausweis der Klasse F bedeutet dies: Das Gebäude verbraucht maximal 70 Prozent der Energie, die ein vergleichbarer Neubau nach den aktuellen gesetzlichen Vorgaben verbrauchen würde. Gleichzeitig müssen mindestens 65 Prozent der Energie für die Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energiequellen stammen.