Es ist eine der größten Steuerreformen der Nachkriegsgeschichte: Die ab 2025 geltende Grundsteuer-Novelle soll Ungleichbehandlungen von gleichwertigen Grundstücken harmonisieren und die veralteten Einheitswerte aus den Jahren 1935 und 1964 ablösen. Noch produziert sie jedoch hauptsächlich Verunsicherung bei den Betroffenen – für Wohngrundstücke drohen gar Mehrbelastungen.
Bei der Umsetzung der Grundsteuerreform mangelt es vielerorts noch an einem stabilen Fundament: „Noch immer sind nicht alle Eigentümer ihrer Verpflichtung zur Abgabe einer Grundsteuererklärung beim Finanzamt nachgekommen“, heißt es vom Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB). Doch auch dort, wo die Erklärungen vorliegen, wurden die Bewertungen den Kommunen offenbar zu spät oder noch nicht vollständig übermittelt. Das habe direkte Auswirkungen auf die Haushaltsplanung: „Eventuell wird es kommunale Hebesatzbeschlüsse erst im kommenden Jahr geben“, so der DStGB. Vor diesem Szenario hätten Städte und Gemeinden lange gewarnt.
Mehrbelastungen wahrscheinlich
In Nordrhein-Westfalen sieht man ein weiteres Problem: „Wir warnen bereits seit längerer Zeit davor, dass durch die Grundsteuerreform des Bundes ab dem kommenden Jahr vielerorts Wohngrundstücke stärker belastet werden als Geschäftsgrundstücke.“ Dies hätten die Bundesländer durch Anpassung der Messzahlen für Geschäftsgrundstücke verhindern können. „Das haben bisher leider nur Berlin, Sachsen und das Saarland getan“, berichtet Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetages NRW. Zwar ermögliche die Landesregierung den Kommunen differenzierte Hebesätze für Wohn- und Geschäftsgrundstücke, ein durch den Städtetag in Auftrag gegebenes Gutachten zeige hierfür aber erhebliche Rechtsunsicherheiten auf. „Damit drohen den Städten in NRW bei einer der wichtigsten kommunalen Steuern im schlimmsten Fall massive Steuerausfälle.“ Dabei ist die Haushaltslage vieler Kommunen schon jetzt prekär: Laut DStGB beklagen diese allein im ersten Halbjahr 2024 ein Defizit von 17,3 Milliarden Euro.
„Eine fatale Wirkung des Transparenzregisters“
Der Städtetag Baden-Württemberg teilt die Befürchtungen aus NRW. Das Transparenzregister des Landesfinanzministeriums sei nicht rechtlich bindend. Es diene den Betroffenen lediglich zur Kontrolle, ob der vor Ort festgesetzte Hebesatz das bisherige Gesamtaufkommen der Grundsteuer beibehält. Vereinzelt führe das Register dazu, „dass in den Gemeinderäten die Auffassung vorherrscht, man könne mit dem eigenen Hebesatz nicht über den Korridor des Transparenzregisters hinausgehen. Wenn in diesen Fällen aus Sorge um den Unmut der Bürgerinnen und Bürger gar auf Einnahmen verzichtet wird, ist das eine fatale Wirkung des Transparenzregisters.“ Das Bekenntnis zur Aufkommensneutralität gehe zudem an der haushaltspolitischen Realität vieler Kommunen vorbei: „Vielfach werden die Städte und Gemeinden gar nicht umhinkommen, ihr Grundsteueraufkommen anzuheben, um überhaupt noch genehmigungsfähige Haushalte aufstellen zu können“, heißt es dazu aus Stuttgart. Auch die Städtetage Hessen und Niedersachsen betonen die kommunale Pflicht zum Haushaltsausgleich unabhängig von den jeweiligen Empfehlungen der Transparenzregister.
Reform mit ungewisser Zukunft
Die Reform sollte ursprünglich für mehr Klarheit sorgen, doch bisher überwiegen Befürchtungen vor steigenden Beiträgen. Dazu drängt die Zeit: Ab Januar soll die neue Grundsteuer greifen. Was als eine der größten Steuerreformen der Nachkriegszeit geplant war, droht sich als Mammutaufgabe zu erweisen, deren Auswirkungen auf die Eigentümer bis zuletzt ungewiss bleiben. Die Lokalpolitik wird vor vollendete Tatsachen gestellt: „Kein Gemeinderat wünscht sich Steuermehrbelastungen in der Kommune. Dazu kommt es nur, wenn der Gemeinde kein anderer Ausweg bleibt.“ Land und Bund stünden in der Pflicht, für eine aufgabengerechte kommunale Finanzausstattung zu sorgen, so Dedy. „Dann müssten wir uns nicht über kommunale Steuererhöhungen unterhalten.“