Die britische Regierung setzt ihren europäischen Annäherungskurs fort. Deutschland und Großbritannien vereinbaren eine engere militärische und rüstungspolitische Zusammenarbeit.
Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) unterzeichnete in London eine Vereinbarung mit seinem britischen Amtskollegen John Healey. Im Rahmen der Trinity-House-Vereinbarung verabredeten die beiden Staaten, enger zusammenzuarbeiten. Kernanliegen ist die Stärkung der Verteidigungsindustrie, der Schutz der NATO-Ostflanke, das Schließen von Fähigkeitslücken, die Verbesserung der Interoperabilität und die weitere Unterstützung der Ukraine. Das äußert sich unter anderem darin, dass die deutsche Marine mit ihrem Multimissionsflugzeug Poseidon P-8A episodisch auch den Luftraum über den britischen Inseln überwachen soll. Anlass für die bilaterale Zusammenarbeit, so heißt es im Abkommen, gäbe die „eskalierenden Sicherheitsbedenken, die sich durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine noch verschärfen.“
Lang- und kurzfristige Zusammenarbeit
Für den Fähigkeitsbereich Präzisionsschläge in der Tiefe und deren Verteidigung einigten sich die Vertragspartner, zunächst gemeinsame Standards festzulegen und die bestehenden Fähigkeiten im Rahmen einer gemeinsamen Übung zu evaluieren. Darüber hinaus plant man eine enge wehrtechnische Kooperation in diesem Bereich. Für das mittlere Zeitfenster ist die gemeinsame Entwicklung neuer Deep Precision Strike Capabilities vorgesehen. Auch für den Einsatz dieser Waffenkategorie plant man, gemeinsam vorzugehen. Des Weiteren streben Deutschland und Großbritannien an, ihre bisherigen Erfahrungen mit unbemannten Systemen zusammenzuführen. Auch Pläne zur künftigen Integration derartiger Systeme plant man auszutauschen. Perspektivisch sieht die Trinity-House-Vereinbarung vor, systemübergreifende Combat-Cloud-Fähigkeiten zu entwickeln. Außerdem ist die gemeinsame Entwicklung von unbemannten maritimen Luftfähigkeiten in Planung. Zusammenarbeit ist allerdings nicht nur über, sondern auch unter Wasser geplant. Konkret sieht die Vereinbarung gemeinsame Operationen im Nord-Atlantik, insbesondere im Hinblick auf die U-Boot-Kriegsführung, vor. Zu diesem Zweck sollen episodisch auch deutsche Poseidon P-8A zum Einsatz kommen. In Betracht kommt auch, gemeinschaftlich den britischen Stingray-MOD-2-Torpedo zu beschaffen. Im mittleren Zeithorizont ist die Entwicklung von Unterwasserüberwachungsfähigkeiten vorgesehen. Künstliche Intelligenz (KI) und andere disruptive Technologien sollen dabei eine Rolle spielen.
Bereits vor Vertragsunterschrift machte das britische Verteidigungsministerium öffentlich, dass Rheinmetall eine neue Artillerierohrfabrik im Vereinigten Königreich aufbauen wird. Diese Produktionsstätte soll 400 Arbeitsplätze schaffen.
Bezüglich der Stärkung der Ostflanke der NATO bekennen sich die Vertragspartner zu einer neuen strategischen Partnerschaft. Das umfasst neben Industriekooperationen gemeinsame Übungen. Darüber hinaus ist ein Erfahrungsaustausch in der Anwendergruppe des gepanzerten Transportfahrzeuges BOXER geplant. Für den längeren Zeitplan ist zusätzlich vorgesehen, gemeinschaftliche Fähigkeiten für das Future Ground Combat System zu entwickeln. Auf diese Weise soll Interoperabilität zwischen den Systemen gewährleistet werden.
Darüber hinaus verpflichten sich die Vertragspartner, gemeinsam militärische Doktrinen für die Kriegsführung in der Dimension Land zu entwickeln.
Die Minister sehen einen Meilenstein erreicht
Beide Minister sehen in dem Abkommen ein bedeutendes Kapitel in der deutsch-britischen Zusammenarbeit.
„Wir zeigen mit der Trinity-House-Vereinbarung: Die NATO-Länder haben die Zeichen der Zeit erkannt, sie verbessern ihre Fähigkeiten zur Abschreckung und Verteidigung. Die Vereinbarung trägt einen wichtigen Teil dazu bei, auch weil sie die richtigen Weichen für die Vorhaben der Zukunft stellt“, sagte Pistorius.
Healey fügte hinzu, dass man mit verschiedenen Projekten in den Bereichen Heer, Luftwaffe, Marine und Cyber gemeinsam Fähigkeiten erhöhe. Dass sich Deutschland und Großbritannien zur engeren bilateralen Zusammenarbeit verpflichten, ist auch im Hinblick auf die anstehende US-Wahl zu verstehen. Tendenziell ist ein abnehmendes Engagement der USA in Europa zu erwarten, insbesondere, wenn es zu einer erneuten Präsidentschaft Donald Trumps kommen sollte. Der britische Verteidigungsminister sprach das explizit an: „Die USA werden in Zukunft so oder so sehr wahrscheinlich weniger in Europa machen, und das heißt für uns: Wir müssen mehr tun“, sagte Healey.