„Eine funktionierende Infrastruktur ist die Basis für Wohlstand, gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit unseres Landes“, heißt es im neuen Koalitionsvertrag. Schaut man sich aber die eingestürzte Carolabrücke in Dresden, die nun abgerissene Ringbahnbrücke in Berlin oder das marode Schienennetz in ganz Deutschland an, wird schnell klar, dass besonders die Infrastruktur unseres Landes zu lange vernachlässigt wurde.
Aus diesem Grund haben sich CDU und SPD im Koalitionsvertrag auf ein Sondervermögen für die Infrastruktur geeinigt. Auch die Grünen waren an diesem Vorhaben noch beteiligt, denn um das gesamte geplante Finanzpaket und die damit verbundene Lockerung der Schuldenbremse umsetzen zu können, ist eine Grundgesetzänderung und damit eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag nötig. Auf Grund der Eilbedürftigkeit des Vorhabens nutzten Union und SPD daher die Mehrheitsverhältnisse des bis dato noch amtierenden Bundestags.
Damit konnte ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität geschaffen werden, dass über zwölf Jahre laufen soll. Für Länder und Kommunen ist ein Anteil von 100 Milliarden Euro vorgesehen, weitere 100 Milliarden Euro sollen auf Druck der Grünen „schrittweise dem Klima- und Transformationsfonds zugeführt“ werden, lässt sich dem Koalitionsvertrag entnehmen. Der Bundesanteil beläuft sich während der Legislaturperiode bis 2029 auf insgesamt rund 150 Milliarden Euro. Neben dem Ausbau von Verkehrs- und Energieinfrastruktur soll auch in den Zivil- und Bevölkerungsschutz, in die Krankenhausstrukturen, Bildungs-, Betreuungsund Wissenschaftsinfrastrukturen, in das Schienennetz sowie in Forschung, Entwicklung und Digitalisierung investiert werden.
Positiv, aber…
Verbände wie der Deutsche Städteund Gemeindebund (DStGB) und der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) sind sich einig: Zwar setzte das Sondervermögen Infrastruktur ein wichtiges und notwendiges Signal zum Aufbruch, allerdings sei damit auch eine schlagkräftige Reform von Nöten. „Der Dreiklang ‚Entlastung, Digitalisierung, Entbürokratisierung‘ muss insbesondere auch für Planung, Genehmigung und Vergabe gelten“, heißt es in einem gemeinsamen Pressestatement von DStGB und HDB. Dr. André Berghegger, der Hauptgeschäftsführer des DStGB, ist dabei der Ansicht, dass der überwiegende Teil der vorgesehenen 100 Milliarden Euro direkt den Kommunen zur Verfügung gestellt werden sollte, denn vor Ort finde sich die Expertise: „In den Städten und Gemeinde kennt man die Bedarfe und deren Dringlichkeit. Hier braucht es keine Vorgabe von Bund oder Ländern, sondern mehr Vertrauen in die kommunale Selbstverwaltung“, so Dr. Berghegger.
Für die Baubranche sei das Sondervermögen zuallererst ein „lang herbeigesehnte Absichtserklärung“, die Planungssicherheit bringen könnte, erklärt eine Sprecherin der HDB. Nun müssten die Mittel geordnet und schnell eingesetzt werden können – aber auch sie ist sich sicher, dass dies mit den bisherigen, langwierigen Planungsprozessen nicht möglich sei. Politik und Verwaltung müssten daher einen Weg finden, bei der Planungszeit, gerade im Bereich des Ersatzneubaus von Brücken, ein Jahr nicht zu überschreiten. Dafür müssten Fristen und Verfahren verkürzt und Planungsschritte gestrichen werden. Dass die Politik dazu in der Lage sei, haben sie schon mit dem Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz gezeigt.
Auch Helmut Dedy, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages (DST) ist ähnlicher Ansicht: „Je einfacher das Verfahren ist, desto schneller haben wir das Geld auf der Straße und die Menschen merken, dass etwas passiert.“ Neben dem Sondervermögen brauche es aber auch eine weitreichende Reform der Finanzordnung von Bund, Ländern und Kommunen. Denn das Rekorddefizit, in dem die Städte steckten, sei so hoch, dass die Kommunen es niemals aus eigener Kraft auffangen könnten. So könnte das Sondervermögen zwar einen Einbruch der kommunalen Investitionen verhindern, die strukturelle Schieflage der kommunalen Haushalte aber nicht beseitigen. Für Dedy ist klar: „Die Städte brauchen deshalb als ersten Schritt einen höheren Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer.“
Großer Bedarf in Kommunen
Auf kommunaler Ebene, wo das Geld besonders dringend gebraucht wird, ist man sich ebenfalls einig. Ein schneller, unkomplizierter Weg der Auszahlung muss her und der Großteil, der den Ländern versprochen wurde, sollte den Kommunen zugeführt werden. „Wie so viele Kommunen ist Kaiserslautern hoch verschuldet und schiebt daher einen Investitionsstau vor sich her“, erklärt ein Sprecher der Stadt. Um die Mittel schnellstmöglich nutzen zu können, schlägt er zweckgebundene Zuweisungen anstelle von aufwändigen Förderprogrammen vor. Vor Ort sollten den Kommunen dann freie Hand gelassen werden, um „Maßnahmen in der Reihenfolge anzugehen, wie sie baulich und personell für uns sinnvoll sind“.
Auch der Kieler Oberbürgermeister, Ulf Kämpfer, ist der Meinung, dass das Sondervermögen zwar enorm hilfreich sei, aber nicht ausreiche. Daher sei u. a. die Anpassung der Schuldenbremse ein Schritt in die richtige Richtung. Und für das Geld gäbe es in Kiel viele Einsatzmöglichkeiten, z. B. für den Neubau von Schulen und Kitas, aber auch die Hinterlandanbindung des Kieler Hafens, auch unter verteidigungspolitischen Aspekten. Auch der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und insbesondere der Bau der Kieler Stadtbahn würde damit in Angriff genommen werden, so Kämpfer.