Abfallvermeidung und Kreislaufwirtschaft gehören zu den entscheidenden Zukunftsthemen für die kommunale Verwaltung. Was es auf dem Weg dahin braucht, zeigt die Stadt Kiel als erste Zero Waste-City Deutschlands.
Sperrmüll, Bioabfälle, Altbatterien und Papier – die Siedlungsabfälle der privaten Haushalte sollen bis 2035 drastisch reduziert werden. Der Plan der Landeshauptstadt: Pro Kopf und Jahr 15 Prozent weniger Müll. Auch in puncto Restmüll strebt Kiel eine radikale Kehrtwende an: Pro Kopf und Jahr ist hier eine Reduktion um 50 Prozent avisiert.
„Wir alle werfen zu viel weg“, erklärt die Kieler Stadträtin Alke Voß. „Dagegen wollen wir das tun, was wir auf lokaler Ebene tun können.“ 2020 hat die Stadt aus diesem Grund neues Terrain beschritten: Als erste Kommune Deutschlands entwickelte sie unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ein Zero-Waste-Konzept. Im Februar 2023 wird sie damit zur ersten zertifizierten „Zero Waste City“ der Republik. Die 100 erarbeiteten Maßnahmen zur Abfallvermeidung überzeugen das internationale Netzwerk Zero Waste Europe, das für die Vergabe der Zertifikate zuständig ist.
Begrenzte Ressourcen minimal nutzen
„Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung stehen wir vor der dringenden Herausforderung, die begrenzten Ressourcen unseres Planeten möglichst umweltfreundlich und minimal zu nutzen.“ Mit diesem Satz umreißt Zero Waste Germany das Ziel, das es für die Kommunen umzusetzen gilt. Wie erstrebenswert eine solch effektive Kreislaufwirtschaft für die Städte und Gemeinden tatsächlich ist, erläutert Maic Verbücheln, Projektleiter des Forschungsbereichs Umwelt am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu). „Die Zukunft für eine Zero-Waste-Abfallwirtschaft auf der lokalen Ebene ist vielversprechend“, sagt er. Bereits jetzt würden immer mehr Kommunen Zero Waste-Maßnahmen nutzen, um „eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft einzuführen, Ressourcen zu schonen und den CO2-Ausstoß zu senken“.
Grundlegend für die Umsetzung sei allerdings der Faktor Bürgerbeteiligung. Abfallvermeidung, Reparatur und Recycling funktionieren laut Verbücheln nur, wenn auch die Einwohnenden vor Ort mit am Strang ziehen und ihr Verhalten anpassen. So rückt ohne Mülltrennung und Mehrwegnutzung das Ziel einer „abfallarmen Gesellschaft“ in weite Ferne.
In Kiel war die Integration der Bürgerinnen und Bürger von Anfang an Teil des Erfolgsrezeptes: Rund 450 Einwohnende beteiligten sich an der Erstellung des Zero Waste-Konzepts. Daraus entstanden 600 Beiträge, die in einer Potentialanalyse zu 107 Maßnahmen zusammengefasst worden sind.
Den Weg hin zu einer abfallfreien Kommune haben mittlerweile auch andere Städte eingeschlagen. So sind unter anderem Regensburg und München dem Kieler Vorbild gefolgt und befinden sich aktuell im Zertifizierungsprozess für den Status „Zero Waste City“. In der Koalitionsvereinbarung des Regensburger Stadtrats für die Amtsperiode 2020 bis 2026 ist beispielsweise zu lesen: „Wir vollziehen langfristig einen Wandel vom Abfall- hin zum Ressourcenmanagement“. Dabei solle Abfallvermeidung kein Selbstzweck sein, stattdessen werde ein aktiver Beitrag für den gesellschaftlichen Wandel zu einem nachhaltigeren Stadtleben angestrebt.
2023 verabschiedete München ein Zero Waste-Konzept, dessen Umsetzung von einer referatsübergreifenden Zero-Waste-Fachstelle betreut wird. Rund 30 Maßnahmen aus den Bereichen Abfallmanagement, Bildung, Events, Gewerbe und Handel, öffentliche Verwaltung, Zivilgesellschaft und Bausektor sind Teil davon.
„Abfall zu vermeiden, muss den Menschen Freude machen“, ist die Kieler Stadträtin Alke Voß überzeugt. Die Stadt habe deshalb verschiedene Aktionen gestartet: „Schnippel-Partys“ zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen, Reparatur-Events und Zero-Waste-Picknicks. Derzeit werde an einem Mehrweg-Konzept für die Gastronomie gefeilt, das „den Gastronomen Geld spart, Umsatz bringt und für uns alle den Abfall verringert.“
Mehrwegprodukte in den Alltag integrieren
Die Planungen gehen weiter, auch in Zukunft soll das Thema verstärkt Teil des Stadtlebens sein. So sollen es Konsumentinnen und Konsumenten mithilfe einer einheitlichen Mehrwegrücknahme-Infrastruktur für Kiel und Umgebung leichter haben, Mehrwegprodukte in ihren Alltag einzubinden.
„Wir sind in Kiel jetzt schon sehr weit bei der Abfallvermeidung. Auch in Zukunft wollen wir zu den Zero-Waste-Pionieren gehören“, formuliert Stadträtin Voß das Credo. Den ersten Grundstein dazu legte die Stadt bereits: Für sein Abfallvermeidungskonzept wurde Kiel vom Netzwerk Zero Waste Germany mit einem von fünf möglichen Sternen ausgezeichnet.
BU: Die begrenzten Ressourcen des Planeten möglich umweltfreundlich nutzen: Zu diesem Ziel sollen Kommunen durch Zero Waste-Strategien verpflichtet werden. Foto: BS/ Imagecreator, stock.adobe.com